Erdnussbutterkekse

Diese Woche habe ich wieder in der Küche experimentiert. Aus mehreren Plätzchenrezepten mein eigenes zusammenimprovisiert, um genau zu sein. Eine Kette von Fast-Food-Mampfschuppen macht ihre von mir bislang öfter geknusperten Erdnusskekse nicht mehr, da wollte ich schauen ob ich nicht Erdnusskekse selberbacken kann.

Meine sind ganz andere Kekse geworden als das verschüttgegangene Fastfood; zu dem ich ja kein Rezept hatte. Sie schmecken aber ziemlich lecker, wie ein Haufen Freunde auf Videoabend als Testesser befunden haben. Eine wollte sogar das Rezept: da können die Kekse nicht ganz schlecht sein. Deswegen hier das Rezept. Der Name Erdnussbutterkekse war auch interessant, und verwirrend: sind das Kekse aus Erdnussbutter, oder Butterkekse mit Erdnüssen? :think: Es ist Erdnussbutter drin. Und Butter. Quasi Erdnussbutter-Kekse, aber auch ein Bißchen Erdnuss-Butterkekse.

Schwierigkeitsgrad: keiner. Zutaten nehmen, Zutaten mischen, portinieren, in den Ofen; und warten bis die Kekse fertig sind.

Zutaten:
60g Erdnussbutter
90g Butter
100g Zucker
100g gemahlene Mandeln
200g Mehl
2 Eier

falls gewünscht: 100g ganze Mandeln zum verzieren

Zubereitung:
s.o: Zutaten gut verkneten; jeweils spielwürfelgroße Stücke (ca.10g) keksdick plattdrücken und auf einem mit Backpapier ausgelegten Rost verteilen, falls gewünscht eine Mandel oben auf jeden Keks drücken; im vorgeheizten Backofen bei 175° Umluft ca. eine Viertelstunde backen.

Auskühlen lassen, Mahlzeit :hunger: !

Veröffentlicht am November 22, 2014 in Kulinarisches, Smalltalk und mit getaggt. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 372 Kommentare.

  1. So nicht, liebe Aurorula! Nicht nur dass Unsereiner vom Testesser-Haufen (wegen Schabbes?) ausgeschlossen ist, man kriegt nicht einmal eine malheureuse image zu sehen, irgend ′ne gemahlene Mandel – von einer ganzen zu schweigen ‒ in fünf Gramm gelb-bräunlicher Erdnussbutter. Nichts, rien, schum Dawar.

    „Schwierigkeitsgrad: keiner“? Also ich habe da, häm, Schwierigkeiten, diese Erdnussbutter-Kekse oder Erdnuss-Butterkekse zu verdauen.

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    • 🙂
      Lecker waren sie, gutaussehend waren sie nicht. Deswegen kein Bild… Und Plätzchenduft geht eh nicht per Internet 😦
      Aber ich kann sie nochmal backen (das wollte ich eh irgendwann) und dann fotografieren, ja?

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    • Nachklapp: Für Schum ein Foto von der zweiten Fuhre Kekse:

      (es waren natürlich viel mehr als auf dem Foto zu sehen sind – das sind quasi die schönsten)

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    • Schum Dawar = ~Knoblauchding 😀 ? , hmm!, das sollte man glatt mal ausprobieren, süß-scharf?, dazu bissele Ingwer.

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      • P.S.
        Nanü, der Kommentar ist ganz nach unten gesackt (bezog sich auf den obersten), wohl wegen der leiblichen Schwere der Butter-Erdnuss-Keks-Butterkekse 🙂

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      • Knoblauchkeks: Das ist das Ding überhaupt, ha Dawar! Stellt Euch das Bild eines Knoblauchkekses über jedem TiN-Artikel vor! Hält Trolle sicherer auf Distanz als kleinlaute Ermahnungen an die habitués, den Dreck zu ignorieren.

        Und das Neckische daran: Schum, Knoblauch, wird gerne mit Mediterranem, auch mit Osteuropäischem, kurz: mit Jüdischem assoziiert. Ein Magen-David-Ersatz sozusagen. Und das bei Buurmann. Sollen die Feinde platzen!

        Und jetzt, Aurorula, bist Du am Zug. Schau, das ist für die gute Sache. Wir tun uns zusammen, um Buurmann zu retten.
        Schum-Kekse, wie macht man die? Man braucht welche realiter, um sie fotografieren zu können, nicht? Mit Schummelei, also mit Butter-Erdnuss-Keks-Butterkeksen, die man pour les besoins de la cause als „Knoblauchkekse“ ausgibt, kommt man bei Trollen nicht durch. Die würden das Unechte riechen.

        Für das Knoblauchding gebühren Aristobulus zwei echte Butter-Erdnuss-Keks-Butterkekse. Jetzt zugreifen, solange welche übrig sind!

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        • Ui, schwierig.
          Knoblauch habich bis jetzt eher nur in Hauptgerichte, Salate, Dips, sowas. Knoblauchbaguette. Vielleicht hält ja auch Knoblauchbaguette die Trolle ab?
          [Ich finde hier gerade nur mein Rezept für Käse-Zwiebel-Baguette, ob da Knofi zu schmeckt müßte ich ausprobieren, kanns mir aber vorstellen:
          1 Baguette (in Scheiben geschnitten)
          250g junger oder mittelalter Gouda (gerieben)
          125g weiche Butter
          2 Eigelb
          2 Eßlöffel Bier (nach Geschmack)
          1 kleine Zwiebel (gewürfelt)
          1 Teelöffel mittelscharfer Senf
          Salz, Pfeffer, Paprikapulver

          Alle übrigen Zutaten vermatschen und dick auf die Baguettescheiben schmieren. Im vorgeheizten Backofen bei 200° ca. 10 Minuten überbacken bis der Käse anfängt braun zu werden und das Baguette knusprig ist. ]

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        • … ach sehr.

          * seufz* Wenn ich nur an meinen Backofen könnte.

          Habe leider ein Backofenproblem, weil davor ein Bücherstapel sich bücherstapelt, und weil oben darauf (man soll aber nichts oben drauf stehen oder liegen oder gar gestapelt oder gar liegend oder stehend gestapelt haben, während unten der Backofen backofenbäckt, so las ich) gleichfalls Bücherstapel und meine Sammlung von GEZ-Rechnungen liegen, stehen und sich stapeln, und ein wackliges Konglomerat aus Büchern und anderen Gegenständen (gestapelt, gelegt und gestellt) droht immer herunterzufallen, weswegen ich mit diesen Büchern und Gegenständen und überhaupt mit dem Konglomerat und vor Allem mit dem Stapeln, Legen und Stellen des Konglomerats sehr vorsichtig umgehe.

          Also wird es nun Zeit, um dieses Backofenproblem zu lösen 🙂 , denn in einem Backofen nun mal soll was backen, da sollen keine Bücher, Tobackspfeifen, mehr Bücher und andere Bücher draufliegen und draufstehen und sich prekär und prekärer stapeln im Liegen und im Stehen und im sich Stapeln usf., denn ein Backofen ist ein Backofen ist ein Backofen.
          So ist das nun mal.

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        • Da fällt mir ein: Wenn Du den Backofen sowieso nicht benutzt, warum legst Du ihn nicht mit schönem Papier aus und tust Deine Sammlung von GEZ-Rechnungen hinein zusammen mit dem Teil der Bücher, der sich zur Zeit davor stapelt?
          Zwar hättest Du immer noch keinen Backofen, aber dafür einen freien Zugang zum Backofen. C’est déjà ça.

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        • 😀

          – Weil dann die Bücher die GEZ-Rechungen lesen, und das will und kann ich ihnen nicht zumuten.

          – Weil dass die GEZ-Rechnungen die Bücher lesen, und das will und kann ich ihnen nicht gönnen.

          – Weil dann die GEZ-Rechnungen womöglich die Bücher zu schlimmen Dingen zwingen, etwa zum Reproduzieren von Büchern in GEZ-Form!, baaah.

          – Weil die Bücher dann leiden, wenn sie da drin Kekse backen, weil es ihnen zu heiß wird, und das kann und will ich denen nicht zumuten!, und weil ich dann auch die GEZ-Rechnungen nicht mehr hätte, aber die brauch ich doch, obwohl ich denen etwas Über-, Ober- und Unterhitze zumuten ja gönnen täte.

          * geht jetzt zum Backofen, um zu versuchen, da was Sinnvolles zu tun, ähm, also was auch immer *

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        • *denkt nach*
          Machst Du Dir nicht unnötige Sorgen? Die Wahrscheinlichkeit, dass alles GEZettlerische lesen kann, ist doch gering. Ich kriege indirekt mit, was da läuft (wenn ich durch den Klubraum laufe, ja?). Also: Lesen können die gewiss nicht. Sie können ja kaum sprechen.
          Ob die Bücher jetzt die GEZ-Rechnungen lesen würden? Wer schwebt Dir denn vor? Schiller, Ronsard, Camus? Glaubst Du im Ernst, die kommen über die Anrede hinaus?
          Und warum soll um Himmels willen irgendwer in diesem Backofen Kekse backen wollen? Bist Du seit dem vorigen Jahrtausend nicht ohne selbstgebackene Kekse ausgekommen? Warum nicht also bis Ende des Jahrtausends?

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        • Also ich hab da drin immer Fischkekse gebacken. Nein Fisch gebacken!, also Fisch ohne Kekse, aber man weiß ja nicht, was er im Meer pour son goûter viennois hatte. Vielleicht habe ich ja Fischplastiktütenkekse gebacken. Oder der Backofen?, doch, mehr dieser war’s.

          In Deinem Clubraum steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Du einen Experten (auch einen für oder gegen die GEZ) siehst, wenn davor Kartoffeln geschält werden 🙂 , pardon, man weiß das hier!, aber ich weiß nicht, ob dafür die Kartoffen vor dem Experten geschält werden müssen. Hmm. Die schmecken übrigens auch mit Schale. Gut sogar. Frag meinen Backofenfisch.

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        • Nun weiß ich nicht, was echte Experten wie Aurore dazu sagen, aber mir scheint, dass man Fische auch im Topf kochen und in der Pfanne braten kann. Wir reden von zwei verschiedenen Fischen, ja? Nicht denselben hintereinander kochen und braten.
          Und Du meinst, dass Kartoffelschälen GEZ-Größen oder überhaupt Jemanden auf den Plan ruft? Ohne Kartoffelschälen kein Pieps mehr? Muss ich abwägen. Lieber selbst schälen und dafür kein Experte, oder Experte aber dafür geschält bekommen?

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        • Oj, da muss ich erstmal meinen Backofen fragen!, der weiß das. Schließlich weiß er als Backofenexperte und als Experte und als Backofen, wie man bäckt und warum man diese GEZ-Rechnungen macht oder erträgt und so, und über die noch viel schlimmeren Fernsehexperten weiß er sicher auch was, denn er sieht eigentlich fast wie ein Fernseher aus, mein Backofen.

          * steckt den Kopf in den Ofen *
          Allôôô-?

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        • Ist Dein Kopf gerade am richtigen Platz?
          *lockt ihn mit einem Erdnussbutterkeks vorsichtig vom Backofen weg*

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        • Danke 🙂 . Es war wirklich nötig.

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        • … aber dass da drin keiner geantwortet hat, gibt mir doch zu denken.

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  2. P.S.

    Habe mal über dieses wohl ontische Problem ein Theaterstück geschrieben, das wohl ziemlich in die Hose ging 😀 . Da geht es u.A. um Eisschränke (weil Eisschrank als etwas schöneres Wort als Kühlschrank erscheint, nicht?), die man nicht kennt.
    Hmmm. Ein Eisschrank ist das Gegenteil eines Backofens, obwohl sie gleich groß und glaich hässlich sind, und obwohl meist oder oft was drin liegt oder steht, das man dann wohl im Sitzen isst. Trotzdem sind es Gegensätze.
    Die Welt ist merkwürdig.
    Auch und gerade in Küchen.
    Wer kennt seine Küche schon genug?

    Also hier eppes aus diesem Theaterstück (heißt „Bach oder Was trinken wir heute?“
    Das musst‘ ich jetzt auch erstmal finden.
    Pardon, es geht jetzt endlos so (Deine Erlaubnis vorausgesetzt, liebe Aurorula).


    (Estelle, Charles und der Kannibale (Statist, der) am Tisch in der Bar)

    Charles. Verzeihung, darf ich Sie einladen?

    Estelle. Wozu?

    Charles. Zum Beispiel zu einem „Running Spliff“.

    Estelle. Das ist etwas Anderes.

    Charles. Nein, es ist ein „Running Spliff“, nichts Anderes, aber möchten Sie etwas Anderes?

    Estelle. Ja?

    Charles. Kennen Sie das noch nicht?

    Estelle. Ich kenne nichts Anderes.

    Charles. Ah so, dann bestelle ich uns vielleicht keine. Aber Sie sehen so bedrückt aus, darf ich fragen, ob etwas geschehen ist?

    Estelle. Etwas Anderes.

    Charles. So. – Herr Ober, bitte drei „Running Spliff“, nicht zu stark gerührt und mit viel Salmiaksorbet.

    Ober. Sehr gern, mein Herr.

    Charles. Möchten Sie darüber sprechen?

    Estelle. Wozu, es ist doch etwas Anderes – vielleicht klein und dick.

    Charles. Ach was, wie unangenehm. Übrigens, mein Name ist Charles. Gestern traf ich eine Frau, sie war groß und dünn und sprach von nichts Anderem. Es war – unangenehm. Wenn so Dünnes geschieht, fühlt man sich leicht so außerhalb. Wie soll ich es anders sagen. Nicht anders als Sie?

    Estelle. Gestern hat es gerauscht auf dem Kirchturm, ich habe es gefühlt wie an Sonntagnachmittagen. Nicht so wie in meiner Kindheit; den anderen. Ich habe gedacht, dass Rauch an solchen Sonntagnachmittagen dicker ist als sonst oder als früher.

    Charles. Sie gehen öfters auf den Kirchturm? Und wie heißen Sie?

    Estelle. Es war gestern ein anderer Sonntagnachmittag, ich glaube, es war Dienstag oder Samstag, aber es war doch wie Sonntag. Besonders am Nachmittag. Es hat gerauscht. Nicht wie hier, sondern außerhalb.

    Charles. Fühlen Sie sich öfters so – so weit entfernt?

    Estelle. Wie heißen Sie?

    Charles. Und vorgestern habe ich einen –

    Estelle. Das Rauschen heißt nicht -.

    Charles. Nein, vorgestern hieß ich noch, ich hieß so ähnlich wie ich heute heiße, glaube ich. Quoidonc, Charles Quoidonc. Aber da kommen unsere „Running Spliffs“.

    Ober. Bitte sehr, die Herrschaften, sechs halbe „Running Spliffs“.
    (Er stellt drei Gläser auf den Tisch)

    Charles. Und die Hohlhippen?

    Ober. Wie meinen?

    Charles. Die Hohlhippen fehlen.

    Ober. Die Hohl-, oh verzeihen Sie bitte. (eilt weg)

    Charles. Wie gesagt, und vorgestern traf ich einen – nein, ich habe jemanden getroffen, es war keine Frau, aber einen Mann konnte man ihn auch nicht nennen. Wir sprachen über Hohlhippen, besonders darüber, dass die so heißen, wissen Sie das? Es scheint wichtig zu sein, dass sie so heißen und dass sie überhaupt heißen, glaube ich, aber genau weiß ich es nicht. Es war ungefähr hinter der Ostmauer des Kirchturms oder des Bahnhofs, aber ich weiß nicht, ob dieser seinerseits eine Ostmauer hat. Vielleicht ist es nicht wichtig. Sie verstehen? Ostmauern sind während solcher Gespräche ziemlich wichtig, und ohne dass ich übertreiben will, es geht eigentlich gar nicht ohne Ostmauern. Vor Bahnhöfen ist das etwas Anderes. Vielleicht liegt es an der Nachmittagssonne, die dann darübersteht, oder daran, dass keine da ist. Falls.
    Aber es lag nicht an der Sonne oder daran, dass Vormittag war, nein, sondern es lag an der Ostmauer. Übrigens, mein Name ist Charles, nicht Tschaarles und nicht englisch ausgesprochen, falls Sie ihn mal geschrieben sehen, aber das ist nicht wahrscheinlich, sondern Schahrl‘, französisch ausgesprochen. Nicht wie Bach, der hat ein Ch. Und ich habe ein Sch und kein Tsch, nicht.
    Glauben Sie mir bitte, viele Dinge können wir uns vorstellen und viele andere wiederum nicht, so ist es eben. Können Sie sich vorstellen, Sie wären Sonntagnachmittags neben dem Bahnhof und nichts würde heißen oder rauschen? Nichts? – Entschuldigen Sie bitte, falls ich mit dieser Frage vielleicht etwas indiskret erscheine. In Ihren Augen etwas – etwas indiskret vielleicht, oder vielleicht indiskret. Aber da kommen unsere Hohlhippen.

    Ober. Bitte sehr die Herrschaften, und entschuldigen Sie nochmals.
    (Er rollt eilig drei Papierservietten zu Röhren und drapiert sie auf den Gläsern)

    Charles. Aber was soll das sein, bitte?

    Ober. Entschuldigen Sie, der Herr, aber wir haben keine Hohlhippen, wir hatten noch nie Hohlhippen, ich weiß nicht warum. Darf ich Ihnen statt dessen diese hier anbieten – auf Kosten des Hauses selbstverständlich.

    Charles. Ich weiß nicht, warum Sie „ich weiß nicht warum“ gesagt haben, denn Sie hätten „ich weiß nicht warum nicht“ sagen können, weil Sie ja nicht wussten oder nicht wissen, warum Sie noch nie Hohlhippen haben oder hatten – was übrigens seltsam ist, denn eigentlich hat oder hatte man wahrscheinlich immer Hohlhippen, nicht?
    Aber gut, von mir aus, tun wir so, als wären es Hohlhippen, vielleicht sind es ja welche. Danke.
    (gibt ihm unauffällig ein Trinkgeld)

    Estelle (zum Ober). Wie ist Ihr Name? Bitte sagen Sie ihn lieber nicht.

    Ober. Aber selbstverständlich, Madame -. (ab)

    Charles. Wissen Sie, diese Hohlhippen scheinen hier ein abendfüllendes Thema zu sein, hier und woanders, denn schon vorgestern habe ich mich darüber woanders unterhalten, mit keinem Mann oder vielleicht einer Frau, und heute wieder. Das geschieht nicht so oft, wie man vielleicht meinen könnte. Aber eigentlich geschieht es sehr viel öfter woanders als Anderes, absolut gesehen. In meinem Eisschrank liegen jedenfalls Hohlhippen. Natürlich. Möchten Sie sie ansehen? Man sieht sie nicht oft.

    Estelle. Ich habe gestern ein Rauschen auf dem Kirchturm gehört. Es war wie das Rauschen an Sonntagnachmittagen, als ich klein war und noch gespielt habe. Aber das Rauschen war weder Spiel noch etwas Anderes, damals nicht und an Sonntagnachmittagen ebenso wenig, aber wie kann ich das wissen? Ein Rauschen ist nicht zu wissen, aber ich habe es gefühlt, es war mitten am Samstag. Ebenso fühlte ich den Rauch, der an Dienstagen lauter ist als an Sonntagen – wie auf Kirchtürmen, aber gestern war er genauso laut oder mindestens ebenso.

    Charles. Ach. Wissen Sie, ich sehe mir für mein Leben gern meine Hohlhippen an.

    Estelle. Als ich klein war, war der Rauch klein und dick.

    Charles. Besonders Sonntags öffne ich meinen Eisschrank und besehe sie, und seit einiger Zeit habe ich eine Sorte, die mindestens dicker ist als die anderen. Sie schmeckt nicht. Aber was ändert das?

    Estelle. Der Rauch auf dem Kirchturm hat mich nicht angesehen, weil er nicht so war, wie ich ihn kenne. Das hat mich nachgerade bedrückt.

    Charles. Schopenhauer würde sagen, ich hätte eine Affinität zu meinen Hohlhippen, und Nietzsche würde dann natürlich erwidern, ich hätte sie zu meinem Eisschrank. Nicht?

    Estelle. Natürlich war es anders, als ich klein war, ich fühlte mich wie Rauch, besonders an Sonntagnachmittagen, es war nicht anders, aber wenn ich über die Schulter gesehen habe. Ich kenne nichts Anderes als solche Kirchtürme.
    (sie nimmt ihre Zigarettenspitze)

    Charles. Feuer? – Sonntags, wenn die Glocken läuten, öffne ich wie erwähnt meinen Eisschrank und erfreue mich, wie Freud wahrscheinlich sagen würde. Obwohl es mich bedrückt, dass die Hohlhippen nicht schmecken, warum weiß ich nicht. Obwohl ich sie ansehe, weil ich sie kenne. Ob sie schmecken sollen? Vorgestern hat sich jemand mit mir darüber unter Anderem fast gestritten, ich glaube, es war ein Mann, obwohl ich es Ihnen nicht genau sagen kann. Wir saßen neben dem Bahnhof, wissen Sie, neben dem, der so ein anderes Dach hat, man könnte meinen, wie ein Kirchturm. Wir redeten über Hohlhippen und keine Hohlhippen, unter Anderem.
    Können Sie sich vorstellen, was das ist: Keine Hohlhippen? Ich auch nicht, es war vorgestern, vielleicht deshalb nicht. Keine Hohlhippen bedeutet zum Beispiel nicht etwas Anderes als Hohlhippen, das wäre zu wenig präzise. Sondern es ist, als wenn man nichts Anderes kennt als solche. Darin ist sich übrigens Folgendes gleich – unterbrechen Sie mich bitte, falls das nicht stimmt, ja? Also stellen Sie sich Keine Hohlhippen vor, nein nicht keine Hohlhippen, sondern: Keine Hohlhippen. Ich habe es nicht geschafft. Die Vorstellung ist zu bedrückend. Zumal es natürlich keine Vorstellung ist, sondern etwas, das man zu genau kennt. Warum unterbrechen Sie mich nicht?, denn das stimmt ja Alles nicht. Übrigens gibt es zum Glück die Samstage. Nicht? Und wichtig ist es auch , dass es – dass sie nicht schmecken. Nicht?

    Estelle. Ich habe nicht gewusst, dass ich den Rauch gekannt habe. Der Ober hat vorhin etwas nachgerade Bedrückendes vor mir angesehen –

    Charles. Feuer?

    Estelle. – das war wie an den Sonntagnachmittagen, als ich noch gespielt habe. Seit damals kanne ich das Rauschen auf den Kirchtürmen und neben dem Rauch. Es ist, als wenn es nicht wäre. Auch der Kirchturm ist nicht. Ich kenne ihn wie sonst und wie den Rauch, und wie den Samstag. Irgendwann war es so, dass ich es nicht mehr gewusst habe – der Rauch war dicker und nicht.

    Charles. Wie erwähnt, ich kann mir meinen Eisschrank vorstellen, ich kenne ihn gut. Jedoch schaffe ich es nachgerade besser, wenn die Glocken läuten. Und wenn sie nicht läuten, bin ich imstande, an Schopenhauer oder an Aristoteles zu denken, der wahrscheinlich erwähnt hätte, dass die Sonntage ohnehin wie Rauch sind, nicht? Dann bin ich imstande und gehen achgerade bedrückt zu der Stelle, an der ich mich vorgestern unter Anderem mit jemandem unterhalten habe, ich weiß nicht, ob es eine Frau oder ein Mann war oder wer überhaupt das war, der oder die auch Nietzsche kannte, den ich nicht kenne. Es war, wie Sie sich vielleicht vorstellen können, neben einer Ostmauer, und das war wichtig und ist es immer noch. Wegen vorgestern, nicht? Womöglich auch wegen Bach. Keine Hohlhippen, das ist genauso unvorstellbar wie kein Bahnhof, nein, Kein Bahnhof oder Keine Ostmauer. – Und Sonntags? Das Gespräch hätte an einem Sonntag stattfinden müssen.

    Estelle. Wo wohnt der Kirchturm?

    Charles. Samstags sind solche Gespräche weniger bedrückend, besonders, falls man zum Beispiel den Eisschrank dabei öffnet. Ich habe Sie schon gefragt, ob Sie ihn sich ansehen werden. Möchten Sie?

    Estelle. Wohnt denn der Rauch oder Sonntags?

    Charles. Verzeihen Sie, ich wohne nicht. Wo ich wohne, wohnt mein Eisschrank, besonders Sonntags. Wenn die Glocken läuten, würden Sie sagen.

    Estelle. Gehen wir nicht zum Bach?

    Charles. Warum. Aber es würde mich wohl freuen. Dass Hohlhippen übrigens ihre Abwesenheiten haben, die man nicht anders nennen kann, ist eine Tatsache, ob man es nun so kennt oder möchte oder versteht oder nicht. Übrigens, auch vorgestern habe ich mit jemandem darüber gesprochen, es kommt nicht oft vor, eigentlich nie, außer mit jemandem, wissen Sie. Man kann das hinter der eigenen Schulter sehen. – Plötzlich neben der Ostmauer.

    (Sie erstarren. Der Scheinwerfer sucht, ob noch etwas passiert. Es passiert aber nichts. Er wandert herum und findet den Henker. Er geht von Tisch zu Tisch und starrt den Anwesenden in die Gesichter. Am Bühnenrand bleibt er stehen)

    Der Henker. Guten Tag. Oder guten Abend, egal. Wen soll ich henken?

    Charles (aus dem Halbdunkel). Sie irren sich, „henken“ heißt es nicht, denn das Wort lässt sich nur im hmm Partizip benutzen. Also „gehenkt“. Entschuldigen Sie, ich habe das nur als Anmerkung erwähnt.

    Der Henker. Nein, ich irre mich nicht, ich henke.

    Charles. Wenn Sie meinen.

    Ober (hinter vorgehaltener Hand). Und wenn der Henker sich irrt, während er henkt -?

    Charles. Das wollen wir lieber nicht hoffen.

    Der Henker. Soll ich Sie vielleicht henken und danach überlegen, ob’s ein Irrtum war, was meinen Sie?

    Charles. Nein, vielleicht geht es noch anders? Aber es heißt wirklich nur „gehenkt“, glauben Sie mir.

    Der Henker. Ich denke mal drüber nach


    Undsoweiter und so weiter endlos, und daran liegt’s, dass das Ganze wohl in die Hose ging 😀 , also an diesem und an allem sonst, zumal dann Père Ubu mit Gefolge auftaucht, und dann henkt der Henker, ich glaube, er henkt die arme Emilie, während ihr Klaus-Dieter daneben sitzt (die kommen da auch vor), aber ich trau mich nicht nachzulesen.

    – Jetzt sag schon, liebe Schum, dass es trotzdem lustig ist!, oder dass es irgendeppes aussagt, sonst muss ich wieder den Backofen fragen, und der sagt doch immer nichts.

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  3. Nach all den Süßigkeiten endlich was Richtiges à se mettre sous la dent oder in die Fleischbacken zu schieben.
    A propos: Estelles Cousine kenne ich. Sie heißt Estella. Keine Frage, ob sie kein Mann oder vielleicht eine Frau ist. Bei ihr weiß man, woran man ist.
    Nicht so bei Estelle oder Charles, dem Ober oder dem Henker. Wobei sie immer noch realer sind als der Kannibale, der nur dem Namen nach am Bar-Tisch sitzt bzw. existiert. Behauptet der Autor.
    Und das ist das Verrückte an diesen Gesprächen. Dass die Dinge, wovon sie handeln, nur als Wort existieren, nur dem Laut nach. Die Hohlhippen sowieso, aber auch der Kirchturm oder der Rauch. Wenn Estelle selbstverständlich sagen kann: „Der Rauch auf dem Kirchturm hat mich nicht angesehen“, dann gibt es weder Rauch noch Kirchturm, dann gilt: Es gibt Keinen Rauch und Keinen Kirchturm. Fragt sich, ob es jenseits der Wörter überhaupt was gibt.

    Mich hat eine mittelalterliche Lehre fasziniert, die sich „Nominalismus“ nennt. Universalia sunt nomina – die Allgemeinbegriffe sind bloße Namen. Nichts Reales, Sicht- oder Anfassbares. Die Einzelgegenstände, die man einer Kategorie zuordnet, kann man wohl sehen und berühren ‒ dieser Kirchturm, diese Zigarettenspitze ‒, die sind wirklich, doch die Kategorie selbst – Kirchtürme, Zigarettenspitzen ‒ ist Schall und Rauch: ein Wort eben, nichts außer dem Namen.
    Immerhin besteht beim Nominalismus die Hoffnung, dass man jederzeit von der Kategorie zum Einzelgegenstand zurückfinden kann. Vom Irrealen zum Realen, woran man sich halten kann. Die Welt steht noch festgefügt da.

    Nicht so bei diesem Gespräch zwischen Estelle, Charles und den Anderen. Falls es sie überhaupt gibt. Fragt sich, ob es noch Einzelgegenstände gibt. Nein, fragt sich nicht. Es gibt keinen Bahnhof und keine Ostmauer, genauer: Es gibt Keinen Bahnhof und Keine Ostmauer. Das ist Alles unheimlich. Hohlhippig und unheimlich. Da spielt schon keine Rolle, dass der Eisschrank erst bei Glockenläuten zur Vorstellung wird. Erstens ist er leer und zweitens gibt es ihn nicht.

    Und trotz alledem und alledem: Ich lese den Text und erfreue mich ‒ wie Freud wahrscheinlich sagen würde.
    Merci.

    Ja, und gut Schabbes! (Doch, den gibt es, ich habe ihn geschmeckt.)

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  4. PS. Spannend der Titel: „Bach oder Was trinken wir heute?“ Weil er sich nämlich als Finte erweist.

    Fragt Estelle: „Gehen wir nicht zum Bach?“ Aha! Nicht etwa: Gehen wir nicht zu Bach, ohne Artikel, wie’s bei einem Namen sein soll, sondern: Gehen wir nicht zum Bach? Also zu einem Flüsschen, oder allgemeiner: zum Wasser.

    Hier ist also die gesuchte Verbindung zwischen „Bach“ und „trinken“. Ja, was trinken die Beiden denn? „Running Spliff“? Einen Joint? Anscheinend ja. Aber nicht irgendeinen Joint, sondern einen „running“, einen laufenden, wie laufendes Wasser. Mit anderen Worten: Sie trinken Wasser. „Running Spliff“ ist wohl eine Bar-gemäße, gehobene Bezeichnung für „Wasser“. Vielleicht Mineralwasser. Da kann man dem Autor für das Geheimwissen nur gratulieren.

    Was für ein Dialog! Und das in nüchternem Zustand! Herr Ober, noch ein Running Spliff!

    Aber im Ernst. Der Text macht froh und melancholisch zugleich. Nee, lustig ist er nicht.

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    • Dank für Deine Beobachtungen 🙂

      Ja, die versuchen in irgend Worten zu reden, sie nehmen Worte voneinander auf, und was teilen sie einander mit?, ich weiß es nicht.
      Oder uns fehlt der Bezug und es geht dort unter denen um etwas?, nur können wir es nicht verstehen.
      Der Anfangs einzig Vernünftige ist übrigens der Henker, dem auffälllt, was nicht stimmt, und er tut dann nichts Vernünftiges, sondern das Unvernünftigste vom allem, nämlich dieses Herumhenken (nein, es heißt gehenkt). Charles Quoidonc (der Mann ohne Eigenschaften) versucht ihn noch zu überreden, es nicht zu tun, aber was soll er machen außer Worten?, und das Ganze ist doch wie eine Debatte aus der Bar des Reichstags im Januar 1933, nicht?, als jene von da draußen anfingen, die drinnen Redenden umzubringen.

      Übrigens ist der Text uralt, fast das Älteste, das ich nicht irgendwann zerrissen habe, nämlich von 1987, als ich wohl meine surrealistische Phase hatte. Sowas wächst sich zum Glück später aus.
      Ja, der Name des gräßlichen Cocktails ist seit 1987 geblieben, sowas trank man da.

      2007/2008 brauchte mein Sohn schnell ein Theaterstück, in seinem Theater hatten sie keins, und ich erinnerte mich, da war doch was?, habe dann die Dialoge verändert, die einigermaßen gingen, worauf sich der Plan jedoch plötzlich zerschlug-.
      Weiter ging es so: Père Ubu (der Lüstling, der alle Welt zerreißen will) tut sich mit dem Henker zusammen, der es nicht aushält, auf eigene Rechnung zu henken, und sie feiern Feste des Zerreißens, während sie Bach auflegen. Estelle wird von ihrer eigenen Ätherik dahingerafft (hatse verdient), und Charles entscheidet sich und versucht, die Kurve zu kriegen und die Zerreißer mit falschen Cocktails zu vergiften.

      Falls ich es beenden wollte, käme freilich jetzt keine Dämonenbrut aus dem zwanzigsten Jahrhundert zur Tür herein, sondern ganz realistisch der Islam 😡 , nein der IS, wer sonst.

      – Und man müsste Hohlhippen backen. Aus Butter-Erdnussbutterkeks-Butterdnusskeksteig. Och ja. Vielleicht werden es dann welche!

      A guttn Schabbes.

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  5. Cohn oder Was lesen wir heute?
    Ich könnte noch Stunden. Gibst Du noch a stickele, Jarry und Musil zu Ehren?

    Ich hatte den Henker als Wortmacher gleich den Anderen wahrgenommen, doch Deine Bemerkung ist goldrichtig (Kunststück! Er ist der Autor): Wenn der Name nicht trügt, ist der Henker der einzig Handelnde in dieser Quasselbude.
    „Quasselbude“? Häm, ja. Während die Einen über den Rauch an Dienstagen parlierten, wetzten die Anderen die Messer.
    Tatsächlich sind Dialoge dieser Art an einer Nichtraucher-Bar des europäischen Parlaments denkbar. Es müssten aber richtig böse Dialoge sein, bei denen Martin und Catherine nur so tun, als ging‘s um Bahnhof und um Ostmauern. – Sie meinen die Westmauer? Ja, die Mauer muss weg. Doch schon in Rufweite: „Allahu akbar“. – C‘est une révolte? – Non, Madame, c’est une révolution.

    A guttn Schabbes und schönes Wochende.

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    • … et si ils ne veulent pas brûler du pain, qu’ils brûlent alors des juifs.

      – Neuer Titel:
      Bach oder Trinken wir heut da draus?

      In der Baa‘ in der Baa‘ in der Baa‘, Mensch was machen die daa?
      . . .

      Charles. Sie haben keine Zigarette, Madame, zumal heute nur Dienstag ist?
      Estella. Vor offenen Eisschränken muss man Havannas rauchen, nachgerade, oder der Rauch ist an den Westmauern abwesen wie man selbst an Dienstagen.
      Charles. Nicht dass Sie mich missverstehen; ich wollte Ihnen keine Zigarette anbieten, sondern: Keine Zigarette. Und eine Ostmauer ist mir unbekannt, jedoch, kennen Sie eine Westmauer?, oder kennen Sie meinen Eisschrank?
      Estella. Catherine will die Westmauer nachgerade verfeuern, Martin glaubt mir keinen Rauch, auf dem Kirchturm ist man nur Sonntags bedrückt, und wie heißen Sie?, denn auch Catherine heißt nicht.
      Charles. Catherine verwandelt die Westmauer in einen Eisschrank, weil sie wohl nicht Catherine sondern Eisschrank heißt, und nein, Madame, ich heiße nicht Eisschrank, weder so noch etwas anderes Erbauliches. Darf ich Ihnen einen Sex-on-the-beach bestellen?
      Est. Ich tue nichts Anderes.

      Usw. usf. 😀

      Schulligung, das war jetzt improvisiert, und ja, so müsste das weitergehen, sofern überhaupt!, aber es wär ungeschickt, denn diese Catherine und dieser Martin werden schon nächstes Jahr so unbekannt geworden sein wie allerlei Ostmauern schon immer.

      A gutte woch 🙂

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      • Ich höre förmlich den Nachbartisch! 🙂

        Kellner (kommt aus der Küche): Letzte Runde Cocktails, der Barkeeper geht gleich in Feierabend. Möchte noch jemand Cocktails bestellen?
        Martin: Die Dame hätte gerne noch einen Eiscafe.
        Kellner: Entschuldigung, die Kaffeemaschine ist durchgebrannt. Ein anderes Dessert, vielleicht?
        Catherine: Danke, nein. (Kellner ab)

        Charles (leise, am Nachbartisch): Das hat mir der Eisschrank auch erzählt, die Kaffeemaschine ist durchgebrannt. Nach all den Jahren. Keine Kaffeemaschine.

        Auch eine gute Woche 😀

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    • P.S.
      Aber Du wolltest noch lesen a schtickele?, also, hier ist der Dialog vor dem langen anderen Dialog mit Estella und Scharl‘:

      . . .
      . . .

      (Ein Saal, hinten Holzbänke mit Asketen, die Bachs „Herr, gehe nicht ins Gericht“ intonieren. Vorn eine Bar in Knallrot und Gäste mit mehr Schein als Sein. Manchmal beleuchten die Scheinwerfer den Protz, der so herumsteht, manchmal nicht. Manche Gäste tanzen langsamen Walzer zu Bachs Chor. Der Suchscheinwerfer findet einen Tisch mit Emilie und Klaus-Dieter. Emilie (eine ältere Dame, die da nicht so hinpasst) springt plötzlich auf und stöhnt andachtsvoll:)

      Emilie. Bach!

      Klaus-Dieter. Was trinken wir heute?

      Emilie. Aber Klaus-Dieter, ich rede vom großen Bach, und du fragst, was wir heute trinken -.

      Klaus-Dieter. Der Bach war nicht groß, der war so richtig klein und dick, Emilie. Und der ist eh nicht da, und also was trinken wir heute?

      Emilie. Sei doch nicht wieder so, Klaus-Dieter. Kamillentee… nein, zwei Scotch?

      Klaus-Dieter. Okay, für mich auch zwei Scotch. Hahaha. He, Bedienung!

      Ober. Bitte, mein Herr?

      Klaus-Dieter. Zwei Scotch für die Emilie, das ist die da, und für mich auch zwei. Hahahaa!

      Emilie. Herr Ober, war Bach etwa klein und dick?

      Ober (schüttelt den Kopf). Pardon, Madame.

      Emilie. Aber Sie sind doch der Ober, Sie müssen das doch wissen -.

      Ober (diskret). Madame gestatten, wenn man öhm die Aspekte seiner Musik recht bedenkt und sie alle öhm in Rechnung stellt, dann war der Herr Bach wohl fast so ähnlich geartet wie sein Großvater.

      Klaus-Dieter. Großvater vom Vater oder Mutter?

      Ober. Mütterlicherseits, mein Herr.

      Klaus-D. Ach.

      Emilie. Aber Klaus-Dieter. – Woher wissen Sie bloß so viel, Herr Ober -.

      Ober. Erlauben Sie, Madame, ich muss doch, denn wer sollte sonst -.

      Emilie. Und mütterlicherseits?

      Ober. Mütterlicherseits, Madame, es so gut wie sicher.

      Klaus-Dieter. Nee, Bedienung, der hat so viel Scotch oder was getrunken, dass der davon so klein und dick geworden ist, der Bach, und auch die Mutter vom Bach war schon so. Winzig und feeett waren die, die Bachmutter und der dicke Bach.

      Ober. Erlauben Sie, mein Herr, aber ich muss dazu bemerken, dass der Herr Bach nur Wein trank. Das ist so gut wie -.

      Klaus-Dieter. Nee. Bier. Und das macht so richtig doll feeett.

      Emilie. Aber Klaus-Dieter -.

      Ober. Wenn die Herrschaften jedoch gestatten -.

      Emilie. Herr Ober -.

      Klaus-Dieter. Total feeeett.

      Emilie. Aber -.

      Ober. Wer sonst -.

      Klaus-Dieter. Bier.

      Ober. Madame -.

      Emilie. Mütterlicherseits -.

      Klaus-Dieter. Feeeeett -.

      Ober. Erlauben –

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  6. Bevor ich mich mit RCs koscherem Stickele hinter den Eisschrank verziehe, an Alle: Schkojach! Macht Freude, mit Euch am Nachbartisch zu sitzen.

    Gute Woche!

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  7. Großartig!
    Was den Bach betrifft: Der Ober hat Recht. Das sagt auch Catherine immer: Man muss den Obern aufs Maul schauen.

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  8. … es scheint mir, dass Ihr beide mehr lesen wollt?, na gut (und danke!), dann werd ich nun also mal den Rest hier hintun.
    Wobei immerhin nochmal Hohlhippen erwähnt werden, wegen des hiesigen Themas der Butter-Erdnussbutter-Keksbutterkeksen ist mir das wichtig 🙂

    Also das Stück beginnt mit dem Dialog von Klaus-Dieter und Emilie, dann kommt der Scheinwerferschwenk zum Tisch von Estelle und Charles, und dann (nachdem der Henker aufgetreten ist) geht es weiter wie folgt.
    (so der Stand von 2007/2008)

    -> . . .
    Der Henker: Ich denke mal drüber nach.

    (Der Scheinwerfer schwenkt auf Emilies Tisch)

    Emilie: Schmeckt dir der Scotch, Klaus Dieter?

    Klaus-Dieter: Na wieso nicht, Emilie, schließlich hast du ihn bezahlt. Schmeckt er dir?

    Emilie: Wie soll ich das wissen. Man trinkt doch Scotch, oder nicht? Wie Kamillentee? Den trinkt man anders, glaube ich, aber man trinkt ihn. Und Scotch, Klaus-Dieter? Bitte sag mir, ob man ihn trinkt.

    Klaus-Dieter: Hier?

    Emilie: Wie bitte -?

    Klaus-Dieter: Ob man den hier trinkt? Aber Kamillentee kriegst du nicht.

    Emilie: Ja, bitte sag mir, ob man ihn denn trinkt, Klaus-Dieter.

    Klaus-Dieter: Na klar, hast du schon mal einen gesehen, der ihn isst? Hahahaa. Scotch trinkt man, wieso denn nicht.

    Emilie: Na dann – weißt du, es hat mich doch beunruhigt.

    Klaus-Dieter: Ach was. So wie vorhin dieser Bach?

    Emilie: Was hat das denn wieder damit zu tun, Klaus-Dieter.

    Klaus-Dieter: Nich‘ wenig. Du stehst wohl auf klein und dick? Winzig und feeett.

    Emilie: Nicht so laut, hörst du? Nachher pfeifen die Spatzen deine Frechheiten wieder vom Kirchturm.

    Klaus-Dieter: Zum Henker Emilie, reg dich mal ab. – Ich muss übrigens nachher zum Bahnhof.

    Emilie: Aber Klaus-Dieter, ich habe es doch nicht so gemeint –

    Klaus-Dieter (unverschämt): Ich muss sowieso zum Bahnhof.

    Emilie: Aber warum –

    Klaus-Dieter: Manchmal muss man halt zum Bahnhof, oder sonstwo hin, wieso willst du das nicht begreifen. Emilie begreift nix, nicht mal, dass man zum Bahnhof muss, oder sonst wohin. Dein Bach hätte das auch gesagt. Der ist auch zum Bahnhof gegangen. Pah, der hat nicht mal gesagt, ich geh hin, sondern der ist einfach hingegangen. – He Bedienung! – Ich frag ihn einfach.

    Emilie: Aber –

    Ober: Bitte sehr, der Herr?

    Klaus-Dieter: Ist Bach manchmal zum Bahnhof gegangen?

    Ober: Herr Bach, bitte?

    Klaus-Dieter: Klar doch, Mensch. Bach, Bahnhof, gegangen. Ist er oder ist er nicht?

    Ober: Verzeihen Sie bitte, der Herr, aber wenn Sie das vielleicht meinem – Vorgesetzten – – ich bin doch hier nur –

    Klaus-Dieter: Nix wiss‘. Verstehe. (ruft quer durch den Saal) Hey Sie!

    Emilie: Aber Klaus-Dieter –

    Der Henker: Na was denn nun?

    Klaus-Dieter (pedantisch): Ist Bach manchmal zum Bahnhof gegangen?

    Der Henker: Haben Sie das nicht schon den Ober gefragt?

    Klaus-Dieter: Na klar doch.

    Der Henker: Und was wollen Sie dann von mir?

    Klaus-Dieter: Ach legt euch doch alle gehackt -.

    Emilie: Aber Klaus-Dieter – –

    Klaus-Dieter: Gar nix erfährt man hier, Saftladen, das.

    Der Henker: Ober, sagen Sie ihm doch, was er wissen will, sagen Sie ihm irgendwas vom Bahnhof, kann doch nicht so schlimm sein. Ich habe keine Zeit für so was, muss nachdenken.

    Ober: Selbstverständlich, Herr -. Selbstverständlich.
    (zu Klaus-Dieter)
    Vielleicht dürfte es Ihnen bald bekannt sein, der Herr, wohin Herr Bach ging, er wusste es nämlich. Und dazu, mein Herr: Herrn Bachs Großvater, mütterlicherseits versteht sich, kannte den Bahnhof übrigens nicht. Ihnen gesagt, weil ich es weiß, aber nicht mehr. Danke.
    (entfernt sich)

    Klaus-Dieter (zu Emilie): Na siehste, du Schnalle.

    (Im Hintergrund stellen sich die Musiker auf und schrammen leise den 1. Satz der Flötensonate h-moll herunter)

    Klaus-Dieter: Das klingt ja wie vom Großvater. Zum Bahnhof hätt der gehen sollen. Was hast du eigentlich gegen Bahnhöfe?

    Emilie: Aber Klaus-Dieter. Ich meine nur, es ist vielleicht nicht gut, dass –

    Klaus-Dieter: Was weißt du denn. Ach zum Henker, immer vermiest du einem die Laune. Aber Klaus-Dieter. Trink wenigstens deinen Scotch aus, sonst geht der auch noch zum Bahnhof.

    Emilie: War es denn Scotch? Und trinkt man ihn -? Ich weiß es doch nicht.

    Klaus-Dieter: Gerührt oder geschüttelt, hier, letzten Donnerstag oder am Bahnhof, verdammt?

    Emilie: Das weiß ich nicht, Klaus-Dieter. Bitte fluch nicht, du machst mir Angst.

    (Als der Henker anfängt zu reden, sucht sich der Scheinwerfer sein Gesicht)

    Der Henker: Tja, wenn ich das wüsste. Henken oder gehenkt, das ist hier die Frage. Henken, schwenken, denken. Ich denke ich henke. Nun ja, Tschaarles würde sagen, dass ich mich irre. Nein, Scharl‘. Egal, er wird rechthaben, aber darum geht’s nicht.
    (Er tappt zu Emilies Tisch)

    Der Henker: Ich henke, also bin ich. Oder umgekehrt. Wenn ich nun bald keinen henke, dann bin ich vergeblich oder sinnlos. Hier ist aber alles voll mit Sinn. Die alle hier produzieren Sinn!, die tun gar nichts sonst, SinnSinnSinn, und der Sinn stapelt sich und stapelt sich und macht die Luft dick, bis man sich dran aufhängt. Deshalb muss ich jetzt arbeiten, verstehen Sie, Frau Emilie? Weil ich nur ich bin. Jeder sonst hier kann es anders, bloß ich nicht. Aber Sie müssen mir helfen, denn ich weiß nicht, wer hier gehenkt werden soll. Helfen Sie mir?

    Emilie: Aber um Gottes Willen -.

    Klaus-Dieter: Was hat denn der damit zu tun. Der ist doch auch gehenkt worden, nicht? Hat der Nitsche oder so einer gesagt.

    Emilie: Auch gehenkt -?

    Klaus-Dieter: Aber ja, Mensch. Stand in der Zeitung. Letzte Woche.

    Der Henker: Stand da, dass das passiert ist, oder dass das einer gesagt hat?

    Klaus-Dieter: Weiß ich doch nicht. Fragen Sie doch den Ober, der weiß Sachen. Oder wollen Sie sich setzen? Emilie gibt Ihnen bestimmt einen Scotch aus.

    Emilie: Klaus-Dieter, um Gottes -.

    Der Henker (zu Emilie, nicht unfreundlich): Soll ich Sie nun henken?

    Klaus-Dieter: Lohnt sich kaum.

    Der Henker: Woher wollen Sie das wissen?

    Klaus-Dieter: Na, was ich weiß, das weiß ich.

    Der Henker: Sie sind halt randvoll mit Sinn. Aber sowas von. Wie heißen Sie, Klaus-Dieter? Na eben. Vielleicht liegt es daran. Ich kenne jeden, deshalb bin ich der Henker, verstehen Sie das?

    Charles (im Halbdunkel): Es gibt immer jemanden, der nicht hinhört.

    Der Henker: Meinen Sie jetzt wieder die Grammatik?

    Charles: Nein, ich meinte einen anderen Sinn, meinen Sinn, der liegt dazwischen. Wenn Sinn denn Sinn ist.

    Der Henker So -.
    (Emilie sackt weiter zusammen, Klaus-Dieter gafft, Charles sitzt unbewegt da usf., der Henker sieht Jedem ins Gesicht)
    Das verstehe ich nicht. Da wollen die Leute, dass man sie kennt, und nur deshalb kommen sie hier her und ertragen das alles!, ertragen dazu sich selbst. Nein, das tun sie nicht. Aber sie kommen her. Trotzdem. Obwohl sie das alles nicht ertragen. Und dann wollen sie nicht gehenkt werden. Obwohl das ein und das Selbe ist, das Eine und das Andere. Versteh ich nicht. Ob die das verstehen? Ach wo. Wer hat sich das nur ausgedacht -.

    Charles: Jetzt war es korrekt.

    Der Henker: Bitte was?

    Charles: Pardon?

    Der Henker: Ah so, die Grammatik. Ich habe „gehenkt“ gesagt. Schön so?
    (zu Estelle)
    Guten Abend Estelle, ich kenne Sie von früher, deshalb weiß ich, wie Sie heißen. Natürlich. Sagen Sie mir bitte, wie ich das alles verstehen soll, Estelle.

    Estelle: Ich weiß nicht, was ich verstanden habe. Niemand kennt den Kirchturm, und deshalb werden auch die anderen Kirchtürme unbekannt. Oder waren Sie nicht dort? Sonst wären Sie unbekannt.

    Klaus-Dieter (im Halbdunkel): Nee, der ist doch hier, da steht er, und wir kennen den.

    Der Henker: Ich glaube, wir kennen uns von woanders her. Vielleicht finden wir es noch heraus, das würde mich freuen.
    (zu Charles) Und Sie, Herr Charles mit dem Partizip? Vielleicht wissen Sie etwas, das Sie mir erklären könnten. Denn was man weiß, kann man erklären, nicht?

    Charles: Bitte, Madame, oder ist es Ihnen –

    Estelle: Aber ja, wenn Sie etwas wissen, müssen Sie es suchen.

    Charles: Wenn Sie meinen. (zum Henker) Pardon bitte, Herr Scharfrichter, falls ich Ihnen vorhin arrogant erschienen sein sollte, das war nicht meine Absicht. Denn arrogant bin ich nicht, ich kann gar nicht arrogant sein, denn ich weiß dafür zu wenig. Weil ich aber versuche, etwas zu wissen, nur irgend etwas, sogar meinen Eisschrank, obwohl ich ihn ja kenne, könnte die Suche zu leicht arrogant wirken. Möchten Sie sich nicht setzen? Bitte.

    Der Henker: Charles, haben Sie schon mal einen Henker gesehen, der sitzt? Das passt nicht. Also bleibe ich besser stehen, ehe ich henke, nein, gehenkt haben werde. Trotzdem danke.

    Klaus-Dieter: Nun lasst ihn doch endlich wen henken.

    Emilie: Schscht, Klaus-Dieter – –

    Charles: Einmal habe ich einen Henker sitzen sehen, aber das war in einem Land, in dem es eigentlich keine Henker mehr gibt.

    Der Henker: Wo soll denn das gewesen sein?

    Charles: Das weiß ich nicht, Herr Scharfrichter, der Henker hat mir das so gesagt. Aus dem Grund saß er, das hat er mir so gesagt. Ich fragte ihn, ob es denn in diesem Land, in dem wir beide waren, er sitzend, ich stehend, ob es da keine Henker mehr gebe? Nein, die gebe es nicht, hat er geantwortet. Und dass es dort Henker gebe, dass es dort natürlich welche gebe. Aber er saß.
    Das lässt sich nicht verstehen, wie ich es nun drehe oder wende, und vielleicht ist es deshalb nicht wichtig.

    Der Henker: Na für mich schon -.

    Charles: Natürlich. Vielleicht liegt es auch daran, dass dieser sitzende Henker verlorengegangen ist. Es geht so viel verloren. Sie sehen nicht hin, und schon ist es verloren. Ja wohl ein ganzes Land, wenn man dem, was der Henker mir gesagt hat, glauben mag. Sie können aber jeden danach fragen, und jeder wird sagen, dass er davon noch nie gehört hat. Was geschieht also, wenn etwas verlorengeht, obwohl oder weil jeder es vergessen hat?
    Aber bleiben wir bei den Dingen, da verhält es sich zwar nicht weniger schrecklich, aber da ist es vielleicht zu verstehen. Wenn man versucht, oder wenn man etwas versucht, darf man nicht zuviel wissen. Oder wenn man es sucht und es schon vergessen hat oder noch nie davon wusste. Stellen Sie sich vor, Sie kennen etwas nicht mehr – sagen wir, den Bahnhof. Das kann vorkommen. Es kommt wohl viel öfter vor und in viel größerem Maß, ja Ausmaß, als man sich das so denkt. Oder stellen Sie sich vor, jemand kannte etwa – den Bahnhof, und plötzlich wird er ihm unbekannt. Also war er ihm schon immer unbekannt. Was passiert dann mit dem Bahnhof, ab wann? Und was ist mit jenen, die den Bahnhof noch kennen? Also wird der Bahnhof nicht plötzlich unbekannt, verloren, sondern es gab nie einen Bahnhof, nie das Wort, nicht einmal die beiden Silben. Bahn – Hof. Nie. Aber gibt es Fälle, in denen sich jemand an etwas erinnert, das nie dagewesen ist. Verstehen Sie? Ich meine: Verstehen SIE das?

    Der Henker: Nein. Ich tue es bloß.

    Charles: Eben, Herr Scharfrichter, das ist es ja. Das Unbekannte und das Erinnern des Unbekannten ist das einzige Tun, ob nun davor oder danach. Wie passt das zusammen? Stellen Sie sich vor, Sie kannten den Rauch oder den Kirchturm, und plötzlich, nein nicht plötzlich, wird er unbekannt. Nur wissen Sie es nicht, denn er war Ihnen schon immer unbekannt wie Ihr Eisschrank. Pardon, nicht Ihrer, Herr Scharfrichter. Jedoch das waren Sie, der das gemacht hat. Ich sage gemacht, natürlich nicht veranlasst!, denn das wäre arrogant, ja unverschämt -. Und ich sage Rauch oder Kirchturm, aber nicht Erinnerung oder Wissen oder gar Jemand, denn was geschieht mit jemandem? Stellen Sie sich nur vor, mit wie vielen Dingen das geschieht, mit Bahnhöfen und so weiter, und nicht nur mit – Ostmauern. Einen Henker gab es, der unbekannt geworden ist. Ich weiß nicht, was das bedeutet.

    Der Henker: Ich habe wirklich keine Ahnung. Bitte reden Sie doch weiter. So lange habe ich frei.

    Charles: Das ist ein Gedanke, den man auf keinen Fall zuendedenken darf, Herr Scharfrichter, das müssen Sie doch wissen. Natürlich wissen Sie es. Nein, Sie tun es bloß, aber das wissen Sie. Was ist mit der Ostmauer, die plötzlich unbekannt wird? Ob man nun über die Schulter sieht oder nicht. Sie wissen, dass Manches nur neben Ostmauern geht, ja dass es überhaupt nur dort denkbar nein vorstellbar ist, ob nun vergessen oder nicht!, sofern es eine Ostmauer gibt, nein sofern es nur irgendwo eine Ostmauer gibt. Bloß die Vorstellung einer nein das Denken an eine Ostmauer, die es dann gibt. Aber sie wird plötzlich unbekannt, nein nicht plötzlich: Es gab sie nie. Was ist Kei-ne-Ost-mau-er ohne die drei nein fünf Silben? – Mein Eisschrank weiß es auch nicht.

    Estelle: Doch, er wusste es. Wollten Sie ihn mir nicht zeigen?

    Charles (plötzlich völlig erschöpft): Doch, ja, sofern Sie gestatten. Weil das Dinge sind, die etwas bedeuten, ja die nicht GETAN werden müssen, weil sie nicht zu suchen sind.

    Der Henker: Und bei der Grammatik?

    Charles: – – ! ! Das habe ich nicht bedacht.

    Der Henker: Eben bei der Grammatik, Charles. Weil ich nach der Grammatik handle. Nur danach. Das wissen Sie ja. Was ist denn mit der Grammatik? Da muss drinstehen, wen ich henken soll, wo steht das? Wer schreibt mir eine Grammatik mit den Regeln?

    Charles: Das weiß ich nicht, ich verstehe die Grammatik nicht. Denn das sind Dinge, die zuviel miteinander gemeinsam haben, als dass ich sie wissen könnte. Und es sind ja keine Dinge!, denn das wäre viel einfacher bei Dingen.

    Klaus-Dieter: Ich sag auch immer, dass das Leben kompliziert is‘.

    Estelle: Kennen Sie sie nicht, Charles?

    Charles: Die Dinge? Nein. Zu viele davon sind unbekannt, Madame. Und manche Dinge sind gar keine. Wenn Sie nicht da wären –

    Klaus-Dieter: Wann seht ihr euch denn jetzt mal den Kühlschrank an?

    Emilie: Aber Klaus-Dieter, es ist doch ein Eisschrank, lass doch.

    Klaus-Dieter: Man kann auch einen Gefrierschrank ansehen. Und lieber nicht wissen, was da so drin ist.

    Emilie: Aber warum -.

    Klaus-Dieter: Klar, du weißt ganz gut, was so alles in deinem Besenschrank rumklötert, Emilie, keine Angst, ich sag’s nicht weiter.

    Der Henker: Der Klaus-Dieter kennt Besenschränke, von denen bisher noch keiner geredet hat. Wie schön. Und Charles kennt die Ostmauer nicht mehr, oder fast kaum mehr. Und ich weiß nicht, woher ich Estelle kenne. Emilie, wissen Sie jetzt, ob oder wie man Scotch trinkt?

    Klaus-Dieter: Trinken und getrunken werden, sag ich immer.

    Emilie: Danke ja, Herr – Herr Henker, ich weiß es, man trinkt ihn, Klaus-Dieter hat es mir erklärt.

    Der Henker: Sind Sie sicher?

    Emilie: Nicht so ganz.

    Der Henker: Sind Sie nicht -?

    (Erstarrung. Es passiert wieder nichts. Der Chor setzt ein mit Bachs „Ich hatte viel Bekümmernis“. Der Scheinwerfer geht auf die Suche nach etwas, das passiert, und findet Emil, den Kannibalen)

    Klaus-Dieter: Ach so, der.

    Emilie: Wieso -?

    Klaus-Dieter: Na um den geht’s doch hier. Schallst du das nicht?

    Charles (aus dem Halbdunkel, über die Schulter): Sie sollten wohl doch noch etwas zu trinken bestellen.

    Klaus-Dieter: Yep. Bei der Musik. Wie ist denn der „Running Spliff“?

    Ober (heraneilend): Gestatten, der Running Spliff ist mit Salmiaksorbet, aber leider ohne Hohlhippen, obwohl es auf Wunsch des Herren da drüben nun etwas Ähnliches gibt.

    Klaus-Dieter: Klingt irgendwie knorke. Zwei! Emilie bezahlt die ja. Und einen Sex-on-the-beach, wegen der Stimmung hier.

    Ober: Sehr wohl, der Herr.

    Klaus-Dieter (ruft hinter dem Ober her): Bravo, Sie sind ja der Einzige, der überhaupt was tut. Außer dem da natürlich. (zeigt auf Emil)

    Ober: Küss die Hand, der Herr.

    Emilie: Aber Klaus-Dieter, der kann doch nichts dafür -.

    Der Henker: Das müsste ich jetzt mal herausfinden. Ob Emil etwas dafür kann. Ob dafür oder nur für sich selber. Wie soll ich das nur machen. Charles weiß es nicht, Klaus-Dieter weiß nur was über Getränke, und Sie, Emilie, kennen Emil ja nicht. So heißt er. Estelle, was sagen Sie denn dazu, was ist mit Emil?

    Estelle: Ich kenne keinen, der etwas für etwas kann, und auf Kirchtürmen ist nichts, das so heißt. Oder neben Eisschränken. Er ist wohl unbekannt. Er macht mich nachgerade bedrückt-.

    Der Henker (zu Emil): Finden Sie?

    Emil: Was?!

    Der Henker: Ob Sie sich nun unbekannt sind oder nicht. Das kann doch nicht so schwer sein zu wissen.

    Emil: Bin ich.

    Klaus-Dieter: Schwer oder unbekannt?

    Der Henker: Das kann nicht sein, Emil. Sie essen sich ja selber. Jeder sieht es. Und keiner sieht hin, wie Sie sich selber essen. Nicht zu glauben. Wollen Sie mir Konkurrenz machen? Sagen Sie mal.

    Emil: Das meinen Sie nicht Ernst.

    Der Henker: Meine ich doch. Lieben Sie sich selber so, dass Sie sich essen? Wie weit würden Sie denn gehen? Man kann was von Ihnen lernen!, von wem denn sonst?

    Emil: Es ist doch keiner hier. Die tun alle nur so. Ich aber nicht, ich tue nichts.

    Der Henker: Dochdoch, das ist bestimmt Selbstliebe oder Eigenliebe, und Sie tun so. Hier würde doch kein Anderer sich selber -.

    Emil: Sagen Sie’s doch.

    Der Henker: Ich denk ja nicht dran, Emil. Keiner liebt sich selber genug, um sich zu essen. Die sind sich alle selber zu eklig dafür. Meine Güte, man isst Salmiaksorbet aus diesem Glas da, oder oder –

    Charles: Hohlhippen.

    Der Henker: – oder Hohlhippen. Aber Sie -. Jeder sieht’s, aber keiner sieht hin. Ich hab ja keine Ahnung.

    Emil: Ach wo. Niemand merkt’s. Es wär ja für keinen neu, jeder weiß es, und übrigens gibt es niemanden.

    Klaus-Dieter: Dich gibt’s auch bald nicht mehr, wenn du so weitermachst.

    Der Henker: Kann schon sein. Aber für Sie ist das egal, Emil, weil Sie sich ja lieben. Wie kann man das wissen?, es ist zu bedrückend, würde Charles fragen. Obwohl grad der ja nie was fragt.

    Emil: Nein, das ist doch überhaupt nicht so. Das ist doch viel einfacher. Es ist so: Ich bin sowieso nicht da, und dass ich hier etwas sage, das scheint nur so. Keiner ist da. Nicht Sie, und nicht mal der Bach ist da. Oder ist hier einer? Doch, einer isst. Keiner ist da und jemand anders zu sein ist gelogen, und weil das nur gelogen ist und nichts Anderes als gelogen, gibt es keinen, mich auch nicht. (isst)

    Der Henker: Nichts ist gelogen. Deshalb gibt es mich ja, und deshalb tue ich, was ich tue.

    Emil: Ach wo. Dass Sie noch da sind, ist gelogen. Und jetzt lassen Sie mich, ich hab Ihnen alles gesagt.

    Estelle (in den leeren Raum hinein): Und wenn man nicht da wäre?

    Der Henker: Danke für die Erklärung, und jetzt werden Sie gehenkt. Nehmen Sie es mir nicht übel -. Ach so, das werden Sie nicht, denn Sie sind ja nicht da, ich bin auch nicht da, und also wird nichts passieren.
    (er packt Emil ohne Anstrengung)

    Charles (zu Estelle): Sehen wir nicht über die Schulter. Aber es gibt die Ostmauer, nun ja, noch gibt es die Ostmauer fast, und Hohlhippen gibt es ja auch noch, so wird gesagt.

    (Der Henker schleift Emil mühelos ins Halbdunkel, schlägt mit dem Beil zu. Er wendet sich ab und setzt sich unauffällig hin. Der Chor intoniert Bachs „Mit Fried und Freud ich fahr dahin“)

    Estelle: Was gesagt wird, ist nicht wie an den Sonntagnachmittagen, denn es ist so, als wenn es da wäre. Und die Anderen?

    Charles: Die Anderen sind auch nicht gelogen. Gelogen, das ist ein Wort wie gehenkt, aber nicht wegen der Grammatik, und es verschwindet nicht, so bald es jemand gesagt hat. Gehen Sie nicht weg. Ist da etwas geschehen?

    Estelle: Was? Ich kenne auch keine Ostmauern. Ich kenne nur eine.

    Charles Fragen lässt er sich nicht.

    Klaus-Dieter (betrunken): Nehmt ihr euch eink’lich so richtig ernst?

    2. Akt.

    (Selbes Bühnenbild, selbe Personen. Bachs Chorsatz klingt aus. Der Scheinwerfer sucht, ob etwas passiert, findet den Tisch von Emilie und Klaus-Dieter)

    Emilie: Bach -.

    Klaus-Dieter: Und ich trink jetzt gar nichts mehr.

    Emilie: Mit Fried und Freud ist er nicht dahingefahren –

    Klaus-Dieter: Der Bach ist vor dem Freud dahingefahren, du Schnalle.

    Emilie: Und was der Henker gesagt hat, nein, das hat gar nicht gestimmt.

    Klaus-Dieter: Es wird nichts passieren, hat er gesagt, stimmt!, es passiert hier nix.

    Emilie: Er hat gesagt, dass ich ihn nicht gekannt habe, und das war gar nicht wahr. Den Emil -.

    Klaus-Dieter: Wieso sitze ich immer mit Emilie irgendwo rum, wo nix passiert.

    Emilie: Emil. Ich hab ihn gekannt. Den Emil -.

    Klaus-Dieter: Es könnte doch mal was passieren.

    Emilie: Er hat so anders ausgesehen -.

    Klaus-Dieter: Aber gar nix passiert.

    Emilie: Ich habe ihn erst erkannt, als er da hinten -.

    Klaus-Dieter: Man sitzt und trinkt was, aus.

    Emilie: Da war es zu spät um zu schreien, Emil, das bist ja du.

    Klaus-Dieter: Die hippen Siebziger, die haben wenigstens noch gerockt, glaub ich.

    Emilie: Ich habe ihn erst da hinten erkannt, als er -.

    Klaus-Dieter: Und die coolen Achtziger haben gesaust, ach ja, gesaust haben die.

    Emilie: Das ist jetzt ganz taub. Ganz taub.

    Klaus-Dieter: Und die smarten Neunziger haben gesmasht. Gesmaaasht.

    Emilie: Und dieses Elend.

    Klaus-Dieter: Aber jetzt? Nix passiert mehr.

    . . .
    . . .
    (à continuer le second acte: le père Ubu et le bourreau font la fête en déchirant tout le monde etc. pendant que Scharl‘ se réveille enfin de son coma d’intellecte pour les empoisonner avec des cocktails et sans plus dire qu’il ne trouve pas son frigo)

    (Bruchstücke):

    (?) Das sind sie halt, die schütteren Stellen im Geiste der Jugend, die allerschüttersten, vor denen Moses, Mao und Marilyn Manson uns immer gewarnt haben.

    Die Langoliers kommen hier nicht vor

    Père Ubu: Schreiße nochmal!, soll ich einen von euch zerreißen?, Sudel, sag ich!, hier wird gesudelt und popotenziert!, ich bin doch wie ein Vater zu euch!

    Der Henker (sterbend): Ich werde Ihnen sagen, wie es jetzt weitergeht. Erst wird der Vorhang fallen. Und dann werden Sie alle gehenkt. Das verstehen Sie doch?, das ist der Sinn vom Ganzen hier. Seien Sie nicht traurig.

    Charles: Ja -. Soviel glaube ich zu wissen: Wenn der Vorhang fällt, sind wir alle nicht mehr da.

    – Vorhang –

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    • O Mann, Ari! Noch a schtickele für uns? Dafür hab ich Dich lieb. Gut, nicht nur dafür.

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    • Das ist einfach groß. Weit mehr als einsfünfundsiebzig mit oder ohne Leerstellen. 🙂

      Vraiment, man weiß nicht, wie einem geschieht. Ein Text wie eine Achterbahn. Und dass Du zu alledem eine literarisch unbekannte Gestalt vorstellst… Chapeau! Mir zumindest ist die Gestalt eines sich selbst aufessenden Kannibalen noch nie begegnet. Nicht bei Rabelais, nicht bei Anouilh, nicht bei Jarry, nirgends. Dir, Aurore? Et attention! Der Kannibale frisst sich nicht selbst auf vor Kummer oder so was. Nein. Er isst sich selbst. Gepflegt. Der Henker meint auch zu wissen, warum: aus Selbstliebe. Auch eine Idee! „Lieben Sie sich selber so, dass Sie sich essen? Wie weit würden Sie denn gehen?“
      Und dazu das mustergültige Ende – so ein Stück muss man auch beenden können: „Wenn der Vorhang fällt, sind wir alle nicht mehr da. – Vorhang –„
      Beeindruckend!
      Das ist alles so süffig: Scotch, Running Spliff und Sex-on-the-beach in einer Tour. Nur nicht Kamillentee. Schwer zu empfehlen, die Mischung.
      Immer wieder, Ari! Immer wieder!

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  9. Ob man, ohne den Strich zu dick nachzuziehen, im geheimnisvollen Emil ein Sinnbild unseres Westens sehen könnte? Verliebt in sein Selbstbild, in die eigenen Werte von dazumal ‒ liberté égalité fraternité –, ohne zu merken, dass seine Werte Karikatur geworden sind: Freiheit ist, wenn Gazaner einen Wahlzettel abgeben dürfen; Gleiheit ist, wenn es keine Geschlechter gibt; Friede ist, wenn man Gotteskriegern alle Wünsche erfüllt.
    Wie sagt er selbst am Besten: „Es ist so: Ich bin sowieso nicht da, und dass ich hier etwas sage, das scheint nur so.“
    Wenn Emil sich selbst essen kann, so heißt das, dass er nichts mehr spürt, dass er schon tot ist, wie Experte Henker richtig erkennt. Deswegen kann er Emil mühelos ins Halbdunkel schleifen und mit dem Beil zuschlagen. Mit Widerstand war nicht zu rechnen. Dass der Chor in diesem Moment Bach intoniert: „Mit Fried und Freud ich fahr dahin“, ist eine wunderbare Gemeinheit, für die der Autor was kann.

    Und Klaus-Dieter: Ah, die Type kennt man! Ordinärer von Schluck zu Schluck, fehlt nur noch, dass er die antisemitische Sau fahren lässt. Den sieht man regelrecht mit seiner abhängigen Olle: bebrillt, leicht onduliert, molluskenhaft. Bäh.

    Ein dolles Stück.

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    • Ein wirklich dolles Stück 😀

      Beibt die Frage, was eine Hohlhippe ist. Jemand wie Klaus-Dieter, vielleicht? Hohl, sowas ähnliches wie ein Hippie, …. und überhaupt klingt Hohlhippe schon Klaus-Dieter-haft.

      ‚Hippe‘, habe ich herausgefunden, ist/war einmal das was hier und heute eine ‚(Hage-)Butte‘ ist (auch auf englisch rose hips), die Frucht der Rose:

      Marmelade draus heißt manchmal ‚Hippenmark‘ – wenn sie in Krapfen kommt, vor allem. Hohl sind sie aber normalerweise nicht – also, die Hagebutten, die Krapfen schon. Sonst kann kein Hippenmark rein. Ist eine Hohlhippe also ein ungefüllter Krapfen? 😉

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  10. Ojwawoj, oh jemineh!, Schockschwerenot usf., Ihr seid ja so gut zu mir und meinem Stück :-), da bin ich ja ganz platt und geplätteter.

    Zumal ich glaubte (es steht ja da!), es sei voll oder zumindest ziemlich sehr in die Hose gegangen. Da muss ich wohl die Fassung von 1987 im Hinterkopf gehabt haben, die 1990 einen üblen vierten Akt verpasst bekam, in dem einer Averell heißt und Klaus-Dieter’n an Quatscherei übertrifft. Baaah, geht ja gar nicht.

    Diese Fassung (noch brav mit der Schreibmaschine geschrieben) habe ich gestern Nacht aus vergessenen Tiefen des Bücherschranks gefischt, um mal so zu sichten, ob und was sich weiter ausschlachten lässt. Tatsächlich stehen da einzelne Zeilen, die nicht misslangen, nu, das lässt hoffen. Aus dem dortigen dritten Akt (allgemeiner Umsturz durch Père Ubu, überfrachtet mit unnötigen zusätzlichen Personen und ausgewalzten Dialogen, sogar Aristoteles tritt auf, pfuuuh) lässt sich doch was herausnehmen und was draus machen.

    Wenn’s eilig wäre, könnt‘ ich in zwei Tagen ein fertiges Stück haben.

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    • … und Hohlhippen, Aurorula :D, ähmdoch, es gibt welche!, freilich passt der Name erstaunlich gut auf etwa den Klaus-Dieter und vielleicht auf Scharl‘, passt auch auf die ätherische Estella, die sicher retro-Chansons singen könnte, wenn man sie ließe.

      Ich hab hier eine Keksdose von etwa 1967 bis 1970, gestreift und aus Blech, auf der „Tekrum Hohlhippen“ steht, und drin waren in der Tat Hohlhippen!, ein Wort, das gefällt. Ich hatte über Jahre versucht, meiner Mutter diese Blechdose zu entsteißen, ohne Erfolg, bis zu einem Umzug vor fünfzehn Jahren, als sie überflüssig wurde.

      Hohlhippen sind aus dünnem hartem nein knupsrigem Blätterteig, mehr Galettes, gerollt und innen also hohl. Man reichte die zu Eis und zu Erdbeeren und so, wie Waffeln. Gibt’s die wirklich nicht mehr?, welch Unglück.

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      • Die gibt es noch, sie heißen nur anders – Waffelröllchen (kaum überraschend). Wenn sie das sind was ich meine verstanden zu haben, sind sie in jeder Gebäckmischung drin, extrem lecker (weil sie fast wie Waffeln schmecken aber nicht ganz so trocken sind), und immer als erstes leer. Ob es sie noch einzeln gibt; das weiß ich nicht.

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        • Jaaa, justement das sind sie. Nur als Hohlhippen waren sie etwa doppelt so groß.

          Wer weiß, Hohlhippen als das allererste Opfer der politischen Daueropferagitatoren vor dem Negerkuss?, irgend ein Hippie scheint sich einst verletzt gefühlt zu haben.

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    • „Wenn’s eilig wäre, könnt’ ich in zwei Tagen ein fertiges Stück haben.“

      Es ist eilig. Bitte! Wenn’s in zwei Tagen nicht zu schaffen ist, dann vielleicht in drei? Aber bitte, Ari, mach’s möglich, ja?
      (Vielleicht fällt noch ein Getränk ab.)

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      • 🙂
        Sol sajn, ma chère, ich sage am Mittwoch Bescheid, wie es dem zweiten Akt geht.
        Dem Buurmanne (DER Theatermensch par excellence) hab ich gestern geschrieben, was er von den fertigen zwei Dritteln halte, denn wenn nicht er, wer sonst?

        Als ich ihn zuletzt sah, tranken wir Cappuccino. Leider nichts für das Stück; zu gut

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  11. P.P.S.
    …und wieder bin ich geplättet, nochmal!, nämlich *uiii* von Deiner immensen Einfügarbeit, liebe Aurorula, denn Du hast ja im endlosesten Abschnitt des endlosen Theaterstücks alle Namen kursiv gemacht!, das hatte ich nicht mehr getan, ich war zu faul.

    Keine Ahnung, wie diese Namen bezeichnet werden. Man nennt die sicher irgendwie; alles wird ja irgendwie genannt, und es gibt sogar Namen für Dinge, die kaum oder noch weniger existieren. Adactoren? Akklamatoren?

    Uh, was’ne Fisselarbeit war denn das!, dankedanke.

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    • Merci Dir, aber per Copy/Paste ging das reeelaativv schnell. 😉
      Auf alle Fälle um Größenordnungen schneller als das alles zu schreiben.

      Wie sie heißen weiß ich leider auch nicht.

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      • Sind es nicht einfach dramatis personae?
        Und merci auch von mir für Deine Arbeit. Sieht befriedigender aus.

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        • Weiß nicht, klingt aber plausibel. Dramatis personae ist mir vorne in Stücken über den Weg gelaufen, bei der Vorstellung der Rollen.

          Á là:
          Dramatis Personae:

          DER KELLNER

          DER HENKER

          Gäste des Bistros
          EMIL: ein Kannibale
          KLAUS-DIETER: ein klassischer Hohlhippe
          EMILIE: Kamillenteetrinkerin und Klaus-Dieters Frau
          ESTELLE: Sternenstaunerin und im Wechsel auch eine Hohlhippe
          CHARLES: auch ein Hohlhippe, anteilig mit Partizip
          …[na, undsoweiter]…

          P.S: Gute Nacht, allerseits! 😀 *zzz*

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        • LOLst!

          Die Sternenstaunerin, sehr schön (immerhin noch Lomonossow staunte Nordlichter an und fiel in Trance, aber er schrieb dann nichtement über Nebel und Ostmauern von Bahnhofstürmen. Spricht für die Aurorae 🙂 ).

          Und Emilie ist wohl Klaus Dieters Quasinebenfrau mit Option auf Bahnhofsgängereien.

          Gutt N8cht Euch

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  12. Kreisen und kreisen die Gedanken um diesen einmaligen Kannibalen ohne literarische Vorbilder, so weit ich weiß. Noch einmal: Der Mann frisst sich nicht auf im übertragenen Sinn, vor Kummer, Sorgen oder dergleichen. Nein, er isst sich im eigentlichen, materiellen Sinn. Sitzt da und isst still.

    Interessant, wie die Gespenster mit den Zeiten wechseln. In Molières „Don Juan“ nimmt am Bankett ein Mann aus Stein teil, dessen Gegenwart die Gäste schaudern macht. Der Mann ist tot, er ist der Vater eines Mädchens, das Don Juan nach Gebrauch weggeworfen hat. Er wird so lange sitzen bleiben, bis sich der Boden unter dem Täter geöffnet hat. Der Steinmann verkörpert das ungeschriebene Recht.
    Was verkörpert dieser Emil? Nichts, jedenfalls keinen Wert. Auch den Bargästen ist er ein Rätsel, allerdings keins, das sie lösen wollen. Wofür interessieren die sich schon, diese Hohlhippen? Nur der Henker zeigt Neugier:
    „Das müsste ich jetzt mal herausfinden. …Wie soll ich das nur machen. Charles weiß es nicht, Klaus-Dieter weiß nur was über Getränke, und Sie, Emilie, kennen Emil ja nicht. So heißt er. Estelle, was sagen Sie denn dazu, was ist mit Emil?“

    Und jetzt kommt die Frage: Heißt der Eine zufällig Emil und die Andere Emilie? Zufälle gibt es in der Literatur nicht. Also anders: Warum passen die Namen so gut zueinander? Was hat der selbstverliebte Selbstesser mit Klaus-Dieters Quasinebenfrau zu schaffen?
    Die kannten sich, erfährt man im zweiten Akt. Sagt Emilie zu ihrem Quasibeachboy, der beharrlich das Thema wechselt:
    „Ich hab ihn gekannt. Den Emil -“
    Woher? Sie war nicht immer die einsame Schnalle, die sich altershalber einen Hohlhippie hält. Man ahnt Vergangenheiten.

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    • Emil isst, obwohl man in einer Bar nicht isst, und wegen dieses schlechten Benehmens hat ihn das Beil ereilt 😀

      Der zweite Akt ist in vollem Gang, vieleicht schaffe ich es bis Mittwoch.

      *zieht an der Tobackspfeife*

      Wegen Emil und Emilie: Ich habe mal ein Stück von Paul Claudel gelesen, in den zwei einander erkennen, und er sagt etwa: Mais c’est moi, tu vois?, mais c’est moi.
      Das war einer der anrührendsten Momente, die ich kenne, und weil ich selber das wohl das nicht kann oder mich davor scheue, geschah dieser Moment in meinem Stück nicht, nur als Emilies Erinnerung, als Andeutung.
      Du hast es bemerkt.

      Ich muss mal weitermachen 🙂 , es geht jetzt darum, wie sich der Henker zu Vater Übüh stellt

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      • P.S.
        Scheint fertig zu sein (Mittwoch?, wieso Mittwoch?), es ging schnell (nur drei Stunden).
        Dank für ein paar Ideen von Euch beiden; die stecken nun wohl drin, die hat der zweite Akt sich einverleibt 😀

        So ist das Schreiben, plötzlich geht’s wie geölt.

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        • Das ist eine sehr gute Nachricht. Ich freue mich schon, wie Freud sagen würde.

          Bei Durchsicht unserer dramatis personae vorhin ist mir aufgefallen, dass Klaus-Dieter und der Henker als Einzige natürlich wirken, ohne Pose daherkommen. Emil lasse ich jetzt beiseite, er ist kein Mensch im üblichen Sinn, vielleicht war er das irgendwann, als Emilie noch jung war – wer weiß?
          Estelle chargiert die Rolle der Ätherischen, Emilie trägt zu dick auf als Müttchen, das von nichts eine Ahnung hat („Und Scotch, Klaus-Dieter? Bitte sag mir, ob man ihn trinkt“) ‒ ich wette, dass sie nicht immer Kamillentee getrunken hat ‒, Charles übertreibt als Salonlöwe und der Ober – posiert als Ober, dafür wird er ja bezahlt.
          Als hätten diese Vier begründete Sorge, sich so zu zeigen, wie sie sind.
          Dass Klaus-Dieter natürlich ist, macht ihn übrigens nicht besser als die Anderen. Vielleicht ist er nur unkritischer. Natürlichkeit muss keine Qualität sein. Kommt auf die Natur an, nicht? Ihm könnte eine Rolle nur gut tun.

          Das Alles bien sûr vorbehaltlich der weiteren Handlung zwischengesagt. Es ist klar, dass die nächsten Sätze schon diesen Eindruck zerstören können. Wir werden ja sehen.

          Danke für die Mitteilung.
          Lajla tow allerseits.

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        • … stimmt alles genau, danke, das hatte ich gar nicht so gesehen – jetzt, wo Du’s feststellst, ist es mir merkwürdigerweise klar.

          (Ich fand Charles am Natürlichsten. Keine Ahnung, wieso. Wohl, weil er sich so müht? Frag nie einen Autor nach der Beurteilung dessen, was er geschrieben hat, er sagt dann nur merkwürdiges Zeug 🙂 )

          A gutte Nacht

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  13. [ wollt Ihr den zweiten Akt sehen?, er ist ja fertig, so hörte ich ]

    [ fürwahr eine fiese Frage, denn ein Nein würd keiner je hinschreiben 🙂 , wohl nichtmal ein gewisser Art Vandelay (wenn sich jemand noch an den erinnert?) oder gar die Julia Franke aus Domplatthausen 😀 ]

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    • Sag: Was soll ich tun, damit Du den zweiten Akt postest? Soll ich den Scotch-Bestand der Bar auf ex trinken? (Wie heißt übrigens die Bar?) Soll ich auf Aurorulas Keksplatte barfuß laufen, ohne einen einzigen Erdnussbutter-Keks oder Erdnuss-Butterkeks anzustoßen? Soll ich mich selbst essen? Soll ichs zumindest versuchen?

      Dawar acher – anderes Thema (fast)

      Maariv (02.12.2014):
      In einem Pariser Vorort hat eine 57jährige Frau Selbstmord durch Einschluss in einem Gefrierschrank begangen. Der Grund, den sie in einem Abschiedsbrief angibt: Bedidut harssanit – tödliche Einsamkeit.
      http://www.nrg.co.il/online/1/ART2/652/718.html?hp=1&cat=666&loc=4

      (Kann die Original-Meldung aus Frankreich nicht finden.)

      Passt die Frau nicht zum Stück-Personal? Gehört sie nicht zu der Welt, die RC in „Bach oder Was trinken wir heute?“ beschreibt? Ich hoffe, nicht geschmacklos zu sein. Mich dauert die Frau. 57 Jahre: Ist es nicht in etwa Emilies Alter?

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      • PS. Wer ist Vandelay?

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        • Art Vandelay, liebe Schum, ist einer, den man keinem zumuten will, wirklich keinem. So Mischung aus Diplomingenieur, RoterBMWraser, Mitglied der NPD und Oberlehrer.
          Er tauchte einst im Blog des buurschen Mannes auf und schickte sich an, zu bleiben, was zu Kommentarsträngen von 400 hier und 400 da führte. Ach ach. (Man ahnt gewisse Zusammenhänge, warum z.B. ein gewisses Theaterstück erst über siebzehn und dann über sieben Jahre unbearbeitet blieb 😳 )

          P.S.
          Im Gefrierschrank. Dann ist sie erstickt. Wie kann man sowas…

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        • Jetzt hab ich bei mir selbst auf „Gefällt mir“ geklickt. So viel Zerstreutheit sah man selten

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        • Aber Du willst den zweiten Akt?

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        • Bist Du Dir über die Tragweite im Klaren? 🙂

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        • Weil dann das wohlige Rätseln vorüber sein wird, wie’s wohl weitergeht.
          Bei mir war dieses Rätseln nicht wohlig.
          Also reiner Egoismus, es fertiggeschrieben zu haben.

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        • … muss aber zuerstement die Täägs einfügen, damit kursiv sei, was kursiv gehört.
          Also den zweiten Akt gibt’s dann hier am nächsten oder übernächsten Donnerstag. Ja?

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        • … das Drama in toto hat 23 A4-Seiten in kleiner Schrift mit wenig Zeilenabstand, Aufführungsdauer höchstens 90 Minuten.

          Euch fehlen noch die erste Seite mit Titel, Dramatis Personae 🙂 und der ersten Bühnenanweisung.
          Die gehen so:


          Bach
          oder
          Was trinken wir heute?

          Ein Dramolett in zwei Akten

          von Robert Cohn

          Für Lukas

          Dramatis Personae (nach der Reihenfolge ihres Erscheinens):

          Klaus-Dieter, das Ekel
          Emilie, die arm dran ist
          Der Ober, dem’s auch nichts nützt
          Estelle, die’s auch nicht weiß
          Charles, der desillusionierte Gentleman
          Der Henker, als er selbst
          Emil, der Kannibale, dem’s zu komisch schmeckt
          Vater Übüh, der Popolitiker und Scheinrealist

          Choristen und Instrumentalisten, verhärmt aber tüchtig


          1. Akt.

          (Eine Bar, hinten Asketen, die Bachs Chorsatz „Herr, gehe nicht ins Gericht“ singen. Seitlich ein Bartresen in Knallrot und Gäste mit mehr Schein als Sein. Manchmal beleuchten die Scheinwerfer den Protz, der so herumsteht. Manche Gäste tanzen langsamen Walzer zu Bachs Chor. Der Suchscheinwerfer findet einen Tisch mit Emilie und Klaus-Dieter. Emilie (eine ältere Dame, die da nicht so hinpasst) springt plötzlich auf und stöhnt andachtsvoll:)

          Emilie. Bach!

          Klaus-Dieter. Was trinken wir heute?

          Emilie. Aber Klaus-Dieter, ich rede vom großen Bach, und du fragst, was wir heute trinken-.

          . . .
          . . .

          🙂

          Ja, und wie heißt die Bar?
          Barbarbar. Unnahbar. Le Grand Ritz. Die Kleine Gemeinheit. Zum Güldenen Wisent.
          Oder so.

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        • Schade, dass ich Dir die Kursivierung nicht abnehmen kann. In meinem RC-Ordner steht alles schön, wie es soll, aber auf Aurores Blog kann ich nichts machen.

          Pass auf, Ari! Wenn Du diesen zweiten Akt – egal wie viele wohlige Rätsel er zerstören mag – nicht so bald wie möglich veröffentlichst, dann bin ich zu Allem imstande. Kannst ruhig rätseln. Ich sage: zu Allem.

          Im Ernst, Ari: Sei gut zu uns! Bitte! Ich bin furchbar gespannt.

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        • … las grad, „dann bin ich zu Allah imstande“. Also das, ähm!, das nu bidde wirklich und wahrhaftig nicht. Neiiiin!

          Werde mich mit dem Kursivifizieren denkbar beilen, nein beeeilen

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        • Merci für diesen Teil, cher Ari. Bist doch der Beste. Werde ganz zum Schluss alle Teile zusammenfügen. Falls es eine Lücke geben sollte, frag‘ ich Dich einfach.

          In Berlin gibt es eine Bar jeder Vernunft.

          Ziehe mich jetzt mit meinem schtikele zurück.

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  14. Der zweite Aktaktaktakt 🙂

    _
    _

    . . .

    2. Akt.

    (Selbes Bühnenbild, selbe Personen. Bachs Chorsatz klingt aus. Der Scheinwerfer sucht, ob etwas passiert, findet den Tisch von Emilie und Klaus-Dieter.)

    Emilie. Bach -.

    Klaus-Dieter. Und ich trink jetzt gar nichts mehr.

    Emilie. Mit Fried und Freud ist er nicht dahingefahren –

    Klaus-Dieter. Der Bach ist vor dem Freud dahingefahren, du Schnalle.

    Emilie. Und was der Henker gesagt hat, nein, das hat gar nicht gestimmt.

    Klaus-Dieter. Es wird nichts passieren, hat er gesagt, stimmt!, es passiert hier nix.

    Emilie. Er hat gesagt, dass ich ihn nicht gekannt habe, und das war gar nicht wahr. Den Emil -.

    Klaus-Dieter. Wieso sitze ich immer mit Emilie irgendwo rum, wo nix passiert.

    Emilie. Emil. Ich hab ihn gekannt. Den Emil -.

    Klaus-Dieter. Es könnte doch mal was passieren.

    Emilie. Er hat so anders ausgesehen -.

    Klaus-Dieter. Aber gar nix passiert.

    Emilie. Ich habe ihn erst erkannt, als er da hinten -.

    Klaus-Dieter. Man sitzt und trinkt was, aus.

    Emilie. Da war es zu spät um zu schreien, Emil, das bist ja du.

    Klaus-Dieter. Die hippen Siebziger, die haben wenigstens noch gerockt, glaub ich.

    Emilie. Ich habe ihn erst da hinten erkannt, als er -.

    Klaus-Dieter. Und die coolen Achtziger haben gesaust, ach ja, gesaust haben die.

    Emilie. Das ist jetzt ganz taub. Ganz taub.

    Klaus-Dieter. Und die smarten Neunziger haben gesmasht. Gesmaaasht.

    Emilie. Und dieses Elend.

    Klaus-Dieter. Aber jetzt? Nix passiert mehr.

    (Gepolter, Bewegung, volle Scheinwerfer, Vater Übüh und sein Gefolge stürzen herein. Licht, großer Lärm, Geschrei „Aal-hu!!, Aal-hu!!“)

    Klaus-Dieter. Was soll denn DAS sein?, ist doch auch wieder nur ’ne Party, oder?

    Vater Übüh (wirft sich in Positur). Schreiße nochmal, Ruhe! So wahr ich euer Vater Übüh bin! Unser Kampf um die alleinige Wahrheit ist ein heiliger Kampf, und er ist so geil, und ich hab doch die Wahlen gewonnen! Ich, euer Vater Übüh! Schreiße nochmal, Ruhe!!, jeder kommt hier zu Wort, aber jetzt rede ich!
    Ah Taten begangen, Nägel mit Köpfen gemacht, und die Ungläubigen ham’mer genagelt!, die Wahrheit haben wir gelebt ja gar Heiliges!!, oh Tod!, heiliger Tod!!, alles da draußen zerrissen haben wir und immer heilig und alle Ungläubigen geköpft. Das war so geil! Und die Wahlen gewonnen! Jeder lügt, der sagt, dass das nicht geil ist! Und heilig ist das auch noch! Was kann einer meeehr wolllllen?!

    Lasst uns nun zu Allevater beten, um uns zu heiligen!, los, alles hier auf die Knie!, auf die Knieee sag ich!!, Stirn auf den Boden!, Aal-hu!!, Aal-hu!!, jawollja. Aal-hu!!, Aal-hu!!, jawollja. Aal-hu!!, Aal-hu!, Aal-hu!!, Aal-hu!!, Aal-hu!!, Aal-hu!!, jawolljaaaaa

    (Jubel)

    Vater Übüh. Hach Aal-hu!, es ist doch immer wieder heilig und geil. Ich bin doch wie ein Vater zu euch! Der AAL!, Aal-hu!!, Aal-hu!!, und es steht geschrieben, ihr sollet den Aal nie vergessen, denn er fresset sich in den Wassern hinein in die Ungläubigen, auf dass sie verdürben. Geil.
    Dabei wollen WIR die doch köpfen, Schreiße nochmal!, und dann können die Aale sich an denen dickfressen.

    (Jubel)

    Klaus-Dieter. Also das ist ja mal ’ne echte Party. Die Zombies und die Langoliers und so.

    Vater Übüh. Hä? Wer bist du denn da? Ungläubiger mit Lockenkopp? Schreiße. Soll ich dich zerreißen?

    Klaus-Dieter. Ich hab euch doch im Fernsehen gesehen.

    Vater Übüh. Die Wahlen! Und, war ich gut?

    (Jubel)

    Klaus-Dieter. Ah!, das passierte doch mal was! Der Emil, war der Emil nicht einer von euch? Der war mal ein Freund von mir, der Emil. Ein guter Freund, ein Mitkämpfer…

    Emilie (sackt vom Stuhl). – –

    Vater Übüh (springt heran). Schreiße nochmal!, der Emil war mal einer von uns!, ein Heiliger!, aber er hat uns verraten und ging weg!!, der wurde zum Ungläubigen!, und die da ist eine Ungläubige! Heilig haltet das Zerreißen!! Die mach ich fertig.
    (Vater Übüh zerreißt Emilie. Klaus-Dieter zuckt weg.)

    Charles (leise zu sich). Nietzsche würde sagen, desavouieren, oder jemandem einen tort antun. Es gibt keinen Nietzsche mehr. Nietzsche hat die Zerreißer zerrissen. Was wird aus den Dingen, die sich selbst desavouieren?

    Estelle. – – Ich will den Rauch. Hier nicht, hier ist kein Rauch so entsetzlich wie am Sonntag, hier niiicht!!, und ich habe den Rauch nie gesehen, als er mich ansah. Das will ich nicht.
    (zieht eine Metallflasche aus der Tasche)

    Charles. Heute ist jedoch Donnerstag, sehen Sie, Madame. Nein, sehen Sie nicht hin. Das, Estelle?, bitte!, wenn Sie nicht da wären –

    Estelle. Niemand ist da.
    (entstöpselt die Flasche)

    Charles. Estelle? (schnüffelt an der Flaschenöffnung, fährt zurück), das ist Gift, Estelle.

    Estelle. Der Rauch war am Himmel und nicht, ich kenne nur diese Sonntage, aber nicht hier!, nicht hier.

    Charles (entwindet ihr die Flasche, stöpselt sie zu, steckt sie ein. Leise zu sich).
    Was IST das alles?! Und was bin ich-?

    Der Henker (kommt heran). Ich henke, also bin ich. Und ich henke auf eigene Rechnung, so bin ich, ja wie entsetzlich. Ich hab keine Grammatik des Henkens, Charles, verstehen Sie?

    Charles. Das verstehe ich nicht, weil ich von dieser Grammatik nur verstehe, dass sie wie Gift und unbekannt ist. Und selbst das verstehe ich nicht.

    Der Henker. Der da (deutet heimlich auf Vater Übüh) macht Kitsch, er ist ein Kitschkopf durch und durch, so einen KITSCHKOPF hat man ja noch nie gesehen. Aber er ist meine Grammatik des Henkens. Nein, des Gehenkthabens. Meine einzige. Verstehen Sie?

    Charles. Nein, Herr Scharfrichter – ich verstehe nur das Partizip, in diesem Fall den Genitiv. Nein, den Imperfekt. Obwohl Sie das Partizip perfekt beherrschen.

    Ober (schleicht heran). Noch jemand einen exklusiven Cocktail, die Herrschaften? Wir haben einen ganz exklusiven Green Zombie, natürlich Bloody Mary frisch gepresst oder einen herrlichen Sex-on-the-beach, alles mit Hohlhippen, sie heißen jetzt Waffelröllchen!, wir haben ganz exklusive aus Cordoba bekommen, extra für Sie eingeflogen aus Cordoba, die Herrschaften.

    Vater Übüh. Al-, Al-, Aaaalkohol?! Schreiße! Kommt ja nicht in Frage! Verboten!! Aal-hu!! Aal-hu!!, jawollja. Machen Sie das Zeug gefälligst aus Tee, aus Zimttee oder was, aber dalli! Sieben Sex-on-the-beach aus Zimttee und Pfeffer für mich, sofort!, und drei Kartons mit diesen Waffenröllchen!

    Ober. S-sehr wohl, der Herr. Jetzt immer ohne Alkohol, der Herr. Wir hatten noch nie Alkohol.

    Charles (leise). Ober, könnten Sie einen Hilfskellner gebrauchen? Sofern Ihnen das bekannt ist. Ich könnte jetzt Hilfskellner sein, denn Sie haben zu viel zu tun.

    Ober. Aber mein Herr -?

    Charles. Bitte. – Ich bezahle dafür

    (beide ab)

    Vater Übüh. Ich habe Durst!, Durst ist heilig wie das Köpfen!, und Zerreißen und so viel Suuudel und Popolitik machen verdammt durstig. Ihr habt alle verdammten Durst nach der Heiligkeit!, diesen verdammten Durst!, Aal-hu!!, Al-hu!, jawollja. Ich bin doch wie ein Vater für euch!, trinkt auf meine Rechnung, ich hab doch die Wahlen gewonnen und bin hübsch im Fernsehen, einer hat es gesagt!

    Klaus-Dieter. Ich hab das gesagt, Vater Übüh. Ihre Party ist schon heilig, das muss man doch mal sagen dürfen. Sagen Sie, haben Sie auch was mit den Juden vor?, ich hab das gesehen im Fernsehen, aber über Juden haben die nicht so richtig was gesagt im Fernsehen. Hm?

    Vater Übüh. Ja wer bist denn du Schreiße?!

    Klaus-Dieter. Ich bin der Klaus-Dieter, und Sie haben die Wahlen gewonnen, Vater Übüh!, ähem, Aal-hu!!, Aal-hu!! Haben Sie noch einen Posten frei? Ich kann Programme schreiben oder ’nen Computer reparieren für Sie, mit Heiligkeit und so, und Sie machen was gegen die Juden?, also das find ich knorke. Muss doch mal gesagt werden hier.

    Vater Übüh. Juden?! Ah duuu bist goldrichtig, Knause. Klaus-Dieter. Komm mal mit, komm zu uns!, ich zeig dir die Heiligkeit und wie schreißgeil das ist, mit mir die Wahlen zu gewinnen und so. Und gegen die verdammten Juden geht immer was. Wo bleibt denn der Sex-on-the-beach so lang!!

    (Der Ober und Charles mischen hinten hektisch Cocktails)

    Der Henker. Herr Übüh-. Vater Übüh.

    Vater Übüh. Dich kenn ich doch?, ’ne unbekannte Größe. Was ist mit dir, du Henker? – Einsam?

    Der Henker. Ja.

    Charles (schleppt mit dem Ober Cocktails heran). Er hat keine Grammatik des Gehenktwerdens, der Herr. Pardon.

    Vater Übüh. Dann zeig mir mal was du kannst, Henker.

    Der Henker (packt vorsichtig Emilie). Verzeihen Sie, Frau Emilie, ich muss das Entsetzliche tun, sonst bin ich nicht wirklich, und das geht nicht mehr.

    Emilie. – Damals!!, ich habe Emil geliiiebt damals, und was ist aus ihm geworden? Was ist aus mir geworden?

    Der Henker. Es tut mir Leid. Denken Sie nicht mehr dran. (schlägt zu)

    Vater Übüh. Aal-hu!!, Aal-hu!!, bravo bravo, du Henker, mein Henker!!, los, alles hier auf die Knie!, auf die Knieee sag ich!!, Stirn auf den Boden!, Aal-hu!!, Aal-hu!!, jawollja. Aal-hu!!, Aal-hu!!, jawollja. Aal-hu!!, Aal-hu!, Aal-hu!!, Aal-hu!!, Aal-hu!!, Aal-hu!!, jawolljaaaaa

    (Jubel)

    Vater Übüh. Heilig haltet den Tod und die Wahrheit, wie es geschrieben stehet. Heilig!! Oh Tod!
    (stürzt Cocktails hinunter. Sein Gefolge stürzt auch Cocktails hinunter.)
    Einen kühlen Schluck jetzt! Los ihr Ober da hinten, Cognac ooohne Al-, Al-, Alkohol!, ’nen kühlen Schluck für alle auf meine Rechnung!, aber sofort!

    Charles (von hinten, Cognac eingießend). Hierbei finde ich es am Entsetzlichsten, dass der Wunsch nach einem kühlen Schluck dann übergeht in eine Bestellung von Cognac.

    Vater Übüh (packt Estelle und zerreißt sie). Die war keine von uns! Die war eine Ungläubige! Das seh ich doch sofort. Wie wir es da draußen machen, so machen wir es überall! Aal-hu!!, Aal-hu!! Die ist jetzt für die Aale in den Wassern, auf dass sie sich schlängeln und sich mästen, wie es geschrieben stehet. Geil.
    (stürzt Cognac hinunter. Alle stürzen Cognac hinunter. Charles hinten bedeckt sich das Gesicht.)

    Vater Übüh. Wir haben nun gesudelt und Popolitik gemacht, jeder darf mal!, und ich hab doch die Wahlen gewonnen! Und ihr tragt mich auf Händen! Vater Übüh frisst seine Kinder nicht. Ich bin doch wie ein Vater zu euch. Ich ernenne euch alle zu meinen Chef-Händenträgern, was sag ich, zu meinen Chef-Ober-Masseusinnen!, Aber wenn ihr mich kitzelt, zerreiße ich euch.
    (greift sich an die Brust)

    Klaus-Dieter (nickt). Die Ungläubigen, und die Juden.

    Der Henker. Warum ziehen Sie sich nicht dieses ondulierte gebügelte schäbige Kostüm aus? Sie Mitläufer.

    Klaus-Dieter. Ich soll mich ausziehen? Gefall ich Ihnen?

    Charles (Cognac servierend, leise zu sich). Entsetzlich.
    (zu Klaus-Dieter.) Nennen Sie es Eigenschaften, Klaus-Dieter. Ich selbst habe keine Eigenschaften, also weiß ich leider, was Eigenschaften sind. Sie selber haben Eigenschaften, Sie können also nicht wissen, was Eigenschaften sind. So wie ich nicht wissen kann, welche Eigenschaften der Bahnhof oder der Kirchturm oder der Henker haben. Sie verstehen?

    Klaus-Dieter. Ab und zu muss halt einer dran glauben.

    Der Henker. Ich habe meine Aufgabe. Ich wollte immer meinen Sinn!, das ist er, und so wird es jetzt weitergehen. Das ist Glauben, das muss er sein. – Schließlich rinnt Cognac unten einfach raus, wenn so ein Kopf abgeschlagen ist. Sie können reinschütten was Sie wollen, der Blumentopf ist unten ab. Aber Sie sind ein verdammter Mitläufer, Sie Konvertit.

    Klaus-Dieter. Was verdient man da so, wenn man in Blumentöpfen macht?

    Charles (leise zu sich). Dieser läuft vor seinem Cognac davon, obwohl er ihn trinkt.

    (Vater Übus Gefolge greift sich an die Brust, trinkt, greift sich an die Brust.)

    Ober (dezent). Pardon, meine Herrschaften. Wünschen Sie noch etwas musikalische Untermalung? Es wäre eine Ehre für unsere Kapelle und natürlich für die Direktion, Sie mit einem Chor von Bach unterhalten zu dürfen.

    Der Henker. Können die den Choral „Hasse oh hasse mich recht, feindlich’s Geschlecht?“
    (greift sich schmerzverzerrt an die Brust, fällt um, steht auf, greift sich Klaus-Dieter.)
    Vater Übüh, das tue ich für Sie.

    Klaus-Dieter. Nein, ich will hier sitzen und zusehen! Bleiben Sie doch cool!

    Der Henker. Tja Klaus-Dieterli, cool wie Sie war ich noch nie.
    (schlägt zu. Fällt wieder um, windet sich. Vater Übüh und sein Gefolge fallen um, winden sich, röcheln.)

    Ober. Aber Sie sind doch Vater, Herr Übüh!

    Vater Übüh. Aber zu dir bin ich doch auch wie ein Vater, und ich hab die Wahlen gewonnen!, und denk doch an all das Heilige!! Aal-hu!! Aal-hu!!

    (Vater Übüh und Gefolge winden sich und sterben. Der Ober rennt weg. Charles beugt sich über den Henker.)

    Der Henker (sterbend). Ich werde Ihnen sagen, wie es jetzt weitergeht. Erst wird der Vorhang fallen. Und dann werden Sie alle gehenkt. Das verstehen Sie doch?, das ist der Sinn vom Ganzen hier. Seien Sie nicht traurig.

    Charles. Ja -. Soviel glaube ich zu wissen: Wenn der Vorhang fällt, sind wir alle nicht mehr da.

    – Vorhang –

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      • G’föllts Dir denn?

        Oder geht das alles zu plötzlich und zu zackzack, und mit einem Mal sind alle tot (außer Charles)?

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        • Aber ja! 😀
          Morgen mache ich ein eigenes Thema draus (ich suche noch ein Bild oder zwei dazu).

          Gute Nacht 🙂 und nochmal danke fürs vorab-Text-teilen!

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        • Ähemm!, merdre (wie le père Ubu beim Alfred Jarry sagt), grad gesehen!, die arme Emilie ist zweimal umgebracht worden. Ach ach.

          Das wird also noch anders gemacht werden müssen

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        • P.S.
          Und als Nebenthema hier bei Deinen Ernusskeksbutterkeksen paast das doch recht gut hin?, auch wegen der Hohlhippen. Nein Waffelröllchen wie man jetzt sagt. Waffenröllchen, wie der Vater Übüh sagt.

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        • Geändert werden noch zwei Dinge:

          1) müssen im ersten Akt die Wahlen und das Morden da draußen erwähnt werden, vielleicht dazu, dass Vater Übüh erwartet werde, nicht?, sonst passiert der Auftritt im zweiten Akt zu plötzlich und man fragt sich, was soll das jetzt, wo kommt der her.

          2) wird der Henker dem Vater Übüh in den Arm fallen, als er Emilie zerreißen will, er wird ihm sagen, dass sie noch gebraucht wird, oder dass nur er hier dafür zuständig sei o.Ä., damit er sie später selber köpft – es ist um so fieser so. Weil er damit noch besser beweist, dass er sich in die Gewalt von Vater Übüh begeben hat.

          Habt Ihr Beobachtungen, Vorschläge, Kritik?
          Vielleicht ist ja noch einer dreimal umgebracht worden und ich hab’s nicht bemerkt?

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  15. Zunächst Technisches: Nach dem ersten Dialog zwischen Klaus-Dieter und Emilie klafft eine kleine Lücke:

    Klaus-Dieter. Feeeeett -.

    Ober. Erlauben –

    (Estelle, Charles und der Kannibale (Statist, der) am Tisch in der Bar)

    Charles. Verzeihung, darf ich Sie einladen?

    Schaust Du bitte nach, wofür die drei Punkte stehen? Sonst ist alles beisammen bis auf den erwarteten zweiten Akt.

    Die Eröffnung mit Bachs Chorsatz „Herr, gehe nicht ins Gericht“ ist ebenso gekonnt wie der Schluss: „Wenn der Vorhang fällt, sind wir alle nicht mehr da. – Vorhang –“ (Hoffe sehr, er bleibt so stehen.)
    Man kann ihn sowohl als ironischen Kommentar der Art „Ich hatte viel Bekümmernis“ (vor Emils Auftritt) und „Mit Fried und Freud ich fahr dahin“ (bei Emils Hinrichtung) auffassen, wie auch als ernstgemeintes Motto über dem ganzen Stück. Warum nicht?
    Letzten Endes sind die Barbesucher nicht nur auf die Milde der Zuschauer angewiesen, sondern wie die Zeitgenossen, die sie auf der Bühne verkörpern, auf die Milde des Höchsten, nicht?
    Dieser Beginn mit „Herr, gehe nicht ins Gericht“ hat was vom Beginn des Villon-Gedichts:
    Frères humains qui après nous vivez / N’aillez le cœur contre nous endurci
    – Ihr Menschenbrüder, die ihr nach uns lebt, / Verhärtet euer Herz nicht gegen uns

    Meinte nicht der von Charles bemühte Schopenhauer, dass nur das Mitleid die Welt, wenn nicht schon retten, so doch erträglich machen würde? Allmitleid. Doch, das leuchtet ein, solange man im Abstrakten bleibt. An die realen Einzelheiten darf man dabei nicht denken. Mitleid mit Allahs Kämpfern?

    Lustig, wie die Paare an den verschiedenen Tischen sich die Wörter zuwerfen. Das fällt erst im geordneten Textverlauf auf:

    Im merkwürdigen Dialog zwischen Charles und Estelle ist plötzlich von „klein und dick“ die Rede. Wie ein Haar in der Suppe.

    Charles. Möchten Sie darüber sprechen?
    Estelle. Wozu, es ist doch etwas Anderes – vielleicht klein und dick.

    Jetzt erfährt man, von wem sie den Ausdruck aufgeschnappt hat: von Emilie nebenan:

    Emilie. Herr Ober, war Bach etwa klein und dick?

    Dann greift Emilie Estelles Kirchturm auf:

    Emilie. Nicht so laut, hörst du? Nachher pfeifen die Spatzen deine Frechheiten wieder vom Kirchturm.

    Den Bahnhof leiht sich wiederum Charles vom Nebentisch. War ja Thema zwischen Klaus-Dieter und Emilie:

    Charles (zum Henker): Stellen Sie sich vor, Sie kennen etwas nicht mehr – sagen wir, den Bahnhof.

    Wirklich amusant!

    Immer weniger amusant finde ich inzwischen diesen Klaus-Dieter. Von mir aus kann ihn der Henker ruhig henken. Wie dumm muss Emilie denn scheinen, damit Seine Hohlheit sich gerade noch überlegen vorkommt?

    Kann heute Nacht nicht verhindern, dass sich das Bild der 57jährigen Französin mit Emilies Bild vermischt. Ihre „tödliche Einsamkeit“ – sie wird „solitude mortelle“ geschrieben haben ‒, hat eine Entsprechung in der Kälte des Gefrierschranks gefunden.

    Fragt sich dabei, welche Rolle der Eisschrank in Charles‘ Rede spielt. Auch wenn der Eisschrank mit oder ohne Hohlhippen am Ende als Lockmittel zu einer Bett-Visite dient, ist er vor Allem eins: kalt. Redet Charles von Kälte? Von seiner, von der Anderer?
    Die Tochter der französischen Selbstmörderin hat die Polizei alarmiert, nachdem sich ihre Mutter nicht gemeldet hatte. Gegen diese solitude konnte sie natürlich nichts ausrichten.
    Ob auch Emilie eine Familie hat?

    Lajla tow Dir und Aurorula. Und Dir zusätzlich ein grand merci.

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  16. Was seh ich da? Muss Lesen und Kopieren auf morgen Abend verschieben. Wenn ich jetzt nicht ins Bett gehe, dann nimmer mehr. Merdre!

    Was soll ich sagen? Demain soir ce sera la fête. Merci de tout cœur!

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    • … aber ja, Schum, Gute!, die Barbesucher sind auf die Milde des Höchsten angewiesen, so kann man es sagen, obwohl diese Perspektive nicht vorkommt. Jeder Einzelne ist auf eine Idee oder auf eine Kombination angewiesen, um zu wissen, was er nun tun muss. Jeder agiert darin anders; der Henker sucht sein ~Schicksal und findet es, aber es ist das Schlechteste, das er finden kann; Charles findet seines ganz plötzlich und stürzt sich hinein, weil es das einzig Richtige ist (nur bloß le dégoût, mehr Mitleid!, das hat man nicht erwartet bei ihm!, ich auch nicht); Estelle jedoch zieht diese Giftflasche aus der Tasche, verweigert sich also prompt – und Emilie hat ihr ~Schicksal (immer Quasischicksal, weil ich nicht an sowas glaube, nur an Selbstverantwortung) längst verpasst, tragisch, so wie Emil.
      Und der Ober bedienert jeden, der zahlt, mehr sucht er nicht, also versagt er als Mensch, wie man nur versagen kann. So wie Klaus-Dieter, der nichts sucht als sein eigenes bisschen Bösartigkeit, in der ganz kleinen Version.
      Wer noch-?, le père Übüh. Der hat seinen Traum gefunden und lebt ihn vollst aus.

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      • Aaaber von mir noch dieses de tout cœur 😀 : Da stimmt noch was nicht!, nämlich diese zwei Dinge, ich hatte sie erwähnt. Also besser liegenlassen, das Ganze, bitte – ja?, oder nur als Entwurf lesen, als Skizze auf Probe, denn es soll schon stimmen.

        Vielleicht heut Abend – besser morgen, weil mir sicher noch kleine Stellen auffallen werden. Das ist immer so.

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        • Irgendwie geht mir grade durch den Kopf:
          Pere ÜbÜh hat nicht die Wahlen gewonnen, er hat die Wahlen gewonnen.
          Schon seit einer Viertelstunde rätsle ich, was ich damit wohl meine, mit dieser besonderen Betonung.
          Vielleicht will ich sagen, er fühlt sich nicht gewählt, sondern erwählt. This will duly end in disaster.
          Vielleicht meine ich, daß er nun für den Rest seines Lebens (selbst wenn es länger geworden wäre als bis zum Ende des zweiten Akts) nie wieder zur Wahl antreten muß: gewählt auf Lebenszeit.
          Oder daß er faire Wahlen nie hätte gewinnen können, eine Art ungläubiges Staunen drüber.
          Wie auch immer: er hat die Wahlen gewonnen.

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        • . . .
          . . .

          Asoj, es sieht gut aus, und Donnerstag?, wieso Donnerstag?, das Stück ist JETZT fertig, in dieser Minute, alles wohl so eingebaut, wie es wohl muss.

          Charles erwähnt im ersten Akt diese Morde und </diese Wahlen, der Henker erwähnt das da draußen und der Ober erwähnt zweimal en passant, dass ein Herr Übüh wohl hier erwartet werde, und mir scheint, dass im ersten Akt mit wenigen Zusätzen jetzt deutlich über das geredet wird, was man im zweiten Akt befürchtet.
          * zieht an der Tobackspfeif‘ *
          😀

          Was machen wir mit dem Schtikele, Aurorula, hier jetzt posten? Du wolltest das anders machen

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        • Die Word-Grammatikkorrektur ist eine schlimme, zumal sie sich nicht ausstellen lässt, und sie hat wahrhaftig dieses vorgeschlagen:
          „Verzeihung, darf mir Ihnen einladen?“

          P.S.
          Diese Stelle
          „Klaus-Dieter. Man kann auch einen Gefrierschrank ansehen. Und lieber nicht wissen, was da so drin ist.
          Emilie. Aber warum -.“

          Das ist furchtbar. Wegen der Dame bei Paris, die das aus tödlicher Einsamkeit gemacht hat –

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  17. Womit anfangen? Zuerst mit dem Allerwichtigsten: Es g’föllt, es g’föllt! *gibt eine Menge Vergnügungslaute von sich*

    Man gehe mi-Gnaj le-Schéwach vor, lernt man immer: von Tadel zu Lob, wie das auch die Haggada zu Pessach macht: erinnert zuerst an die elende Herkunft des jüdischen Volkes und feiert zum Schluss die Befreiten aus dem ägyptischen Sklavenhaus.
    Also gut.

    Richtig: Vater Übühs Auftritt muss noch vorbereitet werden, und zwar nicht nur formal. Es reicht nicht, im ersten Akt zu erwähnen, dass Wahlen da draußen stattgefunden haben und dass des Mordens kein Ende ist. Man muss den Jubel der Bargäste verständlich machen. Dazu könnte Jemand einstreuen, dass Vater Übüh die Herzen oder die Geister, oder wie sich das nennt, gewonnen hat. In der jetzigen Lage klingt der Jubel befremdlich. Keine der uns bekannten Personen jubelt dem AAL zu. Außer Klaus-Dieter vielleicht, und auch der bricht nicht in Aal-hu-Rufe aus. Vater Übüh wird in der Bar erwartet, weil er schon beliebt ist. Das muss klar sein.

    Warum ist er beliebt? Hier ist Aurorulas Hinweis sehr nützlich: Man ist ihm dankbar dafür, dass er Wahlen abgehalten hat, dass er sich demokratische Legitimation geholt hat. Dass Tyrannen kein zweites Mal wählen lassen, versteht sich von selbst. Vater Übüh verweist immer wieder auf diese Wahlen. Zu Recht. Man liebt ihn dafür, wie man den Österreicher dafür geliebt hat, dass er das Sudetenland und Österreich ohne Krieg annektiert hatte. Seht ihr: Der Schnauzbart will keinen Krieg. Vater Übüh will keinen Umsturz der geltenden Ordnung. Es geht Alles seinen gewohnten Gang.

    Hierbei muss auch erklärt werden, wieso Estelle trotz aller offiziellen Beschwichtigungen mit einer Giftflasche in der Tasche herumläuft. Dazu kann sie natürlich private Gründe haben, aber auch das muss man dem Leser/Zuschauer mitteilen. Sonst taucht das Fläschchen ebenso plötzlich auf wie jetzt der Père Ubu.

    Ich stelle mir vor, dass Estelle eben diesem Zerreißen durch Vater Übüh entkommen wollte. Sie mag noch so ätherisch tun ‒ vielleicht ist sie das wirklich après tout ‒, aber sie hat gewusst, was ihr blüht, wenn man sie lebendig erwischt. Interessant, dass Vater Übüh sie sogleich als Gegner ausmacht:
    „Die war keine von uns! Die war eine Ungläubige! Das seh ich doch sofort.“
    So spricht er zu keinem der übrigen Anwesenden.

    Insgesamt haben die dramatis personae an Dichte und Glaubwürdigkeit gewonnen:
    Klaus-Dieter ist zum Anfassen echt; der Ober, der noch nie Alkohol serviert habe, ebenfalls. Charles wächst mit der Not: Er arrangiert nicht nur sein eigenes Überleben; er begeht das Attentat, das keinem hierzulande je gelungen ist. Er gebraucht Estelles Flasche zum Wohl Aller. Ich glaube auch nicht, dass der Henker dazu kommen wird, die Bargäste auf eigene Rechnung zu erledigen. Liegt er doch schon im Sterben, bevor der Vorhang fällt.

    Nein, Charles hat sich bis zu dieser Stunde selbst verkannt, wie auch ich ihn verkannt habe. Wie nennt ihn RC eingangs? Einen „desillusionierten Gentleman“. Er selbst behauptet von sich, er habe keine Eigenschaften. Klingt gebildet, ist ja von Musil, so was mag er, der Schahrl’ ‒ französisch ausgesprochen. Aber er irrt. Irt gewaltig.
    Der Mann hat eine Eigenschaft: Mut. Nein, er hat eine Menge Eigenschaften: Findigkeit: Er lässt sich einfallen, als Hilfskellner einzuspringen; Überlebenswillen, auch für Andere: Sag nie, Estelle, dass du gehst den letzten Weg; Tüchtigkeit im Beruf oder bei Geschäften: Der Mann verdient offenbar ganz gut; Großzügigkeit: Er ist der Einzige, von dem wir sehen, dass er dem Ober ein Trinkgeld zusteckt.
    Wisst Ihr was? Es würde mich nicht wundern, wenn der Mann jüdisch wäre.

    Über den Henker muss ich noch nachdenken. Er ist schön kompliziert geworden.

    Und der Père Ubu! Ah, les aminches! Einfach großartig. Die muslimische Ausgabe des Grausigen und Grotesken. Seine Sprache: ein délice. Man möchte sich alles merken, zum Zitieren in Kommentaren.
    „Jeder lügt, der sagt, dass das nicht geil ist! Und heilig ist das auch noch! Was kann einer meeehr wolllllen?!“: der Werbetext des Islamischen Staates.

    Die Scharia als „Grammatik des Henkens“. Auf die schwarze Zwölf!

    Ein ausgesuchtes Vergnügen. Ein Sex-on-the-beach für den verwöhnten Gaumen.
    Danke, wie Nietzsche irgendwann gesagt haben wird.

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    • A dank a grojssn 🙂 , ma chère.

      Ob Charles vielleicht Jude ist, fiel mir gestern Nacht auch ein, so beim Einschlafen. Wir müssten ihn fragen – ich weiß es nicht. Er würd wohl sagen, wissen Sie, manches ist unbekannt, aber dieses ist mir wohl nicht unbekannt, wenigstens nicht an den Samstagen.
      Jüdischer als Peter Scholl-Latour isser jedenfalls schon.

      – Warum Estelle die Giftflasche dabei hat?, manches erfahren wir nicht (ja auch nicht, was Emilie nun zu diesem Klaus-Dieter gezogen hat!), und Estelle ist der Typ Mensch, der sich gern vom Kirchturm stürzen würde, nicht?, aber dafür fehlt ihr der ‚Mut‘ (solche tun das dann mit Gift). Ob ihr da draußen zusätzlich was passiert ist, ich denk drüber nach, jedoch le père Übüh hasst Frauen, die so sind. Er hasst überhaupt ungläubige Frauen, er wollte ziemlich sofort Emilien zerreißen (wegen der Verbindung zu Emil, dem Abtrünnigen), und mir war so, dass er bei Estellen Rot sieht. Nein, Grüüün. Weil geil.

      Ich denk über einen Satz von ihr im ersten Akt nach, in dem sie andeutet, sich von wo runterstürzen zu wollen. Aber sie hat schon oft erwähnt, nicht da sein zu wollen – da passt diese Giftflasche. Die Allerzartesten haben manchmal erstaunlich praktische Ideen.
      (und DEN scheußlichen Satz hätt‘ nu glatt der Henker sagen können)

      – Vater Übüh und seine Beliebtheit. Er kommt ja mit seinem Gefolge in die Bar, der Jubel ist das Gefolge und einzelne Barbesucher, die sich anschließen. Trotzdem fehlt eine Ankündigung zuvor, dass er da draußen die Herzen gewonnen habe usf., wie Du sagst. Reicht, indem der Ober begeistert ankündigt (zweimal tut er’s jetzt), dass Vater Übüh hier erwartet werde?
      Oder wieder was mit ’ner Zeitung, in der was drinstand.

      – Die Wahlen und Vater Übüh. Ja. Dankbarkeit, dass er sie hat abhalten lassen. Kommt rein: Weil sich Führer wie der so wählen lassen.

      P.S.
      Ich hab grad das Ganze in der neuen Fassung (die dann doch recht viele Änderungen hat) für Euch kursivifiziert bis zum Erbrechen 😀 , als Buße, weil ich Emilien doch zweimal umgebracht hatte.

      A gutte N8cht

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      • Eine Runde auf Kosten des Hauses in freudiger Erwartung des Wahlgewinners?

        A gutte N8cht

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          • Auch möglich wäre es, Huibuh (nein, man spricht es üp-ÜÜÜÜH! PERE Übüh! – ‚Tschuljunk, der Herr!) eine Reservierung für einen Tisch an den sich jemand setzen möchte – oder einen kurzen Gastauftritt als noch-nicht-gewähltem – im ersten Akt zu geben?

            Oder der Telefontrick:
            OBER (am Telefon): Sehr wohl der Herr, die übliche Reservierung, fünf Leute für Huibuh?
            STIMME ÜBER DAS TELEFON (nicht ÜbÜhs Stimme, sondern die eines Rumscharwenzlers): Man spricht es jetzt üp-ÜÜÜÜH! PERE Übüh! Und es werden fünfzehn Leute!
            OBER: ‚Tschuljunk, der Herr! Fünfzehn für Übüh, einundzwanziguhr? Sehr wohl, der Herr.

            [Der Scheinwerfer sucht einen anderen Tisch, bleibt dabei kurz, wie unschlüssig, an der Garderobe mit dem Zeitschriftenständer hängen. Dort etwa fünf verschiedene Zeitungen, die alle auf der Titelseite etwas von WAHLEN schreiben. Der nächste Kommentar eines Bargasts beginnt im Dunkeln – der Scheinwerfer noch auf den Schlagzeilen – erst zur Mitte des gesagten wechselt das Licht zum Sprecher.]

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          • Nachklapp: [der war Schmarrn – sorry! 😳 – ich sollte vorher lesen, was schon dasteht.]

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        • … war kein Schmarrn 🙂 , ich hab’s grad noch gesehen.

          Also, Charles hat plötzlich diese Idee, von allein, ohne Anregung. Er setzt plötzlich für sich die Dinge zusammen und weiß, was er zu tun hat. Damit wird er wirklich – zuvor war er unwirklich.
          Das isses – er mühte sich die ganze Zeit, um sich verständlich zu machen, dabei macht ihn der Erfolg dieser Mühe gar nicht aus, sondern nur die Entscheidung macht ihn aus (als Scharl‘), etwas zu tun, nämlich diese Usurpatoren fertigzumachen, durch deren eigene Gier

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          • … und genau deswegen wars Schmarrn, den Aushilfskellnerjob vorher schon entstehen zu lassen. 😉
            Weils Scharls Idee war. Geistesblitz, Eingebung, Inspiration, zur falschen Zeit am falschen Ort im falschen Job, was auch immer, jedenfalls wichtig daß das genau in dem Moment und nicht wannanders ist. Weil eben dieser Moment Scharl ausmacht, wie Du schon schreibst. Damit zu pfuschen macht das Stück zwar nicht kaputt, Scharls Rolle aber schon.

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        • Und Deine Telefonidee von 3:57 ist erste Obersahne 😀

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          • Im Prinzip ists Deine Idee – nur mit einer anderen der Personen: der Name der Person nämlich.
            Sowohl Scharl als auch ÜbÜh ist für ihre Identität die Aussprache des Namens wichtig, dachte ich. Scharl weil er überhaupt Identität sucht (keine Eigenschaften undsoweiter – das war die ursprüngliche Idee aus dem Stück), Huibuh (Schreckgespenst?) / ÜbÜh weil niemand so sein soll wie er (das war sie recycelt nochmal). Und dann fehlte nur noch die Situation, in der die Aussprache von ÜbÜh korrigiert werden konnte…

            P.S: a propos ÜbÜh dachte ich grade eben an genau den bei diesem Bild: https://heplev.wordpress.com/2014/12/04/der-frieden-des-islam/

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        • … das ist der Vater Übüh. Yep. Der wohl einst Alfred Müller-Paderborn hieß, bevor er dann Ali Abu-Bakr Müller- Paderborn hieß, aber das hat ihm noch nicht gereicht.

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        • P.S.
          Ich war fleißig, alles nochmal geändert und durchgegriffen usf. 😀 („flietich!“, so sagt man im Lande Wursten, wo die Orte Spieka und Dorum und Padingbüttel heißen), und was mach’mer jetzt mit dem Theaterschtikele?
          Lesen wollen?

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        • Will auch lesen und auch sehen. 🙂

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  18. Habe vorhin meine Erinnerungen an den ursprünglichen Ubu aufgefrischt. Wusstet Ihr, dass die ersten Vorstellungen von „Ubu roi“ (1888) mit Marionetten besetzt waren?
    Stoße wieder mit Freude auf die „machine à décerveler“, die Enthirnungsmaschine.

    Michel Balmont: « Un théâtre de références »
    http://michel.balmont.free.fr/pedago/uburoi/references.html

    Wisst Ihr, wie mir der Henker vorkommt? Wie einer, der aus politischen oder anderen Gründen – „aus Gründen“ würde Aristobulus knapper sagen – sein Land hat verlassen müssen, aber keinen Fuß in der Fremde kriegt. Er arbeitet ein Bisschen auf eigene Rechnung, versucht Eigenständigkeit zu bewahren, wenn sonst nichts Anderes, aber er schafft es nicht. Läuft ihm auf den Weg eine Art Führer, könnte ein Mafia-Boss sein oder ein erfolgreicher Boxer, egal, und der verspricht Sicherheit im Tausch gegen Unabhängigkeit. Sie ist zwar das Einzige, was dem Emigranten geblieben ist, was ihm noch Selbstachtung gibt – aber wohin hat sie ihn geführt? Obdachlosigkeit, beinahe Hunger. Also hängt er sich an den Führer, gehorcht seinen Befehlen. Eine Entlastung ist es schon.

    Jetzt hat der Bar-Henker eine Grammatik, jetzt henkt er nach Noten.
    Den Luxus, den sich die Gäste bis zum Auftritt des Vaters Übü leisten, so zu tun, als wären sie nicht da, obwohl sie offensichtlich da sind, den kann er sich nicht leisten. Das sagt unser Henker dem Emil klipp und klar:
    „Nichts ist gelogen. Deshalb gibt es mich ja, und deshalb tue ich, was ich tue.“
    Er hat Recht. Nichts ist gelogen. Die Wirklichkeit kann man verfluchen, man kann ihr im Traum oder im Wahn oder im Bar-Gespräch zu entkommen versuchen, aber sie ist da. Massig da. Und in der ungelogenen Wirklichkeit muss der Emigrant sehen, wo er bleibt.

    Oh! Auf dieser Seite ist es weiter gegangen. Lese ich gleich. Nach der Suppe.

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    • Ah schön, Ubu roi. Das hab ich zuletzt 1986 gelesen, weiß NICHTS mehr darüber, aber für mein Theaterschtick schweben mir doch die ganze Zeit diese Stoffbilder für’s Übüh-Gefolge vor, also Figuren auf Stoff gemalt, die hinten hin und her gezogen werden wie Marionetten.
      Das muss eine Viertel Erinnerung an Jarrys Stück sein

      – Der Henker ein Emigrant?, kann sein!, der hat’s nicht leicht, er ist ehrlich, und er ist sehr furchtbar. So wie ein deutscher Spezialist in der Fremde, der sich aus Pflicht in den IS begibt und sich da einschwört, wegen des Glaubens.

      Gutt Supp‘, liebe Schum. 🙂

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  19. Bach
    oder
    Was trinken wir heute?

    Ein Dramolett in zwei Akten

    von Robert Cohn

    Für Lukas, für Jojne, für Nane

    Dramatis Personae (nach der Reihenfolge ihres Erscheinens):

    Klaus-Dieter, das Ekel
    Emilie, die arm dran ist
    Der Ober, dem’s auch nichts nützt
    Estelle, die’s auch nicht weiß
    Charles, der desillusionierte Gentleman
    Der Henker, als er selbst
    Emil, der Kannibale, dem’s zu komisch schmeckt
    Vater Übüh, der Popolitiker und Scheinrealist

    Vater Übühs Gefolge, dauererregt ja dauergierig
    Choristen und Instrumentalisten, verhärmt aber tüchtig

    1. Akt.

    (Eine Bar, hinten Asketen, die Bachs Chorsatz „Herr, gehe nicht ins Gericht“ singen. Seitlich ein Bartresen in Knallrot und Gäste mit mehr Schein als Sein. Manchmal beleuchten die Scheinwerfer den Protz, der so herumsteht. Manche Gäste tanzen langsamen Walzer zu Bachs Chor. Der Suchscheinwerfer findet einen Tisch mit Emilie und Klaus-Dieter. Emilie (eine ältere Dame, die da nicht so hinpasst) springt plötzlich auf und stöhnt andachtsvoll:)

    Emilie. Bach!

    Klaus-Dieter. Was trinken wir heute?

    Emilie. Aber Klaus-Dieter, ich rede vom großen Bach, und du fragst, was wir heute trinken -.

    Klaus-Dieter. Der Bach war nicht groß, der war so richtig klein und dick, Emilie. Und der ist eh nicht da, und also was trinken wir heute?

    Emilie. Sei doch nicht wieder so, Klaus-Dieter.

    Kamillentee… nein, zwei Scotch?

    Klaus-Dieter. Okay, für mich auch zwei Scotch. Hahaha. He, Bedienung!

    Ober. Bitte, mein Herr?

    Klaus-Dieter. Zwei Scotch für die Emilie, das ist die da, und für mich auch zwei. Hahahaa!

    Emilie. Herr Ober, war Bach etwa klein und dick?

    Ober (schüttelt den Kopf). Pardon, Madame.

    Emilie. Aber Sie sind doch der Ober, Sie müssen das doch wissen -.

    Ober (diskret). Madame gestatten, wenn man öhm die Aspekte seiner Musik recht bedenkt und sie alle öhm in Rechnung stellt, dann war der Herr Bach wohl fast so ähnlich geartet wie sein Großvater.

    Klaus-Dieter. Großvater vom Vater oder Mutter?

    Ober. Mütterlicherseits, mein Herr.

    Klaus-Dieter. Ach.

    Emilie. Aber Klaus-Dieter. – Woher wissen Sie bloß so viel, Herr Ober -.

    Ober. Erlauben Sie, Madame, ich muss doch, denn wer sollte sonst -.

    Emilie. Und mütterlicherseits?

    Ober. Mütterlicherseits, Madame, ist es so gut wie sicher.

    Klaus-Dieter. Nee, Bedienung, der hat so viel Scotch oder was getrunken, dass der davon so klein und dick geworden ist, der Bach, und auch die Mutter vom Bach war schon so. Winzig und feeett waren die, die Bachmutter und der dicke Bach.

    Ober. Erlauben Sie, mein Herr, aber ich muss dazu bemerken, dass der Herr Bach nur Wein trank. Das ist so gut wie erwiesen.

    Klaus-Dieter. Nee. Bier. Und das macht so richtig doll feeett.

    Emilie. Aber Klaus-Dieter -.

    Ober. Wenn die Herrschaften jedoch gestatten -.

    Emilie. Herr Ober -.

    Klaus-Dieter. Total feeeett.

    Emilie. Aber -.

    Ober. Wer sonst -.

    Klaus-Dieter. Bier.

    Ober. Madame -.

    Emilie. Mütterlicherseits -.

    Klaus-Dieter. Feeeeett -.

    Ober. Erlauben –

    (Sie erstarren. Der Scheinwerfer sucht, ob noch etwas passiert. Es passiert nichts. Er wandert zum nächsten Tisch, an dem Estelle, Charles und Emil der Kannibale sitzen, der sich irgend Stücke von Gesicht, Hals und Händen zieht und sie isst. Charles und Estelle ignorieren es.)

    Charles. Verzeihung, darf ich Sie einladen?

    Estelle. Wozu?

    Charles. Zum Beispiel zu einem Running Spliff.

    Estelle. Das ist etwas Anderes.

    Charles. Nein, es ist ein „Running Spliff“, nichts Anderes, aber möchten Sie etwas Anderes?

    Estelle. Ja?

    Charles. Kennen Sie das noch nicht?

    Estelle. Ich kenne nichts Anderes.

    Charles. Ah so, dann bestelle ich uns vielleicht keine. Aber Sie sehen so bedrückt aus, darf ich fragen, ob etwas geschehen ist?

    Estelle. Etwas Anderes.

    Charles. So. – Herr Ober, bitte drei Running Spliffs, nicht zu stark gerührt und mit viel Salmiaksorbet.

    Ober. Sehr gern, mein Herr.

    Charles. Möchten Sie darüber sprechen?

    Estelle. Wozu, es ist doch etwas Anderes – vielleicht klein und dick.

    Charles. Ach was, wie unangenehm. Übrigens, mein Name ist Charles. Gestern traf ich eine Frau, sie war groß und dünn und sprach von nichts Anderem. Es war – unangenehm. Wenn so Dünnes geschieht, fühlt man sich leicht so außerhalb. Trotz dieser – Morde draußen, oder wohl deshalb. Wie soll ich es anders sagen. Nicht anders als Sie?

    Estelle. Gestern hat es gerauscht auf dem Kirchturm, ich habe es gefühlt wie an Sonntagnachmittagen. Nicht so wie in meiner Kindheit; den anderen. Es geht tief hinunter, aber ich habe gedacht, dass Rauch an solchen Sonntagnachmittagen dicker ist als sonst oder als früher.

    Charles. Sie gehen öfters auf den Kirchturm? Und wie heißen Sie?

    Estelle. Es war gestern ein anderer Sonntagnachmittag, ich glaube, es war Dienstag oder Samstag, aber es war doch wie Sonntag. Besonders am Nachmittag. Es hat gerauscht. Nicht wie hier, sondern außerhalb.

    Charles. Fühlen Sie sich öfters so – so weit entfernt?

    Estelle. Wie heißen Sie?

    Charles. Und vorgestern habe ich einen –

    Estelle. Das Rauschen heißt nicht -.

    Charles. Nein, vorgestern hieß ich noch, ich hieß so ähnlich wie ich heute heiße, glaube ich. Quoidonc, Charles Quoidonc. Aber da kommen unsere „Running Spliffs“.

    Ober. Bitte sehr, die Herrschaften, sechs halbe „Running Spliffs“.
    (stellt drei Gläser auf den Tisch)

    Charles. Und die Hohlhippen?

    Ober. Wie meinen?

    Charles. Die Hohlhippen fehlen.

    Ober. Die Hohl-, oh verzeihen Sie bitte.
    (eilt weg)

    Charles. Wie gesagt, und vorgestern traf ich einen – nein, ich habe jemanden getroffen, es war keine Frau, aber einen Mann konnte man ihn auch nicht nennen. Wir sprachen nicht über die Morde und nicht über die Wahlen, sondern über Hohlhippen, besonders darüber, dass sie so heißen, wissen Sie das? Es scheint wichtig zu sein, dass sie so heißen und dass sie überhaupt heißen, vermute ich, aber genauer weiß ich es nicht. Es war ungefähr hinter der Ostmauer des Kirchturms oder des Bahnhofs, wo man diese Wahlen beobachten konnte, aber ich weiß nicht, ob dieser Bahnhof seinerseits eine Ostmauer hat. Vielleicht ist es nicht wichtig. Sie verstehen? Ostmauern sind während solcher Gespräche ziemlich wichtig, vielleicht um diese Morde da draußen zu begreifen?, und ohne dass ich übertreiben will, es geht eigentlich gar nicht ohne Ostmauern. Vor Bahnhöfen ist das etwas Anderes. Vielleicht liegt es an der Nachmittagssonne, die dann darübersteht, oder daran, dass keine da ist. Falls.
    Aber es lag nicht an der Sonne oder daran, dass Vormittag war, nein, sondern es lag an der Ostmauer. Übrigens, mein Name ist Charles, nicht Tschaarles und nicht englisch ausgesprochen, falls Sie ihn mal geschrieben sehen, aber das ist nicht wahrscheinlich, sondern Schahrl‘, französisch ausgesprochen. Nicht wie Bach, der hat ein Ch.Und ich habe ein Sch und kein Tsch, nicht.
    Glauben Sie mir bitte, viele Dinge können wir uns vorstellen und viele andere wiederum nicht, so ist es eben. Können Sie sich vorstellen, es wären nicht diese – – Wahlen gewesen, oder Sie wären Sonntagnachmittags neben dem Bahnhof und nichts würde heißen oder rauschen? Nichts? – Entschuldigen Sie bitte, falls ich mit dieser Frage vielleicht etwas indiskret erscheine. In Ihren Augen etwas – etwas indiskret vielleicht, oder vielleicht indiskret. Aber da kommen unsere Hohlhippen.

    Ober. Bitte sehr die Herrschaften, und entschuldigen Sie nochmals.
    (rollt eilig drei Papierservietten zu Röhren und drapiert sie auf

    den Gläsern)

    Charles. Aber was soll das sein, bitte?

    Ober. Entschuldigen Sie, der Herr, aber wir haben keine Hohlhippen, wir hatten noch nie Hohlhippen, ich weiß nicht warum. Darf ich Ihnen statt dessen diese hier anbieten – auf Kosten des Hauses selbstverständlich. Auch wegen der Wahlen!

    Charles. Ich weiß nicht, warum Sie „ich weiß nicht warum“ gesagt haben, denn Sie hätten „ich weiß nicht warum nicht“ sagen können, weil Sie ja nicht wussten oder nicht wissen, warum Sie noch nie Hohlhippen haben oder hatten – was übrigens seltsam ist, denn eigentlich hat oder hatte man wahrscheinlich immer Hohlhippen, nicht?
    Aber gut, von mir aus, tun wir so, als wären es Hohlhippen, vielleicht sind es ja welche. Danke.
    (gibt ihm unauffällig ein Trinkgeld)

    Estelle (zum Ober). Wie ist Ihr Name? Bitte sagen Sie ihn lieber nicht.

    Ober. Aber selbstverständlich, Madame -. Und jener Herr wird hier erwartet. Der die Wahlen gewonnen hat!, welch eine freudige Ankündigung, dass doch noch einmal gewählt worden ist!, pardon, nur Ihnen gesagt. (ab)

    Charles. Wissen Sie, diese Hohlhippen scheinen hier ein abendfüllendes Thema zu sein, hier und woanders, aber nicht diese Morde oder jener Herr – jener Herr Übüh, wie er heißt, obwohl diese überall geschehen, denn schon vorgestern habe ich mich darüber woanders unterhalten, mit keinem Mann oder vielleicht einer Frau, und heute wieder. Das geschieht nicht so oft, wie man vielleicht meinen könnte. Aber eigentlich geschieht es sehr viel öfter woanders als Anderes, absolut gesehen. In meinem Eisschrank liegen jedenfalls Hohlhippen. Naturgemäß. Möchten Sie sie ansehen? Man sieht sie nicht oft.

    Estelle. Ich habe gestern ein Rauschen auf dem Kirchturm gehört. Es war wie das Rauschen an Sonntagnachmittagen, als ich klein war und noch gespielt habe. Aber das Rauschen war weder Spiel noch etwas Anderes, damals naturgemäß nicht und an Sonntagnachmittagen ebenso wenig, wenn es so tief hinunter geht, aber wie kann ich das wissen? Ein Rauschen ist nicht zu wissen, aber ich habe es gefühlt, es war mitten am Samstag. Ebenso fühlte ich den Rauch, der an Dienstagen lauter ist als an Sonntagen – wie auf Kirchtürmen, aber gestern war er genauso laut oder mindestens ebenso.

    Charles. Ach. Wissen Sie, ich sehe mir für mein Leben gern meine Hohlhippen an.

    Estelle. Als ich klein war, war der Rauch klein und dick.

    Charles. Besonders Sonntags öffne ich meinen Eisschrank und besehe sie, und seit einiger Zeit habe ich eine Sorte, die mindestens dicker ist als die anderen. Sie schmeckt nicht. Aber was ändert das?

    Estelle. Der Rauch auf dem Kirchturm hat mich nicht angesehen, weil er nicht so war, wie ich ihn kenne. Das hat mich nachgerade bedrückt.

    Charles. Schopenhauer würde sagen, ich hätte eine Affinität zu meinen Hohlhippen, und Nietzsche würde dann naturgemäß erwidern, ich hätte sie zu meinem Eisschrank. Nicht?

    Estelle. Naturgemäß war es anders, als ich klein war, ich fühlte mich wie Rauch, besonders an Sonntagnachmittagen, es war nicht anders, aber wenn ich über die Schulter gesehen habe. Ich kenne nichts Anderes als solche Kirchtürme.
    (nimmt ihre Zigarettenspitze)

    Charles. Feuer? – Sonntags, wenn die Glocken läuten, öffne ich wie erwähnt meinen Eisschrank und erfreue mich, wie Freud wahrscheinlich sagen würde. Obwohl es mich nachgerade bedrückt, dass die Hohlhippen nicht schmecken, warum weiß ich nicht. Obwohl ich sie ansehe, weil ich sie kenne. Naturgemäß. Ob sie schmecken sollen? Vorgestern hat sich jemand mit mir darüber unter Anderem fast gestritten, ich glaube, es war ein Mann, obwohl ich es Ihnen nicht genau sagen kann. Wir saßen wegen dieser Wahlen neben dem Bahnhof, wissen Sie, neben dem, der so ein anderes Dach hat, man könnte meinen, wie ein Kirchturm. Wir redeten über Hohlhippen und keine Hohlhippen, unter Anderem.
    Können Sie sich vorstellen, was das ist: Kein Herr Übüh, nein, keine Hohlhippen? Ich auch nicht, es war vorgestern, vielleicht deshalb nicht, wehen dieser Morde und dieser Wahlen. Keine Hohlhippen bedeutet zum Beispiel nicht etwas Anderes als Hohlhippen, das wäre zu wenig präzise. Sondern es ist, als wenn man nichts Anderes kennt als solche. Darin ist sich übrigens Folgendes gleich – unterbrechen Sie mich bitte, falls das nicht stimmt, ja? Also stellen Sie sich Keine Hohlhippen vor, nein nicht keine Hohlhippen, sondern: Keine Hohlhippen. Ich habe es nicht geschafft. Die Vorstellung ist zu bedrückend. Zumal es natürlich keine Vorstellung ist, sondern etwas, das man zu genau kennt. Warum unterbrechen Sie mich nicht?, denn das stimmt ja Alles nicht. Übrigens gibt es zum Glück die Samstage. Wenn man sich nicht am Bahnhof verbergen muss – wegen dieser Morde. Nicht? Und wichtig ist es auch , dass es – dass sie nicht schmecken. Nicht?

    Estelle. Ich habe nicht gewusst, dass ich den Rauch gekannt habe. Der Ober hat vorhin etwas nachgerade Bedrückendes vor mir angesehen –

    Charles. Feuer?

    Estelle. – das war wie an den Sonntagnachmittagen, als ich noch gespielt habe. Seit damals kenne ich das Rauschen auf den Kirchtürmen und neben dem Rauch. Es ist, als wenn es nicht wäre. Auch der Kirchturm ist nicht. Ich kenne ihn wie sonst und wie den Rauch, und wie den Samstag. Irgendwann war es so, dass ich es nicht mehr gewusst habe – der Rauch war dicker und nicht.

    Charles. Wie erwähnt, ich kann mir meinen Eisschrank vorstellen, ich kenne ihn gut. Jedoch schaffe ich es nachgerade besser, wenn die Glocken läuten. Und wenn sie nicht läuten, bin ich imstande, an Schopenhauer oder an Aristoteles zu denken, der wahrscheinlich erwähnt hätte, dass die Sonntage ohnehin wie Rauch sind, nicht? Dann bin ich imstande und gehe nachgerade bedrückt zu der Stelle, an der ich mich vorgestern unter Anderem mit jemandem unterhalten habe, ich weiß nicht, ob es eine Frau oder ein Mann war oder wer überhaupt das war, der oder die auch Nietzsche kannte, den ich nicht kenne. Es war, wie Sie sich vielleicht vorstellen können, neben einer Ostmauer, und das war wichtig und ist es immer noch. Wegen vorgestern, nicht? Womöglich auch wegen Bach. Keine Hohlhippen, das ist genauso unvorstellbar wie kein Bahnhof, nein, Kein Bahnhof oder Keine Ostmauer. – Und Sonntags? Das Gespräch hätte an einem Sonntag stattfinden müssen.

    Estelle. Wo wohnt der Kirchturm?

    Charles. Samstags sind solche Gespräche weniger bedrückend, auch ganz ohne diese Morde, besonders, falls man zum Beispiel den Eisschrank dabei öffnet. Ich habe Sie schon gefragt, ob Sie ihn sich ansehen werden. Möchten Sie?

    Estelle. Wohnt denn der Rauch oder Sonntags?

    Charles. Verzeihen Sie, ich wohne nicht. Wo ich wohne, wohnt mein Eisschrank, besonders Sonntags. Wenn die Glocken läuten, würden Sie sagen.

    Estelle. Gehen wir nicht zu Bach?

    Charles. Warum. Aber es würde mich wohl freuen. Dass Hohlhippen übrigens ihre Abwesenheiten haben, die man nicht anders nennen kann, ist eine Tatsache, ob man es nun so kennt oder möchte oder versteht oder nicht. Übrigens, auch vorgestern habe ich mit jemandem darüber gesprochen, es kommt nicht oft vor, eigentlich nie, außer mit jemandem, beim sich Verbergen, wissen Sie. Man kann das hinter der eigenen Schulter sehen, und dafür darf es nicht tief hinunter gehen, weil man es nicht versteht. – Plötzlich neben der Ostmauer.

    (Sie erstarren. Der Scheinwerfer sucht, ob noch etwas passiert. Es passiert nichts. Er wandert herum und findet den Henker. Er geht von Tisch zu Tisch und starrt den Anwesenden in die Gesichter. Am Bühnenrand bleibt er stehen.)

    Der Henker. Guten Tag. Oder guten Abend, egal. Wen soll ich henken?

    Charles (aus dem Halbdunkel). Sie irren sich, „henken“ heißt es nicht, denn das Wort lässt sich nur im hmm Partizip benutzen. Also „gehenkt“. Entschuldigen Sie, ich habe das nur als Anmerkung erwähnt.

    Der Henker. Nein, ich irre mich nicht, ich henke. Und ich habe überhaupt nichts mit dem da draußen zu tun. Ich henke als Henker.

    Charles. Wenn Sie meinen.

    Ober (hinter vorgehaltener Hand). Und wenn der Henker sich irrt, während er henkt -?

    Charles. Das wollen wir lieber nicht hoffen.

    Der Henker. Soll ich Sie vielleicht henken und danach überlegen, ob’s ein Irrtum war, was meinen Sie?

    Charles. Nein, vielleicht geht es noch anders? Aber es heißt wirklich nur „gehenkt“, glauben Sie mir.

    Der Henker. Ich denke mal drüber nach.

    (Scheinwerfer auf den Hintergrund. Der Ober am Telefon.)

    Ober. Sehr wohl, die Herrschaften!, einen Tisch, wie bitte?, ja fünf Tische für Herrn Huibuh und Gefolge?, selbstverständlich!, pardon, wie bitte?, ja für Herrn ÜBÜH und Gefolge, sehr wohl!, er wird jetzt Übüh ausgesprochen?, pardon der Herr, selbstverständlich, ergebensten Dank!, jawohl einundzwanzig Uhr!, sieben bis zehn Tische-?, ich werde sehen, was wir tun können!, sehr willkommen hier, die Herrschaften!, stets für Sie zu Diensten!, ergebensten Dank.

    (Der Scheinwerfer sucht, bleibt am Zeitschriftenständer hängen. Zeitungen mit dem Wort WAHLEN. Emilie und Klaus-Dieter beginnen im Halbdunkel zu reden, der Scheinwerfer sucht auf den Schlagzeilen, dann Scheinwerferschwenk auf Emilies Tisch.)

    Emilie. Schmeckt dir der Scotch, Klaus Dieter?

    Klaus-Dieter. Na wieso nicht, Emilie, schließlich hast du ihn bezahlt. Schmeckt er dir?

    Emilie. Wie soll ich das wissen. Man trinkt doch Scotch, oder nicht? Wie Kamillentee? Den trinkt man anders, glaube ich, aber man trinkt ihn. Und Scotch, Klaus-Dieter? Bitte sag mir, ob man ihn trinkt.

    Klaus-Dieter. Hier?

    Emilie. Wie bitte -?

    Klaus-Dieter. Ob man den hier trinkt? Aber Kamillentee kriegst du nicht.

    Emilie. Ja, bitte sag mir, ob man ihn denn trinkt, Klaus-Dieter.

    Klaus-Dieter. Na klar, hast du schon mal einen gesehen, der ihn isst? Hahahaa. Scotch trinkt man, wieso denn nicht. Grad wegen der Wahlen. Auf die Wahlen!

    Emilie. Na dann – weißt du, es hat mich doch beunruhigt.

    Klaus-Dieter. Ach was. So wie vorhin dieser Bach?

    Emilie. Was hat das denn wieder damit zu tun, Klaus-Dieter.

    Klaus-Dieter. Nich‘ wenig. Du stehst wohl auf klein und dick? Winzig und feeett.

    Emilie. Nicht so laut, hörst du? Nachher pfeifen die Spatzen deine Frechheiten wieder vom Kirchturm.

    Klaus-Dieter. Zum Henker Emilie, reg dich mal ab. – Ich muss übrigens nachher zum Bahnhof.

    Emilie. Aber Klaus-Dieter, ich habe es doch nicht so gemeint –

    Klaus-Dieter (unverschämt). Ich muss sowieso zum Bahnhof.

    Emilie. Aber warum –

    Klaus-Dieter. Manchmal muss man halt zum Bahnhof, oder sonstwo hin, wieso willst du das nicht begreifen. Emilie begreift nix, nicht mal, dass man zum Bahnhof muss, oder sonst wohin. Dein Bach hätte das auch gesagt. Der ist auch zum Bahnhof gegangen. Pah, der hat nicht mal gesagt, ich geh hin, sondern der ist einfach hingegangen. – He Bedienung! – Ich frag ihn einfach.

    Emilie. Aber –

    Ober. Bitte sehr, der Herr?

    Klaus-Dieter. Ist Bach manchmal zum Bahnhof gegangen?

    Ober. Herr Bach, bitte?

    Klaus-Dieter. Klar doch, Mensch. Bach, Bahnhof, gegangen. Ist er oder ist er nicht?

    Ober. Verzeihen Sie bitte, der Herr, aber wenn Sie das vielleicht meinem – Vorgesetzten – – ich bin doch hier nur –

    Klaus-Dieter. Nix wiss‘. Verstehe. (ruft quer durch den Saal) Hey Sie!

    Emilie. Aber Klaus-Dieter –

    Der Henker. Na was denn nun?

    Klaus-Dieter (pedantisch). Ist Bach manchmal zum Bahnhof gegangen?

    Der Henker. Haben Sie das nicht schon den Ober gefragt?

    Klaus-Dieter. Na klar doch.

    Der Henker. Und was wollen Sie dann von mir?

    Klaus-Dieter. Ach legt euch doch alle gehackt -.

    Emilie. Aber Klaus-Dieter – –

    Klaus-Dieter. Gar nix erfährt man hier, nicht mal was über die Wahlen!, Saftladen, das.

    Der Henker. Ober, sagen Sie ihm doch, was er wissen will, sagen Sie ihm irgendwas vom Bahnhof oder von da draußen, kann doch nicht so schlimm sein. Ich habe keine Zeit für so was, muss nachdenken.

    Ober. Selbstverständlich, Herr -. Selbstverständlich.
    (zu Klaus-Dieter)
    Vielleicht dürfte es Ihnen bald bekannt sein, der Herr, wohin Herr Bach ging, er wusste es nämlich. Und dazu, mein Herr: Herrn Bachs Großvater, mütterlicherseits versteht sich, kannte den Bahnhof übrigens nicht. Ihnen gesagt, weil ich es weiß, aber nicht mehr. Und Herr Übüh wird hier vom Bahnhof erwartet!, er hat Wahlen abhalten lassen!, pardon, nur Ihnen gesagt. Danke, die Dame.
    (entfernt sich)

    Klaus-Dieter (zu Emilie). Na siehste, du Schnalle.

    (Im Hintergrund stellen sich die Musiker auf und schrammen leise den 1. Satz der Flötensonate h-moll herunter)

    Klaus-Dieter. Das klingt ja wie vom Großvater. Zum Bahnhof hätt der gehen sollen. Was hast du eigentlich gegen Bahnhöfe?

    Emilie. Aber Klaus-Dieter. Ich meine nur, es ist vielleicht nicht gut, dass –

    Klaus-Dieter. Was weißt du denn. Ach zum Henker, immer vermiest du einem die Laune. Aber Klaus-Dieter. Trink wenigstens deinen Scotch aus, sonst geht der auch noch zum Bahnhof.

    Emilie. War es denn Scotch? Und trinkt man ihn -? Ich weiß es doch nicht.

    Klaus-Dieter. Gerührt oder geschüttelt, hier, letzten Donnerstag oder am Bahnhof, verdammt?

    Emilie. Das weiß ich nicht, Klaus-Dieter. Bitte fluch nicht, du machst mir Angst.

    (Als der Henker anfängt zu reden, sucht sich der Scheinwerfer sein Gesicht)

    Der Henker. Tja, wenn ich das wüsste. Henken oder gehenkt, das ist hier die Frage. Henken, schwenken, denken. Ich denke ich henke. Nun ja, Tschaarles würde sagen, dass ich mich irre. Nein, Scharl‘. Egal, er wird rechthaben, aber darum geht’s nicht.
    (tappt zu Emilies Tisch)

    Der Henker. Ich henke, also bin ich. Oder umgekehrt. Wenn ich nun bald keinen henke, dann bin ich vergeblich oder sinnlos. Hier ist aber alles voll mit Sinn. Die alle hier produzieren Sinn!, die tun gar nichts sonst, SinnSinnSinn, und der Sinn stapelt sich und stapelt sich und macht die Luft klein und dick, bis man sich dran aufhängt. Deshalb muss ich jetzt arbeiten, verstehen Sie, Frau Emilie? Weil ich nur ICH bin. Jeder sonst hier oder da draußen kann es anders, bloß ich nicht. Aber Sie müssen mir helfen, denn ich weiß nicht, wer hier gehenkt werden soll. Helfen Sie mir?

    Emilie. Aber um Gottes Willen -.

    Klaus-Dieter. Was hat denn der damit zu tun. Der ist doch auch gehenkt worden, nicht? Hat der Nitsche oder so einer gesagt.

    Emilie. Auch gehenkt -?

    Klaus-Dieter. Aber ja, Mensch. Kopf ab. Stand in der Zeitung. Letzte Woche.

    Der Henker. Stand da, dass das passiert ist, so wie die Morde und die Wahlen, oder dass das einer gesagt hat?

    Klaus-Dieter. Weiß ich doch nicht. Fragen Sie doch den Ober, der weiß Sachen. Oder wollen Sie sich setzen? Emilie gibt Ihnen bestimmt einen Scotch aus.

    Emilie. Klaus-Dieter, um Gottes -.

    Der Henker (zu Emilie, nicht unfreundlich). Soll ich Sie nun henken?

    Klaus-Dieter. Lohnt sich kaum.

    Der Henker. Woher wollen Sie das wissen?

    Klaus-Dieter. Na, was ich weiß, das weiß ich.

    Der Henker. Sie sind halt randvoll mit Sinn. Aber sowas von. Wie heißen Sie, Klaus-Dieter? Na eben. Vielleicht liegt es daran. Ich kenne jeden, deshalb bin ich der Henker, verstehen Sie das?

    Charles (im Halbdunkel). Es gibt immer jemanden, der nicht hinhört.

    Der Henker. Meinen Sie jetzt wieder die Grammatik?

    Charles. Nein, ich meinte einen anderen Sinn, meinen Sinn, der liegt dazwischen. Wenn Sinn denn Sinn ist.

    Der Henker. So -.
    (Emilie sackt weiter zusammen, Klaus-Dieter gafft, Charles sitzt unbewegt da usf., der Henker sieht Jedem ins Gesicht)
    Das verstehe ich nicht. Da wollen die Leute, dass man sie kennt, und nur deshalb halten sie da draußen still und kommen dann hier her und ertragen das alles!, ertragen dazu sich selbst. Nein, das tun sie nicht. Aber sie kommen her. Trotzdem. Obwohl sie das alles nicht ertragen. Und dann wollen sie nicht gehenkt werden. Obwohl das ein und das Selbe ist, das Eine und das Andere. Versteh ich nicht. Ob die das verstehen? Ach wo. Wer hat sich das nur ausgedacht -.

    Charles. Jetzt war es korrekt.

    Der Henker. Bitte was?

    Charles. Pardon?

    Der Henker. Ah so, die Grammatik. Ich habe „gehenkt“ gesagt. Schön so?
    (zu Estelle)
    Guten Abend Estelle, ich kenne Sie von früher, deshalb weiß ich, wie Sie heißen. Naturgemäß. Sagen Sie mir bitte, wie ich das alles verstehen soll, Estelle.

    Estelle. Ich weiß nicht, was ich verstanden habe. Niemand kennt den Kirchturm, und deshalb werden auch die anderen Kirchtürme unbekannt. Oder waren Sie nicht dort? Sonst wären Sie unbekannt.

    Klaus-Dieter (im Halbdunkel). Nee, der ist doch hier, da steht er, und wir kennen den.

    Der Henker. Ich glaube, wir kennen uns von woanders her. Vielleicht finden wir es noch heraus, das würde mich freuen.
    (zu Charles) Und Sie, Herr Charles mit dem Partizip? Vielleicht wissen Sie etwas, das Sie mir erklären könnten. Denn was man weiß, kann man erklären, nicht?

    Charles. Bitte, Madame, oder ist es Ihnen –

    Estelle. Aber ja, wenn Sie etwas wissen, müssen Sie es suchen.

    Charles. Wenn Sie meinen.
    (zum Henker) Pardon bitte, Herr Scharfrichter, falls ich Ihnen vorhin arrogant erschienen sein sollte, das war nicht meine Absicht. Denn arrogant bin ich nicht, ich kann gar nicht arrogant sein, denn ich weiß dafür zu wenig. Weil ich aber versuche, etwas zu wissen, nur irgend etwas, wohl etwas über da draußen oder sogar über meinen Eisschrank, obwohl ich ihn wohl kenne, könnte die Suche zu leicht arrogant wirken. Möchten Sie sich nicht setzen? Bitte.

    Der Henker. Charles, haben Sie schon mal einen Henker gesehen, der sitzt? Das passt nicht. Also bleibe ich besser stehen, ehe ich henke, nein, gehenkt haben werde. Trotzdem danke.

    Klaus-Dieter. Nun lasst ihn doch endlich wen henken.

    Emilie. Schscht, Klaus-Dieter – –

    Charles. Einmal habe ich einen Henker sitzen sehen, aber das war in einem Land, in dem es nachgerade keine Henker mehr gibt.

    Der Henker. Wo soll denn das gewesen sein?

    Charles. Das weiß ich nicht, Herr Scharfrichter, der Henker hat mir das so gesagt. Aus dem Grund saß er, das hat er mir so gesagt. Auch weil es da keine Morde gab – nein, nur nicht diese. Ich fragte ihn, ob es denn in diesem Land, in dem wir beide waren, er sitzend, ich stehend, ob es da keine Henker mehr gebe? Nein, die gebe es nachgerade nicht, hat er geantwortet. Und dass es dort Henker gebe, dass es dort naturgemäß welche gebe. Aber er saß.
    Das lässt sich nicht verstehen, wie ich es nun drehe oder wende, und vielleicht ist es deshalb nicht wichtig.

    Der Henker. Na für mich schon -.

    Charles. Naturgemäß. Vielleicht liegt es auch daran, dass dieser sitzende Henker verlorengegangen ist. Wohl wie diese Wahlen? Es geht so viel verloren. Sie sehen nicht hin, und schon ist es verloren. Ja wohl ein ganzes Land oder mehr, wenn man dem, was der Henker mir gesagt hat, glauben mag. Sie können aber jeden danach fragen, und jeder wird sagen, dass er davon noch nie gehört hat. Was geschieht also, wenn etwas verlorengeht, obwohl oder weil jeder es vergessen hat?
    Aber bleiben wir bei den Dingen, da verhält es sich zwar nicht weniger entsetzlich, aber da ist es vielleicht zu verstehen. Wenn man versucht, oder wenn man etwas versucht, darf man nicht zu viel wissen. Oder wenn man es sucht und es schon vergessen hat oder noch nie davon wusste. Stellen Sie sich vor, Sie kennen etwas nicht mehr – sagen wir, den Bahnhof. Das kann vorkommen. Es kommt wohl viel öfter vor und in viel größerem Maß, ja Ausmaß, als man sich das so denkt. Oder stellen Sie sich vor, jemand kannte etwa – den Bahnhof, und plötzlich wird er ihm unbekannt. So wie dieser Herr Ü-, dieser Herr Wieauchimmer. Also war er ihm schon immer unbekannt. Was passiert dann mit dem Bahnhof, ab wann? Und was ist mit jenen, die den Bahnhof noch kennen? Also wird der Bahnhof nicht plötzlich unbekannt, verloren, sondern es gab nie einen Bahnhof, nie das Wort, nicht einmal die beiden Silben. Bahn – Hof. So wie Ü. Nie. Aber gibt es Fälle, in denen sich jemand an etwas erinnert, das nie dagewesen ist. Nein, noch nie dagewesen ist. Verstehen Sie? Ich meine: Verstehen SIE das?

    Der Henker. Nein. Ich tue es bloß.

    Charles. Eben, Herr Scharfrichter, das ist es ja. Das Unbekannte und das Erinnern des Unbekannten ist das einzige Tun, ob nun davor oder danach. Wie passt das zusammen? Stellen Sie sich vor, Sie kannten diese Morde oder nur den Rauch oder den Kirchturm, und plötzlich, nein nicht plötzlich, wird er unbekannt. Nur wissen Sie es nicht, denn er war Ihnen schon immer unbekannt wie Ihr Eisschrank. Pardon, nicht Ihrer, Herr Scharfrichter. Jedoch das waren Sie, der das gemacht hat. Ich sage gemacht, natürlich nicht veranlasst!, denn das wäre arrogant, ja unverschämt -. Und ich sage Rauch oder Kirchturm, aber nicht Erinnerung oder Wissen oder gar Jemand, denn was geschieht mit jemandem? Stellen Sie sich nur vor, mit wie vielen Dingen das geschieht, mit Bahnhöfen und so weiter, und nicht nur mit – Ostmauern. Einen Henker gab es, der unbekannt geworden ist. Ich weiß nicht, was das bedeutet.

    Der Henker. Ich habe wirklich keine Ahnung. Bitte reden Sie doch weiter. So lange habe ich frei.

    Charles. Das ist ein Gedanke, den man auf keinen Fall zu Ende denken darf, Herr Scharfrichter, das müssen Sie doch wissen. Naturgemäß wissen Sie es. Nein, Sie tun es bloß, aber das wissen Sie. Was ist mit diesen Wahlen oder naturgemäß mit der Ostmauer, die plötzlich unbekannt wird? Ob man nun über die Schulter sieht oder nicht. Sie wissen, dass Manches nur neben Ostmauern geht, ja dass es überhaupt nur dort denkbar nein vorstellbar ist, ob nun vergessen oder nicht!, sofern es eine Ostmauer gibt, nein sofern es nur irgendwo eine Ostmauer gibt. Bloß die Vorstellung einer nein das Denken an eine Ostmauer, die es dann gibt. Aber sie wird plötzlich unbekannt, nein nicht plötzlich: Es gab sie nie. Was ist Kei-ne-Ost-mau-er ohne die drei nein fünf Silben? Oder kein Herr Ü-wieauchimmer mit einer Silbe? – Mein Eisschrank weiß es auch nicht.

    Estelle. Doch, er wusste es. Wollten Sie ihn mir nicht zeigen?

    Charles (plötzlich völlig erschöpft). Doch, ja, sofern Sie gestatten. Weil das Dinge sind, die etwas bedeuten, ja die nicht GETAN werden müssen, weil sie nicht zu suchen sind.

    Der Henker. Und bei der Grammatik?

    Charles. – – ! ! Das habe ich nicht bedacht.

    Der Henker. Eben bei der Grammatik, Charles. Weil ich nach der Grammatik Henker bin. Nur danach. Das wissen Sie ja. Was ist denn mit der Grammatik? Da muss drinstehen, wen ich henken soll, wo steht das? Wer macht mir eine Grammatik mit den Regeln?

    Charles. Das weiß ich nicht, ich verstehe die Grammatik nicht. Denn das sind Dinge, die zu viel miteinander gemeinsam haben, als dass ich sie wissen könnte. Und es sind ja keine Dinge!, denn das wäre viel einfacher bei Dingen.

    Klaus-Dieter. Ich sag auch immer, dass das Leben kompliziert is‘.

    Estelle. Kennen Sie sie nicht, Charles?

    Charles. Die Dinge? Nein. Zu viele davon sind unbekannt, Madame. Und manche Dinge sind gar keine. Wenn Sie nicht da wären –

    Klaus-Dieter. Wann seht ihr euch denn jetzt mal den Kühlschrank an?

    Emilie. Aber Klaus-Dieter, es ist doch ein Eisschrank, lass doch.

    Klaus-Dieter. Man kann auch einen Gefrierschrank ansehen. Und lieber nicht wissen, was da so drin ist.

    Emilie. Aber warum -.

    Klaus-Dieter. Klar, du weißt ganz gut, was so alles in deinem Besenschrank rumklötert, Emilie, keine Angst, ich sag’s nicht weiter.

    Der Henker. Der Klaus-Dieter kennt Besenschränke, von denen bisher noch keiner geredet hat. Wie schön. Und Charles kennt die Ostmauer nicht mehr, oder fast kaum mehr. Und ich weiß nicht, woher ich Estelle kenne, und ich habe gar keinen Glauben oder Grammatik. Emilie, wissen Sie jetzt, ob oder wie man Scotch trinkt?

    Klaus-Dieter. Trinken und getrunken werden, sag ich immer!, und wer zahlt, muss dran glauben.

    Emilie. Danke ja, Herr – Herr Henker, ich weiß es, man trinkt ihn, Klaus-Dieter hat es mir erklärt.

    Der Henker. Sind Sie sicher?

    Emilie. Nicht so ganz.

    Der Henker. Sind Sie nicht -?

    (Erstarrung. Es passiert wieder nichts. Der Chor setzt ein mit Bachs „Ich hatte viel Bekümmernis“. Der Scheinwerfer geht auf die Suche nach etwas, das passiert, und findet Emil, den Kannibalen)

    Klaus-Dieter. Ach so, der.

    Emilie. Wieso -?

    Klaus-Dieter. Na um den geht’s doch hier. Schnallst du das nicht?

    Charles (aus dem Halbdunkel, über die Schulter). Sie sollten wohl doch noch etwas zu trinken bestellen.

    Klaus-Dieter. Yep. Bei der Musik. Wie ist denn der Running Spliff?

    Ober (heraneilend). Gestatten, der Running Spliff ist mit Salmiaksorbet, aber leider ohne Hohlhippen, obwohl es auf Wunsch des Herren da drüben nun etwas Ähnliches gibt.

    Klaus-Dieter. Klingt irgendwie knorke. Zwei! Emilie bezahlt die ja. Und einen Sex-on-the-beach, wegen der Stimmung hier.

    Ober. Sehr wohl, der Herr.

    Klaus-Dieter (ruft hinter dem Ober her). Bravo, Sie sind ja der Einzige, der überhaupt was tut. Außer dem da.
    (zeigt auf Emil)

    Ober. Küss die Hand, der Herr.

    Emilie. Aber Klaus-Dieter, der kann doch nichts dafür -.

    Der Henker. Das müsste ich jetzt mal herausfinden. Ob Emil etwas dafür kann. Ob dafür oder nur für sich selber. Wie soll ich das nur machen. Charles weiß es nicht, Klaus-Dieter weiß nur was über Getränke, und Sie, Emilie, kennen Emil ja nicht. So heißt er. Estelle, was sagen Sie denn dazu, was ist mit Emil?

    Estelle. Ich kenne keinen, der etwas für etwas kann, und auf Kirchtürmen ist nichts, das so heißt. Oder neben Eisschränken. Er ist wohl unbekannt. Er macht mich nachgerade bedrückt-.

    Der Henker (zu Emil). Finden Sie?

    Emil. Was?!

    Der Henker. Ob Sie sich nun unbekannt sind oder nicht. Das kann doch nicht so schwer sein zu wissen.

    Emil. Bin ich.

    Klaus-Dieter. Schwer oder unbekannt?

    Der Henker. Das kann nicht sein, Emil. Sie essen sich ja selber. Jeder sieht es. Und keiner sieht hin, wie Sie sich selber essen. Nicht zu glauben. Wollen Sie mir Konkurrenz machen? Sagen Sie mal.

    Emil. Das meinen Sie nicht Ernst.

    Der Henker. Meine ich doch. Lieben Sie sich selber so, dass Sie sich essen? Wie weit würden Sie denn gehen? Man kann was von Ihnen lernen!, von wem denn sonst?

    Emil. Es ist doch keiner hier. Die tun alle nur so. Ich aber nicht, ich tue nichts. Ich bin mal von wo entkommen, und jetzt tue ich nichts.

    Der Henker. Doch doch, das ist bestimmt Selbstliebe oder Eigenliebe, und Sie tun so. Hier würde doch kein Anderer sich selber -.

    Emil. Sagen Sie’s doch.

    Der Henker. Ich denk ja nicht dran, Emil. Keiner liebt sich selber genug, um sich zu essen. Die sind sich alle selber zu eklig dafür. Meine Güte, man isst Salmiaksorbet aus diesem Glas da, oder oder –

    Charles. Hohlhippen.

    Der Henker. – oder Hohlhippen. Aber Sie -. Jeder sieht’s, aber keiner sieht hin. Ich hab ja keine Ahnung.

    Emil. Ach wo. Niemand merkt’s. Es wär ja für keinen neu, jeder weiß es, nur entkommt keiner, und übrigens gibt es niemanden.

    Klaus-Dieter. Dich gibt’s auch bald nicht mehr, wenn du so weitermachst.

    Der Henker. Kann schon sein. Aber für Sie ist das egal, Emil, weil Sie sich ja lieben. Wie kann man das wissen?, es ist zu bedrückend, würde Charles fragen. Obwohl grad der ja nie was fragt.

    Emil. Nein, das ist doch überhaupt nicht so. Das ist doch viel einfacher. Es ist so: Ich bin sowieso nicht da, und dass ich hier etwas sage, das scheint nur so. Keiner ist da. Nicht Sie, und nicht mal der Bach ist da. Oder ist hier einer? Doch, einer isst. Keiner ist da und jemand anders zu sein ist gelogen, und weil das nur gelogen ist und nichts Anderes als gelogen, gibt es keinen, mich auch nicht. (isst)

    Der Henker. Nichts ist gelogen. Deshalb gibt es mich ja, und deshalb tue ich, was ich tue.

    Emil. Ach wo. Dass Sie noch da sind oder für was, ist gelogen. Und jetzt lassen Sie mich, ich hab Ihnen alles gesagt.

    Estelle (in den leeren Raum hinein). Und wenn man nicht da wäre?

    Der Henker. Danke für die Erklärung, Emil, und jetzt werden Sie gehenkt. Nehmen Sie es mir nicht übel -. Ach so, das werden Sie nicht, denn Sie sind ja nicht da, ich bin auch nicht da, und also wird nichts passieren.
    (er packt Emil ohne Anstrengung)

    Charles (zu Estelle). Sehen wir nicht über die Schulter. Aber es gibt die Ostmauer, nun ja, noch gibt es die Ostmauer fast, und Hohlhippen gibt es ja auch noch, so wird gesagt.

    (Der Henker schleift Emil mühelos ins Halbdunkel, schlägt mit dem Beil zu. Er wendet sich ab und setzt sich unauffällig hin. Der Chor intoniert Bachs „Mit Fried und Freud ich fahr dahin“)

    Estelle. Was gesagt wird, ist nicht wie an den Sonntagnachmittagen, denn es ist so, als wenn es da wäre, da draußen. Und die Anderen?

    Charles. Die Anderen sind auch nicht gelogen. Gelogen, das ist ein Wort wie gehenkt, aber nicht wegen der Grammatik, und es verschwindet nicht, so bald es jemand gesagt hat. Gehen Sie nicht weg. Ist da etwas geschehen?

    Estelle. Was? Ich kenne auch keine Ostmauern. Ich kenne nur eine, wo es hinunter geht.

    Charles. Fragen lässt es sich nicht.

    Klaus-Dieter (betrunken). Nehmt ihr euch eink’lich so richtig ernst?

    2. Akt.

    (Selbes Bühnenbild, selbe Personen. Bachs Chorsatz klingt aus. Der Scheinwerfer sucht, ob etwas passiert, findet den Tisch von Emilie und Klaus-Dieter.)

    Emilie. Bach -.

    Klaus-Dieter. Und ich trink jetzt gar nichts mehr.

    Emilie. Mit Fried und Freud ist er nicht dahingefahren –

    Klaus-Dieter. Der Bach ist vor dem Freud dahingefahren, du Schnalle.

    Emilie. Und was der Henker gesagt hat, nein, das hat gar nicht gestimmt.

    Klaus-Dieter. Es wird nichts passieren, hat er gesagt, stimmt!, es passiert hier nix.

    Emilie. Er hat gesagt, dass ich ihn nicht gekannt habe, und das war gar nicht wahr. Den Emil -.

    Klaus-Dieter. Wieso sitze ich immer mit Emilie irgendwo rum, wo nix passiert.

    Emilie. Emil. Ich hab ihn gekannt. Den Emil -.

    Klaus-Dieter. Es könnte doch mal was passieren.

    Emilie. Er hat so anders ausgesehen -.

    Klaus-Dieter. Aber gar nix passiert.

    Emilie. Ich habe ihn erst erkannt, als er da hinten -.

    Klaus-Dieter. Man sitzt und trinkt was, aus.

    Emilie. Da war es zu spät um zu schreien, Emil, das bist ja du.

    Klaus-Dieter. Die hippen Siebziger, die haben wenigstens noch gerockt, glaub ich.

    Emilie. Ich habe ihn erst da hinten erkannt, als er -.

    Klaus-Dieter. Und die coolen Achtziger haben gesaust, ach ja, gesaust haben die.

    Emilie. Das ist jetzt ganz taub. Ganz taub.

    Klaus-Dieter. Und die smarten Neunziger haben gesmasht. Gesmaaasht.

    Emilie. Und dieses Elend.

    Klaus-Dieter. Aber jetzt? Nix passiert mehr.

    (Gepolter, Bewegung, volle Scheinwerfer, Vater Übüh und sein Gefolge stürzen herein. Licht, großer Lärm, Geschrei „Aal-hu!!, Aal-hu!!“)

    Klaus-Dieter. Na endlich, aber ist doch auch wieder nur ’ne Party, oder?

    Vater Übüh (wirft sich in Positur). Schreiße nochmal, Ruhe! So wahr ich euer Vater Übüh bin! Unser Kampf um die alleinige Wahrheit ist ein heiliger Kampf, und er ist so geil, und ich hab doch die Wahlen gewonnen! Ich, euer Vater Übüh! Schreiße nochmal, Ruhe!!, jeder kommt hier zu Wort, aber jetzt rede ich!
    Ah Taten begangen, und die Wahlen!, die hab ich euch geschenkt und Nägel mit Köpfen gemacht, und die Ungläubigen ham’mer genagelt!, die Wahrheit haben wir gelebt ja gar Heiliges!!, oh Tod!, heiliger Tod!!, alles da draußen zerrissen haben wir und immer heilig und alle Ungläubigen geköpft. Das war so geil! Und die Wahlen gewonnen! Jeder lügt, der sagt, dass das nicht geil ist! Und heilig ist das auch noch! Was kann einer meeehr wolllllen?!

    Lasst uns nun zu Allevater beten, um uns zu heiligen!, los, alles hier auf die Knie!, auf die Knieee sag ich!!, Stirn auf den Boden!, Aal-hu!!, Aal-hu!!, jawollja. Aal-hu!!, Aal-hu!!, jawollja. Aal-hu!!, Aal-hu!, Aal-hu!!, Aal-hu!!, Aal-hu!!, Aal-hu!!, jawolljaaaaa

    (Jubel)

    Vater Übüh. Hach Aal-hu!, es ist doch immer wieder heilig und geil. Ich bin doch wie ein Vater zu euch! Der AAL!, Aal-hu!!, Aal-hu!!, und es steht geschrieben, ihr sollet beim Beten und beim Fasten den Aal nie vergessen, denn er fresset sich in den Wassern hinein in die Ungläubigen, auf dass sie verdürben. Geil.
    Dabei wollen WIR die doch köpfen, Schreiße nochmal!, und dann können die Aale sich an denen dickfressen.

    (Jubel)

    Klaus-Dieter. Also das ist ja mal ’ne echte Party. Die Zombies und die Langoliers und so.

    Vater Übüh. Hä? Wer bist du denn da? Ungläubiger mit Lockenkopp? Schreiße. Soll ich dich zerreißen?

    Klaus-Dieter. Ich hab euch doch im Fernsehen gesehen.

    Vater Übüh. Die Wahlen! Und, war ich gut?

    (Jubel)

    Klaus-Dieter. Hui!, da passierte doch mal was! Der Emil, war der Emil nicht einer von euch? Der war mal ein Freund von mir, der Emil. Ein guter Freund, ein Mitkämpfer…

    Emilie (sackt vom Stuhl). – –

    Vater Übüh (springt heran). Schreiße nochmal!, der Emil war mal einer von uns!, ein Heiliger!, aber er hat uns verraten und ging weg!!, der wurde zum Ungläubigen!, und die da ist eine Ungläubige! Heilig haltet das Zerreißen!! Die mach ich fertig.
    (Vater Übüh will Emilie zerreißen. Klaus-Dieter zuckt weg.)

    Der Henker (schiebt sich dazwischen). Halt, bitte. Dafür bin immer noch ich zuständig. Und die Dame wird noch gebraucht.

    Vater Übüh. Was glaubst du, du Henker?!, na gut!, ich will mal nicht so sein!, ich bin doch wie ein Vater zu euch allen und hab die Wahlen gewonnen!, Aal-hu!!, Aal-hu!!, alles trinkt hier auf meine Rechnung!, und wir werden ja noch sehen, wer hier was macht. Die gehört fertiggemacht!, die Ungläubige da! Die, und die da! Fertiggemacht!
    (wirft sich zwischen sein Gefolge)

    Charles (leise zu sich). Nietzsche würde sagen, desavouieren, oder jemandem einen tort antun. Es gibt keinen Nietzsche mehr. Nietzsche hat die Zerreißer zerrissen. Was wird aus den Dingen, die sich selbst desavouieren?

    Estelle. – – Ich will den Rauch. Hier nicht, hier ist kein Rauch so entsetzlich wie am Sonntag, hier niiicht!!, und ich habe den Rauch nie gesehen, als er mich ansah. Das will ich nicht.
    (zieht eine Metallflasche aus der Tasche)

    Charles. Heute ist jedoch Donnerstag, sehen Sie, Madame. Nein, sehen Sie nicht hin. Das, Estelle?, bitte!, wenn Sie nicht da wären –

    Estelle. Niemand ist da.
    (entstöpselt die Flasche)

    Charles. Estelle? (schnüffelt an der Flaschenöffnung, fährt zurück), das ist Gift, Estelle.

    Estelle. Der Rauch war am Himmel und nicht, ich kenne nur diese Sonntage, aber nicht hier!, nicht hier.

    Charles (entwindet ihr die Flasche, stöpselt sie zu, steckt sie ein. Leise zu sich).
    Was IST das alles?! Und was bin ich-?

    Der Henker (kommt heran). Ich henke, also bin ich. Und ich henke auf eigene Rechnung, so bin ich, ja wie entsetzlich. Ich hab keine Grammatik des Henkens, Charles, verstehen Sie?

    Charles. Das verstehe ich nicht, weil ich von dieser Grammatik nur verstehe, dass sie wie Gift und unbekannt ist. Und selbst das verstehe ich nicht.

    Der Henker. Der da (deutet heimlich auf Vater Übüh) macht Kitsch, er ist ein Kitschkopf durch und durch, so einen KITSCHKOPF hat man ja noch nie gesehen. Aber er ist meine Grammatik des Henkens. Nein, des Gehenkthabens. Meine einzige. Er. Verstehen Sie?

    Charles. Nein, Herr Scharfrichter – ich verstehe nur das Partizip, in diesem Fall den Genitiv. Nein, den Imperfekt. Obwohl Sie das Partizip perfekt beherrschen.

    Ober (rennt heran). Noch jemand einen exklusiven Cocktail, die Herrschaften? Wir haben einen ganz exklusiven Green Zombie, natürlich Bloody Mary frisch gepresst oder einen herrlichen Sex-on-the-beach, alles mit Hohlhippen, sie heißen jetzt Waffelröllchen!, wir haben ganz exklusive aus Cordoba bekommen, extra für Sie eingeflogen aus Cordoba, die Herrschaften.

    Vater Übüh. Al-, Al-, Aaaalkohol?! Schreiße! Kommt ja nicht in Frage! Verboten!! Aal-hu!! Aal-hu!!, jawollja. Mach das Zeug gefälligst aus Tee, aus Zimttee oder was, aber dalli! Sieben Sex-on-the-beach aus Zimttee und Pfeffer für mich, sofort!, und drei Kartons mit diesen Waffenröllchen!

    Ober. S-sehr wohl, der Herr. Jetzt immer ohne Alkohol, der Herr. Wir hatten noch nie Alkohol.

    Charles (leise). Ober, könnten Sie einen Hilfskellner gebrauchen? Sofern Ihnen das bekannt ist. Ich könnte jetzt Hilfskellner sein, denn Sie haben zu viel zu tun.

    Ober. Aber mein Herr -?

    Charles. Bitte. – Ich bezahle dafür

    (beide ab)

    Vater Übüh. Ich habe Durst!, Durst ist heilig wie das Köpfen!, und Zerreißen und so viel Suuudel und Popolitik machen verdammt durstig. Ihr habt alle verdammten Durst nach der Heiligkeit!, diesen verdammten Durst!, Aal-hu!!, Aal-hu!, jawollja. Ich bin doch wie ein Vater für euch!, trinkt auf meine Rechnung, ich hab doch die Wahlen gewonnen und bin hübsch im Fernsehen, einer hat es gesagt!

    Klaus-Dieter. Ich hab das gesagt, Vater Übüh. Ihre Party ist schon heilig, das muss man doch mal sagen dürfen. Sagen Sie, haben Sie auch was mit den Juden vor?, ich hab das gesehen im Fernsehen, aber über Juden haben die nicht so richtig was gesagt im Fernsehen. Hm?

    Vater Übüh. Ja wer bist denn du Schreiße?!

    Klaus-Dieter. Ich bin der Klaus-Dieter, und Sie haben die Wahlen gewonnen, Vater Übüh!, ähem, Aal-hu!!, Aal-hu!! Haben Sie noch einen Posten frei? Ich kann Programme schreiben oder ’nen Computer reparieren für Sie, mit Heiligkeit und so, und Sie machen was gegen die Juden?, also das find ich knorke. Muss doch mal gesagt werden hier.

    Vater Übüh. Juden?! Ah duuu bist goldrichtig, Knause. Klaus-Dieter. Komm mal mit, komm zu uns!, ich zeig dir die Heiligkeit und wie schreißgeil das ist, mit mir die Wahlen zu gewinnen und so. Und gegen die verdammten Juden geht immer was. Wo bleibt denn der Sex-on-the-beach so lang!!

    (Der Ober und Charles mischen hinten hektisch Cocktails)

    Der Henker. Herr Übüh-. Vater Übüh.

    Vater Übüh. Dich kenn ich doch?, ’ne unbekannte Größe. Was ist mit dir, du Henker? – Einsam?

    Der Henker. Ja.

    Charles (schleppt mit dem Ober Cocktails heran). Er hat keine Grammatik des Gehenktwerdens, der Herr. Pardon.

    Vater Übüh. Dann zeig mir mal was du kannst, Henker.

    Der Henker (packt vorsichtig Emilie). Verzeihen Sie, Frau Emilie, wegen Emil. Ich muss das Entsetzliche tun, sonst bin ich nicht wirklich, und das geht nicht mehr.

    Emilie. – Damals!!, ich habe Emil geliiiebt damals, und was ist aus ihm geworden? Was ist aus mir geworden?

    Der Henker. Es tut mir Leid. Denken Sie nicht mehr dran.
    (schlägt zu)

    Vater Übüh. Aal-hu!!, Aal-hu!!, bravo bravo, du Henker, mein Henker!!, los, alles hier auf die Knie!, auf die Knieee sag ich!!, Stirn auf den Boden!, Aal-hu!!, Aal-hu!!, jawollja. Aal-hu!!, Aal-hu!!, jawollja. Aal-hu!!, Aal-hu!, Aal-hu!!, Aal-hu!!, Aal-hu!!, Aal-hu!!, jawolljaaaaa

    (Jubel)

    Vater Übüh. Heilig haltet den Tod und die Wahrheit, wie es geschrieben stehet. Heilig!! Oh Tod!
    (stürzt Cocktails hinunter. Sein Gefolge stürzt auch Cocktails hinunter.)
    Einen kühlen Schluck jetzt! Los ihr Ober da hinten, Cognac ooohne Al-, Al-, Alkohol!, ’nen kühlen Schluck für alle auf meine Rechnung!, aber sofort!

    Charles (von hinten, Cognac eingießend). Hierbei finde ich es am Entsetzlichsten, dass der Wunsch nach einem kühlen Schluck dann übergeht in eine Bestellung von Cognac.

    Vater Übüh (packt Estelle und zerreißt sie).
    Die war keine von uns! Die war eine Ungläubige! Das seh ich doch sofort. Wie wir es da draußen machen, so machen wir es überall! Aal-hu!!, Aal-hu!! Die ist jetzt für die Aale in den Wassern, wenn wir heilig beten und heilig fasten, auf dass sie sich schlängeln und sich mästen, wie es geschrieben stehet. Geil.
    (stürzt Cognac hinunter. Alle stürzen Cognac hinunter. Charles hinten bedeckt sich das Gesicht.)

    Vater Übüh. Wir haben nun gesudelt und Popolitik gemacht, jeder darf mal!, und ich hab doch die Wahlen gewonnen! Und ihr tragt mich auf Händen! Vater Übüh frisst seine Kinder nicht. Ich bin doch wie ein Vater zu euch. Ich ernenne euch alle zu meinen Chef-Händenträgern, was sag ich, zu meinen Chef-Ober-Masseusinnen!, Aber wenn ihr mich kitzelt, zerreiße ich euch.
    (greift sich an die Brust)

    Klaus-Dieter (nickt). Die Ungläubigen, und die Juden.

    Der Henker. Warum ziehen Sie sich nicht dieses ondulierte gebügelte schäbige Kostüm aus? Sie Mitläufer.

    Klaus-Dieter. Ich soll mich ausziehen? Gefall ich Ihnen?

    Charles (Cognac servierend, leise zu sich). Entsetzlich.
    (zu Klaus-Dieter.) Nennen Sie es Eigenschaften, Klaus-Dieter. Ich selbst habe keine Eigenschaften, also weiß ich leider, was Eigenschaften sind. Sie selber haben Eigenschaften, Sie können also nicht wissen, was Eigenschaften sind. So wie ich nicht wissen kann, welche Eigenschaften der Bahnhof oder der Kirchturm oder der Henker haben. Sie verstehen?

    Klaus-Dieter. Ab und zu muss halt einer dran glauben.

    Der Henker. Ich habe meine Aufgabe. Ich wollte immer meinen Sinn!, das ist er, und so wird es jetzt weitergehen. Das ist Glauben, das muss er sein. – Schließlich rinnt Cognac unten einfach raus, wenn so ein Kopf abgeschlagen ist. Sie können reinschütten was Sie wollen, der Blumentopf ist unten ab. Aber Sie sind ein verdammter Mitläufer, Sie Konvertit.

    Klaus-Dieter. Was verdient man da so, wenn man in Blumentöpfen macht?

    Charles (leise zu sich). Dieser läuft vor seinem Cognac davon, obwohl er ihn trinkt.

    (Vater Übus Gefolge greift sich an die Brust, trinkt, greift sich an die Brust.)

    Ober (dezent). Pardon, meine Herrschaften. Wünschen Sie noch etwas musikalische Untermalung? Es wäre eine Ehre für unsere Kapelle und natürlich für die Direktion, Sie mit einem Chor von Bach unterhalten zu dürfen.

    Der Henker. Können die den Choral „Hasse oh hasse mich recht, feindlich’s Geschlecht?“
    (greift sich schmerzverzerrt an die Brust, fällt um, steht auf, greift sich Klaus-Dieter.)
    Vater Übüh, das tue ich für Sie.

    Klaus-Dieter. Nein, ich will hier sitzen und zusehen! Bleiben Sie doch cool!

    Der Henker. Tja mein Klaus-Dieterli, so cool wie Sie war ich noch nie.
    (schlägt zu. Fällt wieder um, windet sich. Vater Übüh und sein Gefolge fallen um, winden sich, röcheln.)

    Ober. Aber Sie sind doch Vater, Herr Übüh!

    Vater Übüh. Aber zu dir bin ich doch auch wie ein Vater, und ich hab die Wahlen gewonnen!, und denk doch an all das Heilige!! Aal-hu!! Aal-hu!!

    (Vater Übüh und Gefolge winden sich und sterben. Der Ober rennt weg. Charles beugt sich über den Henker.)

    Der Henker (sterbend). Ich werde Ihnen sagen, wie es jetzt weitergeht. Erst wird der Vorhang fallen. Und dann werden Sie alle gehenkt. Das verstehen Sie doch?, das ist der Sinn vom Ganzen hier. Seien Sie nicht traurig.

    Charles. Ja -. Soviel glaube ich zu wissen: Wenn der Vorhang fällt, sind wir alle nicht mehr da.

    – Vorhang –

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  20. Die Widmung haut mich schon um. Ça commence bien!
    Toda.

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  21. Wie merkwürdig, am Schreibprozess beteiligt zu sein! Wenn deine Bemerkungen den Lauf der Dinge beeinflussen. Normalerweise kommt der Leser immer zu spät. Wenn das Buch fertig gedruckt ist, wenn der Autor tot ist. „Zu welchen Gedanken und Empfindungen veranlasst Sie der Faust-Prolog im Himmel? Wie beurteilen Sie Jaakows Auftritt bei seinem halblinden Vater?“ Egal, wie du’s anpackst: Nicht einen Komma im Text wirst du damit verrücken.
    Aber hier: Das Telefon klingelt, Zeitungen liegen aus, die handelnden Personen greifen deine Vorschläge auf!

    Diese kleinen Änderungen im Text geben dem ersten Akt Richtung und Ziel. Er strebt jetzt, wie er soll, auf den zweiten Akt zu.
    Es ist wie im realen Leben: Wenn einzelne Episoden nachträglich, im Gedächtnis erst, bedeutsam erscheinen. Deutungsarbeit? Deutungserfindung? Klar. Man konstruiert die Vergangenheit so, dass Alles auf die Gegenwart hinzulaufen scheint. Das momentan Gleichgültige bekommt jetzt einen Sinn.
    Aber anders als das Gedächtnis, das erst im Nachhinein willkürlich genug Zeichen setzt, setzt der Autor die gewünschten Zeichen sofort, von dem ihm bekannten Ende aus. Jetzt hört man bereits im ersten Akt, oft und allerseits, von den Wahlen und den Morden da draußen, die den zweiten Akt bestimmen werden.

    Kommen die Wahlen und die Morde jetzt zu oft zur Sprache? Ist es des Guten zu viel? Fast scheint es so, weil man bei der Letztfassung nach Hinweisen auf das Geschehen außerhalb der Bar sucht. Die will man ja sehen. Also blinken Einem die Hinweis-Sätze und -Satzteile wie Neonlicht entgegen. Aber so werden sie nicht auf den „naiven“ Leser/Zuschauer wirken. Wie ist man schon als eingeweihter Leser verunsichert! Wie muss es erst dem Autor ergehen!

    Aurore, kannst Du diesen Punkt doch noch prüfen? Das kann, glaube ich, RC nicht mehr. Ich möchte, dass der erste Akt ebenso groß gerät wie der zweite. Der ist nämlich erste Sahne.

    Schön dass Charles der Erste ist, der von den Morden da draußen spricht. Dazu passt, dass er sich später als Einziger widersetzen wird. Und Estelle schlägt gleich das Selbstmord- oder Giftmotiv an: „Es geht tief hinunter“. Ausgezeichnet!

    Was ich wegen der Auslassungspünktchen in der Erstfassung nicht mitgekriegt hatte: Emil sitzt mit den Beiden an einem Tisch. Charles und Estelle ignorieren sein seltsames Tun. Wohl aus Takt? Doch Charles bestellt für ihn mit. Drei Running Spliffs. Charles‘ Bild kriegt immer schärfere Konturen.

    Dass das „Aal“ in „Aal-hu!“ das „Heil“ des Anderen klanglich aufnimmt, ist ein Treffer, kein Zufall. Well done, wie Aristoteles zu sagen pflegte.

    Schkojach, Ari! Großartiges Stück in der Tat. Danke für das Vergnügen und überhaupt!

    Gut Schabbes und schönes Wochende! 🙂

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    • PS. Wir schaffen noch die 400-Kommentar-Grenze, die Art-Vandelay-Grenze.

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    • Jaaa, „am Schreibprozess beteiligt zu sein!“, justement dieses ist das hier, ma chère, und das hatte ich selber bislang auch noch nie. Schehechejanu.

      Als Autor sitzt, hockt oder lungert man da und ergießt oder ertröpfelt sich in seinen Text, oder man macht sich unterwegs Gedanken, woraufhin die Welt auf einen Fokuspunkt zusammenschnurrt, der möglichst alles enthalten soll, nur kein menschliches Gegenüber.
      Schreiben unmöglich, wenn einem jemand über die Schulter sieht. Oder wenn nur jemand mit im Raum ist (Cafés merkwürdigerweise ausgenommen, wohl wegen der Tradition).
      So ist man als Autor allein und alleiner und am Alleinsten, ob man nun will oder nicht.

      Das war nur hier anders 🙂 , hier laset Ihr mit, wusstet was, wusstet mehr und habt mir die neu beschriebenen Blätter aus der Hand gerissen. Worauf ich dann neue vollschrieb, worüber Ihr was gesagt hattet.

      Und Du, Schum, hast trefflich und treffend analysiert und wusstest sofort über die Personen und Zusammenhänge, und Aurorula hat einen Einblick nach dem anderen gehabt, ja für mich war das ideal, ich hatte da ja mehr Glück als Verstand, und dem Stück hat’s sehr gutgetan.

      – Die Auslassungspünktchen, ja, da hatte ich die Regieanweisung hier ausgelassen, weil darin einer erwähnt wurde, der im hiesigen Dialog-Ausriss nicht vorkam. Der Dialog erschien mir gelungen, der andere (Charles und Estelle) auch, der Rest erschien mir kaum zu retten.
      Wenn hier nicht eins zum Anderen gekommen wär 🙂

      A guttn Sonntagsschabbes, allerseits 😀

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      • Gut Schabbes / schönes Wochenende 😀

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      • Zu den nun zahlreichen Hinweisen auf die Wahlen und die Morde: Am Besten ich lasse den Text jetzt eine Woche liegen und lese ihn dann wieder frisch. Vielleicht ändert sich der Eindruck.
        Nur dass ich das nicht kann: Ich nehme mir morgen den ersten Akt noch mal vor, und nenne die Stellen, die mir jetzt überfrachtet scheinen. D’accord?
        Vielleicht ändert sich auch der Eindruck.

        Eine kleine Sache noch: Der Ober nennt den Wahlsieger noch Huibuh, während Charles den neuen Namen gebraucht. Absicht? Weil Charles sich auf dem Laufenden hält, der Ober nicht? Verwunderlich andererseits, dass gerade Charles den für den Tyrannen günstigeren Namen aufgreift, statt auf Huibuh zu bestehen. Nannten Napoleons Gegner den Kaiser nicht bis zum Schluss „Buonaparte“? Charles macht sonst keinen Hehl aus seiner Gegnerschaft. Spricht er nicht von den verlorenen Wahlen? Verloren für wen? Nicht für Vater Übü.

        Bin ich jeckischer als die Jeckes?

        Ja, a guttn Sonntagsschabbes allerseits!

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        • … der Ober weiß nicht, was Huibuh ist, er macht einen unfreiwilligen Witz. Charles hat sich ja am Bahnhof verborgen, und ihn beschäftigen die Wahlen und die Morde sehr, wahrscheinlich hat er draußen den Vater Übüh agieren sehen.
          Klaus-Dieter erhofft sich wegen der Wahlen (er erwähnt sie), dass mal richtig was passiert.
          Estelle deutet nur an, dass sie wohl draußen etwas gesehen hat – als sie die Giftflasche zückt.

          Ja, es werden oft die Morde usf. erwähnt – als ich das Schtick zuletzt las (hab’s heut nicht nein kaum gelesen!, zuviel, ich krieg dann Kopfdrehen und muss es etwas liegenlassen 🙂 ) haben diese Erwähnungen die Dialoge und Stichworte plötzlich angeschoben und ihnen mehr Sinn gegeben, etwas Reales (so erschien mir das) in Richtung des zweiten Akts, wenn der Reale reinkommt und vom Köpfen schwärmt.

          Lass es uns am Besten nochmal frisch lesen mit bissele Abstand, vielleicht am Sonntag neben der Ostmauer, aber nur mit ohne Cocktails 🙂 , ja?

          *zzz*

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        • *lallt im schabbesdikn Halbschlafe*

          Der Buurmannsche müsste nu irgend vom Schnürboden auftauchen und eppes sugn, so als der Heros ex Machina 😀 , der wär der frischeste Leser überhaupt, der bloß weiß, men hot geskribent a schtickl, in dem’s wohl hoch hergeht.

          *summt*
          Huibuhrmann, Übühmann!, Buhmann, Mann aller Buurs, mach eppes

          A guttn schlojf, ma très chère.

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        • … der Buurmann lässt sich seit zehn Tagen Zeit, muss da wohl Geduld haben 🙂 , ich kann ja nu auch nicht mehr als ihm siebenmal zu mehlen, und er hatte gestern selber diese Riesenaufführung.

          *summt*
          Buurmann, Buuuurmann, komm hier zur Kur, Mann

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        • P.S.

          Beim Zerreißen der totalobsoleten Urversion von 1990 hab ich grad ’nen Zettel gefunden, einen recht großen mit noch größerer Schrift drauf, so markant, dass das Entziffern sehr, sehr schwierig wurde 😀 , den hat mir anno 1990 ein Großliterat geschrieben, der sich selber so sah, nämlich als schwer entzifferbaren Großdings.
          Er hat NICHTS begriffen, hat vor Allem die ziellose Dramaturgie nicht gesehen, die hat ihn nicht interessiert – er hat dafür die Figuren madig gemacht.
          Dabei taugten grad die Figuren was, sogar in der Urversion, obwohl sie nur Existenzielles vor sich hinredeten, wodurch das Ganze nicht zum Punkt kam.

          Der Großdings schrieb mir dieses:

          „Ich glaube, ich habe die Menschen verstanden, von denen das Stück handelt. Sie sind alle upper class & high society, ihre Probleme sind nicht meine, und ich bin nicht das richtige Publikum. Ich sehe das Farcehafte ihrer beständigen Konversation, sie reden aus Hilflosigkeit, weil sie alles Existenzielle verdrängt haben, es holt sie erst im allerletzten Augenblick ein, dumpf & demaskierend: Kein Gedanke, daß Andere dies Existenzielle ein Leben lang ertragen, sie kennen es gar nicht mehr, es ist hypothetisch, small talk & beim drink, etc.“

          Das Existenzielle. Naturgemäß lebte er selbst im Existenziellen fortwährend, ja musste es ertragen. Also schrieb er’s hin. Und er war allergisch gegen Verdrängung, weil er selbst ja nischt verdrong, und er hatte vor Allem was gegen diese amerikanisierten Seinsweisen, die er edel klein schrieb, so authentisch.
          So kann Kritik leider auch gehen – voll daneben, nichts draus zu lernen, nichts davon zu beherzigen.

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        • * summt nochmal *

          Bubu, huhu, Buur!, Duu nuur, Duu nuur

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        • Zu den mir unbekannten Figuren der Urversion kann ich naturgemäß nichts sagen, doch sieht’s so aus, als würde der Großdings über den eigenen Brief urteilen: „dumpf & demaskierend“. Ach ja! Und upper class & high society-Geschreibsel ist das auch.

          PS. Man sagt nicht „Duu“, man sagt „dodo“.
          Bonne nuit! Je t’embrasse.

          Schönen Sonntag, Aurorula! Schlaf auch Du gut!

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        • P.S.S. zur guten N8cht

          Ich zitiere mal den Buurmann, denn er schrub mir tatsächlichement jetzt um 02:07!, ah, er ist nicht in der Antarktis oder verschollen, und ich zitier ihn mal auf Gut Glück, nein in vollem Wissen und Gewissen, denn nur der Chef vom Dienst von Radio Köln will nicht zitiert werden (so schrieb der Buurmann nämlich vorhin, aber er schrieb es noch aus der Antarktis in sein Blog, wohingegen er um 02:07 aus selbiger zurückgekehrt war, nein ist!, immer noch!, um mir dieses zu schreiben, ja zitiert sei er nun:

          „Ich lese es, sobald Zeit da iSt.

          Danke!!!!!

          Von meinem iPhone gesendet“

          Es. Es geht um es und nicht um sie, also nicht um die Antarktis. Das ist guuut.
          🙂

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  22. Stichwort: Morde, Wahlen

    In dem ersten Dialog Charles-Estelle aus Letztfassung B kommt „Morde“ 7 Mal vor, „Wahlen“ 7 Mal, „wählen“ 1 Mal und „Übü“ 2 Mal.
    Das sind schon keine Hinweise auf das Kommende, das ist Propaganda. 
    Und hier geht es nicht nur um Quantität. Die Hinweise auf die Morde und die Wahlen unterbrechen da und dort eine Erzähllinie, vergröbern die Aussage, schwächen eine Wirkung ab. So will mir zumindest scheinen. Schau:

    1) … und vorgestern traf ich einen – nein, ich habe jemanden getroffen, es war keine Frau, aber einen Mann konnte man ihn auch nicht nennen. Wir sprachen nicht über die Morde und nicht über die Wahlen, sondern über Hohlhippen…

    Das ist der allererste Hinweis und der ist goldrichtig. Aber dann.

    2) Sagt Charles etwas weiter:
    Wissen Sie, diese Hohlhippen scheinen hier ein abendfüllendes Thema zu sein, hier und woanders, aber nicht diese Morde … denn schon vorgestern habe ich mich darüber woanders unterhalten, mit keinem Mann oder vielleicht einer Frau, und heute wieder.

    Mit dem Ausdruck „kein Mann oder vielleicht eine Frau“ meint Charles dieselbe Person, die er zuvor als „keine Frau, aber einen Mann konnte man ihn auch nicht nennen“ umschrieben hat, ja? In diesem Fall widerspricht er sich: Oben heißt es, er habe mit ihr über die Morde nicht gesprochen, jetzt heißt es, er habe mit ihr über die Morde ja gesprochen.
    Hier würde ich auf den erneuten Hinweis verzichten und allein auf die Suggestivkraft der wunderbaren Hohlhippen setzen.

    3) Ostmauern sind während solcher Gespräche ziemlich wichtig, vielleicht um diese Morde da draußen zu begreifen?

    Bist Du sicher, dass die Mord-Erwähnung an dieser Stelle unverzichtbar ist? Weil die Ostmauern sonst unwichtig wären? In der ersten Fassung hat man Charles auch ohne Mordzusatz verstanden.

    4) An anderer Stelle heißt es:
    Wenn so Dünnes geschieht, fühlt man sich leicht so außerhalb. Trotz dieser – Morde draußen, oder wohl deshalb.

    Hier dürfte Erstfassung A die bessere sein. (Werde nachher für diesen Dialog eine Fassung C vorschlagen, die von A und B, so hoffe ich, die Crème nimmt. Mit weniger Hinweisen auf Morde und Wahlen. Naturgemäß.)

    5) Können Sie sich vorstellen, was das ist: Kein Herr Übüh, nein, keine Hohlhippen? Ich auch nicht, es war vorgestern, vielleicht deshalb nicht, wegen dieser Morde und dieser Wahlen. Keine Hohlhippen bedeutet zum Beispiel nicht etwas Anderes als Hohlhippen, das wäre zu wenig präzise.

    Mit dem Hinweis auf Übü, Morde und Wahlen zerstört man die Wirkung der Hohlhippen ganz. In dieser längeren Passage sind nämlich die Hohlhippen das Hauptthema. Warum sollten sie nicht das einzige Thema bleiben?

    6) Es war ungefähr hinter der Ostmauer des Kirchturms oder des Bahnhofs, wo man diese Wahlen beobachten konnte

    Gut und willkommen. Doch heißt es etwas weiter unten:

    7) Können Sie sich vorstellen, es wären nicht diese – – Wahlen gewesen, oder Sie wären Sonntagnachmittags neben dem Bahnhof und nichts würde heißen oder rauschen?

    Jetzt gehen die Sonntagnachmittage, der Bahnhof, das Heißen oder das Rauschen futsch. Das Poetische wird einem überzähligen Hinweis geopfert.

    8) Übrigens gibt es zum Glück die Samstage. Wenn man sich nicht am Bahnhof verbergen muss – wegen dieser Morde.

    Kann man die Morde hier nicht auslassen?

    9) Samstags sind solche Gespräche weniger bedrückend, auch ganz ohne diese Morde, besonders, falls man zum Beispiel den Eisschrank dabei öffnet.

    Jetzt haben diese verfluchten Morde die Samstage und den Eisschrank auch noch ruiniert.

    Schau, wie viel man sparen kann! Und es bleibt im ersten Akt noch genug davon übrig. Allein der Ober kommt zwei Mal damit, und zwar sehr schön: „Auch wegen der Wahlen!“ (daher Nicht-Hohlhippen gratis) und ebenso willkommen: „Und jener Herr wird hier erwartet. Der die Wahlen gewonnen hat!, welch eine freudige Ankündigung, dass doch noch einmal gewählt worden ist!, pardon, nur Ihnen gesagt“.
    Der Kellner ist in seiner Rolle, das flutscht ganz natürlich. Seine Wörter machen keinen anderen Wörtern Konkurrenz.
    Dann wird es noch ein Telefongespräch geben, den schriftlichen Hinweis auf ausgelegten Zeitungen, dazu weitere Bemerkungen. Wahrlich genug, um diesem ersten Akt den gesuchten drive zu geben.
    Was meinst Du?

    Was schreibst Du über Charles in einem Kommentar?
    „Also, Charles hat plötzlich diese Idee, von allein, ohne Anregung. Er setzt plötzlich für sich die Dinge zusammen und weiß, was er zu tun hat. Damit wird er wirklich – zuvor war er unwirklich.“
    Die gehäuften Hinweise auf das übüeske Zeug da draußen beeinträchtigen den Eindruck der Unwirklichkeit. Noch ein Grund, hier sparsam zu sein. Der in der Erstfassung gekonnt gezeichnete Kontrast zwischen Charles vorher und Charles nachher muss bleiben. Im zweiten Akt dürfte der Held im Prinip nicht mehr Quoidonc heißen, sondern Commentdonc. (comment donc! abér!) 

    Ausgezeichnet dafür die Selbstvorstellung des Henkers in der Szene danach:
    Nein, ich irre mich nicht, ich henke. Und ich habe überhaupt nichts mit dem da draußen zu tun. Ich henke als Henker.

    Kuss drauf!
    So was Feines aber auch! Nein, nicht dass er henkt, sondern dass er neben dem hier selbstverständlichen Hinweis auf die Morderei da draußen, auch die unlautere Konkurrenz anspricht. Mehr noch: Was er sagt ist, dass kein Mensch außer ihm das Recht hat, den Mitmenschen zu morden. Tatsächlich würde die Welt schon anders aussehen, wenn man das Morden den bestallten Scharfrichtern überlassen würde, nicht? So viele sind es nicht, oder?

    Überhaupt will ich Charles‘ Erzählung von seiner Begegnung mit dem sitzenden Henker noch einmal mit ruhigem Kopf (auf den Schultern) durchlesen. Ist es nicht so, dass Charles davon ausgeht, dass jeder Staat seine(n) Henker hat, verborgen oder offiziell? Eine starke, desillusionierte Aussage. Unser Freund ist kein Weltverbesserer, aber er findet, dass das Tier Mensch ins Gehege gehört.
    Als Realist begegnet er dem selbstständig arbeitenden Henker zunächst auch freundlich. Vergiften tut er ihn erst, als dieser sich dem Vater Übü verdingt.

    Deine und Aurorulas Erlaubnis vorausgesetzt bringe ich jetzt hintereinander drei Fassungen des gekürzten Dialogs zwischen Charles und Estelle, zum Vergleich:
    Letztfassung B, Erstfassung A und C-Vorschlag.

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  23. Letztfassung B

    Charles. Ach was, wie unangenehm. Übrigens, mein Name ist Charles. Gestern traf ich eine Frau, sie war groß und dünn und sprach von nichts Anderem. Es war – unangenehm. Wenn so Dünnes geschieht, fühlt man sich leicht so außerhalb. Trotz dieser – Morde draußen, oder wohl deshalb. Wie soll ich es anders sagen. Nicht anders als Sie?

    (…)

    Charles. Wie gesagt, und vorgestern traf ich einen – nein, ich habe jemanden getroffen, es war keine Frau, aber einen Mann konnte man ihn auch nicht nennen. Wir sprachen nicht über die Morde und nicht über die Wahlen, sondern über Hohlhippen, besonders darüber, dass sie so heißen, wissen Sie das? Es scheint wichtig zu sein, dass sie so heißen und dass sie überhaupt heißen, vermute ich, aber genauer weiß ich es nicht. Es war ungefähr hinter der Ostmauer des Kirchturms oder des Bahnhofs, wo man diese Wahlen beobachten konnte, aber ich weiß nicht, ob dieser Bahnhof seinerseits eine Ostmauer hat. Vielleicht ist es nicht wichtig. Sie verstehen? Ostmauern sind während solcher Gespräche ziemlich wichtig, vielleicht um diese Morde da draußen zu begreifen?, und ohne dass ich übertreiben will, es geht eigentlich gar nicht ohne Ostmauern. Vor Bahnhöfen ist das etwas Anderes. Vielleicht liegt es an der Nachmittagssonne, die dann darübersteht, oder daran, dass keine da ist. Falls.
    Aber es lag nicht an der Sonne oder daran, dass Vormittag war, nein, sondern es lag an der Ostmauer. Übrigens, mein Name ist Charles, nicht Tschaarles und nicht englisch ausgesprochen, falls Sie ihn mal geschrieben sehen, aber das ist nicht wahrscheinlich, sondern Schahrl’, französisch ausgesprochen. Nicht wie Bach, der hat ein Ch. Und ich habe ein Sch und kein Tsch, nicht.
    Glauben Sie mir bitte, viele Dinge können wir uns vorstellen und viele andere wiederum nicht, so ist es eben. Können Sie sich vorstellen, es wären nicht diese – – Wahlen gewesen, oder Sie wären Sonntagnachmittags neben dem Bahnhof und nichts würde heißen oder rauschen? Nichts? – Entschuldigen Sie bitte, falls ich mit dieser Frage vielleicht etwas indiskret erscheine. In Ihren Augen etwas – etwas indiskret vielleicht, oder vielleicht indiskret. Aber da kommen unsere Hohlhippen.

    Ober. Bitte sehr die Herrschaften, und entschuldigen Sie nochmals.
    (rollt eilig drei Papierservietten zu Röhren und drapiert sie auf den Gläsern)

    Charles. Aber was soll das sein, bitte?

    Ober. Entschuldigen Sie, der Herr, aber wir haben keine Hohlhippen, wir hatten noch nie Hohlhippen, ich weiß nicht warum. Darf ich Ihnen statt dessen diese hier anbieten – auf Kosten des Hauses selbstverständlich. Auch wegen der Wahlen!

    Charles. Ich weiß nicht, warum Sie „ich weiß nicht warum“ gesagt haben, denn Sie hätten „ich weiß nicht warum nicht“ sagen können, weil Sie ja nicht wussten oder nicht wissen, warum Sie noch nie Hohlhippen haben oder hatten – was übrigens seltsam ist, denn eigentlich hat oder hatte man wahrscheinlich immer Hohlhippen, nicht?
    Aber gut, von mir aus, tun wir so, als wären es Hohlhippen, vielleicht sind es ja welche. Danke.
    (gibt ihm unauffällig ein Trinkgeld)

    Estelle (zum Ober). Wie ist Ihr Name? Bitte sagen Sie ihn lieber nicht.

    Ober. Aber selbstverständlich, Madame -. Und jener Herr wird hier erwartet. Der die Wahlen gewonnen hat!, welch eine freudige Ankündigung, dass doch noch einmal gewählt worden ist!, pardon, nur Ihnen gesagt. (ab)

    Charles. Wissen Sie, diese Hohlhippen scheinen hier ein abendfüllendes Thema zu sein, hier und woanders, aber nicht diese Morde oder jener Herr – jener Herr Übüh, wie er heißt, obwohl diese überall geschehen, denn schon vorgestern habe ich mich darüber woanders unterhalten, mit keinem Mann oder vielleicht einer Frau, und heute wieder. Das geschieht nicht so oft, wie man vielleicht meinen könnte. Aber eigentlich geschieht es sehr viel öfter woanders als Anderes, absolut gesehen. In meinem Eisschrank liegen jedenfalls Hohlhippen. Naturgemäß. Möchten Sie sie ansehen? Man sieht sie nicht oft.

    (…)

    Charles. Feuer? – Sonntags, wenn die Glocken läuten, öffne ich wie erwähnt meinen Eisschrank und erfreue mich, wie Freud wahrscheinlich sagen würde. Obwohl es mich nachgerade bedrückt, dass die Hohlhippen nicht schmecken, warum weiß ich nicht. Obwohl ich sie ansehe, weil ich sie kenne. Naturgemäß. Ob sie schmecken sollen? Vorgestern hat sich jemand mit mir darüber unter Anderem fast gestritten, ich glaube, es war ein Mann, obwohl ich es Ihnen nicht genau sagen kann. Wir saßen wegen dieser Wahlen neben dem Bahnhof, wissen Sie, neben dem, der so ein anderes Dach hat, man könnte meinen, wie ein Kirchturm. Wir redeten über Hohlhippen und keine Hohlhippen, unter Anderem.
    Können Sie sich vorstellen, was das ist: Kein Herr Übüh, nein, keine Hohlhippen? Ich auch nicht, es war vorgestern, vielleicht deshalb nicht, wegen dieser Morde und dieser Wahlen. Keine Hohlhippen bedeutet zum Beispiel nicht etwas Anderes als Hohlhippen, das wäre zu wenig präzise. Sondern es ist, als wenn man nichts Anderes kennt als solche. Darin ist sich übrigens Folgendes gleich – unterbrechen Sie mich bitte, falls das nicht stimmt, ja? Also stellen Sie sich Keine Hohlhippen vor, nein nicht keine Hohlhippen, sondern: Keine Hohlhippen. Ich habe es nicht geschafft. Die Vorstellung ist zu bedrückend. Zumal es natürlich keine Vorstellung ist, sondern etwas, das man zu genau kennt. Warum unterbrechen Sie mich nicht?, denn das stimmt ja Alles nicht. Übrigens gibt es zum Glück die Samstage. Wenn man sich nicht am Bahnhof verbergen muss – wegen dieser Morde. Nicht? Und wichtig ist es auch, dass es – dass sie nicht schmecken. Nicht?

    (…)

    Charles. Samstags sind solche Gespräche weniger bedrückend, auch ganz ohne diese Morde, besonders, falls man zum Beispiel den Eisschrank dabei öffnet. Ich habe Sie schon gefragt, ob Sie ihn sich ansehen werden. Möchten Sie?

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  24. Erstfassung A

    Charles. Ach was, wie unangenehm. Übrigens, mein Name ist Charles. Gestern traf ich eine Frau, sie war groß und dünn und sprach von nichts Anderem. Es war – unangenehm. Wenn so Dünnes geschieht, fühlt man sich leicht so außerhalb. Wie soll ich es anders sagen. Nicht anders als Sie?

    (…)

    Charles. Wie gesagt, und vorgestern traf ich einen – nein, ich habe jemanden getroffen, es war keine Frau, aber einen Mann konnte man ihn auch nicht nennen. Wir sprachen über Hohlhippen, besonders darüber, dass die so heißen, wissen Sie das? Es scheint wichtig zu sein, dass sie so heißen und dass sie überhaupt heißen, glaube ich, aber genau weiß ich es nicht. Es war ungefähr hinter der Ostmauer des Kirchturms oder des Bahnhofs, aber ich weiß nicht, ob dieser seinerseits eine Ostmauer hat. Vielleicht ist es nicht wichtig. Sie verstehen? Ostmauern sind während solcher Gespräche ziemlich wichtig, und ohne dass ich übertreiben will, es geht eigentlich gar nicht ohne Ostmauern. Vor Bahnhöfen ist das etwas Anderes. Vielleicht liegt es an der Nachmittagssonne, die dann darübersteht, oder daran, dass keine da ist. Falls.
    Aber es lag nicht an der Sonne oder daran, dass Vormittag war, nein, sondern es lag an der Ostmauer. Übrigens, mein Name ist Charles, nicht Tschaarles und nicht englisch ausgesprochen, falls Sie ihn mal geschrieben sehen, aber das ist nicht wahrscheinlich, sondern Schahrl’, französisch ausgesprochen. Nicht wie Bach, der hat ein Ch. Und ich habe ein Sch und kein Tsch, nicht.
    Glauben Sie mir bitte, viele Dinge können wir uns vorstellen und viele andere wiederum nicht, so ist es eben. Können Sie sich vorstellen, Sie wären Sonntagnachmittags neben dem Bahnhof und nichts würde heißen oder rauschen? Nichts? – Entschuldigen Sie bitte, falls ich mit dieser Frage vielleicht etwas indiskret erscheine. In Ihren Augen etwas – etwas indiskret vielleicht, oder vielleicht indiskret. Aber da kommen unsere Hohlhippen.

    Ober. Bitte sehr die Herrschaften, und entschuldigen Sie nochmals.
    (Er rollt eilig drei Papierservietten zu Röhren und drapiert sie auf den Gläsern)

    Charles. Aber was soll das sein, bitte?

    Ober. Entschuldigen Sie, der Herr, aber wir haben keine Hohlhippen, wir hatten noch nie Hohlhippen, ich weiß nicht warum. Darf ich Ihnen statt dessen diese hier anbieten – auf Kosten des Hauses selbstverständlich.

    Charles. Ich weiß nicht, warum Sie „ich weiß nicht warum“ gesagt haben, denn Sie hätten „ich weiß nicht warum nicht“ sagen können, weil Sie ja nicht wussten oder nicht wissen, warum Sie noch nie Hohlhippen haben oder hatten – was übrigens seltsam ist, denn eigentlich hat oder hatte man wahrscheinlich immer Hohlhippen, nicht?
    Aber gut, von mir aus, tun wir so, als wären es Hohlhippen, vielleicht sind es ja welche. Danke.
    (gibt ihm unauffällig ein Trinkgeld)

    Estelle (zum Ober). Wie ist Ihr Name? Bitte sagen Sie ihn lieber nicht.

    Ober. Aber selbstverständlich, Madame -. (ab)

    Charles. Wissen Sie, diese Hohlhippen scheinen hier ein abendfüllendes Thema zu sein, hier und woanders, denn schon vorgestern habe ich mich darüber woanders unterhalten, mit keinem Mann oder vielleicht einer Frau, und heute wieder. Das geschieht nicht so oft, wie man vielleicht meinen könnte. Aber eigentlich geschieht es sehr viel öfter woanders als Anderes, absolut gesehen. In meinem Eisschrank liegen jedenfalls Hohlhippen. Natürlich. Möchten Sie sie ansehen? Man sieht sie nicht oft.

    (…)

    Charles. Feuer? – Sonntags, wenn die Glocken läuten, öffne ich wie erwähnt meinen Eisschrank und erfreue mich, wie Freud wahrscheinlich sagen würde. Obwohl es mich bedrückt, dass die Hohlhippen nicht schmecken, warum weiß ich nicht. Obwohl ich sie ansehe, weil ich sie kenne. Ob sie schmecken sollen? Vorgestern hat sich jemand mit mir darüber unter Anderem fast gestritten, ich glaube, es war ein Mann, obwohl ich es Ihnen nicht genau sagen kann. Wir saßen neben dem Bahnhof, wissen Sie, neben dem, der so ein anderes Dach hat, man könnte meinen, wie ein Kirchturm. Wir redeten über Hohlhippen und keine Hohlhippen, unter Anderem.
    Können Sie sich vorstellen, was das ist: Keine Hohlhippen? Ich auch nicht, es war vorgestern, vielleicht deshalb nicht. Keine Hohlhippen bedeutet zum Beispiel nicht etwas Anderes als Hohlhippen, das wäre zu wenig präzise. Sondern es ist, als wenn man nichts Anderes kennt als solche. Darin ist sich übrigens Folgendes gleich – unterbrechen Sie mich bitte, falls das nicht stimmt, ja? Also stellen Sie sich Keine Hohlhippen vor, nein nicht keine Hohlhippen, sondern: Keine Hohlhippen. Ich habe es nicht geschafft. Die Vorstellung ist zu bedrückend. Zumal es natürlich keine Vorstellung ist, sondern etwas, das man zu genau kennt. Warum unterbrechen Sie mich nicht?, denn das stimmt ja Alles nicht. Übrigens gibt es zum Glück die Samstage. Nicht? Und wichtig ist es auch, dass es – dass sie nicht schmecken. Nicht?

    (…)

    Charles. Samstags sind solche Gespräche weniger bedrückend, besonders, falls man zum Beispiel den Eisschrank dabei öffnet. Ich habe Sie schon gefragt, ob Sie ihn sich ansehen werden. Möchten Sie?

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  25. C-Vorschlag

    Charles. Ach was, wie unangenehm. Übrigens, mein Name ist Charles. Gestern traf ich eine Frau, sie war groß und dünn und sprach von nichts Anderem. Es war – unangenehm. Wenn so Dünnes geschieht, fühlt man sich leicht so außerhalb. Wie soll ich es anders sagen. Nicht anders als Sie?

    (…)

    Charles. Wie gesagt, und vorgestern traf ich einen – nein, ich habe jemanden getroffen, es war keine Frau, aber einen Mann konnte man ihn auch nicht nennen. Wir sprachen nicht über die Morde und nicht über die Wahlen, sondern über Hohlhippen, besonders darüber, dass sie so heißen, wissen Sie das? Es scheint wichtig zu sein, dass sie so heißen und dass sie überhaupt heißen, glaube ich, aber genau weiß ich es nicht. Es war ungefähr hinter der Ostmauer des Kirchturms oder des Bahnhofs, aber ich weiß nicht, ob dieser seinerseits eine Ostmauer hat. Vielleicht ist es nicht wichtig. Sie verstehen? Ostmauern sind während solcher Gespräche ziemlich wichtig, und ohne dass ich übertreiben will, es geht eigentlich gar nicht ohne Ostmauern. Vor Bahnhöfen ist das etwas Anderes. Vielleicht liegt es an der Nachmittagssonne, die dann darübersteht, oder daran, dass keine da ist. Falls.
    Aber es lag nicht an der Sonne oder daran, dass Vormittag war, nein, sondern es lag an der Ostmauer. Übrigens, mein Name ist Charles, nicht Tschaarles und nicht englisch ausgesprochen, falls Sie ihn mal geschrieben sehen, aber das ist nicht wahrscheinlich, sondern Schahrl’, französisch ausgesprochen. Nicht wie Bach, der hat ein Ch. Und ich habe ein Sch und kein Tsch, nicht.
    Glauben Sie mir bitte, viele Dinge können wir uns vorstellen und viele andere wiederum nicht, so ist es eben. Können Sie sich vorstellen, Sie wären Sonntagnachmittags neben dem Bahnhof und nichts würde heißen oder rauschen? Nichts? – Entschuldigen Sie bitte, falls ich mit dieser Frage vielleicht etwas indiskret erscheine. In Ihren Augen etwas – etwas indiskret vielleicht, oder vielleicht indiskret. Aber da kommen unsere Hohlhippen.

    Ober. Bitte sehr die Herrschaften, und entschuldigen Sie nochmals.
    (rollt eilig drei Papierservietten zu Röhren und drapiert sie auf den Gläsern)

    Charles. Aber was soll das sein, bitte?

    Ober. Entschuldigen Sie, der Herr, aber wir haben keine Hohlhippen, wir hatten noch nie Hohlhippen, ich weiß nicht warum. Darf ich Ihnen statt dessen diese hier anbieten – auf Kosten des Hauses selbstverständlich. Auch wegen der Wahlen!

    Charles. Ich weiß nicht, warum Sie „ich weiß nicht warum“ gesagt haben, denn Sie hätten „ich weiß nicht warum nicht“ sagen können, weil Sie ja nicht wussten oder nicht wissen, warum Sie noch nie Hohlhippen haben oder hatten – was übrigens seltsam ist, denn eigentlich hat oder hatte man wahrscheinlich immer Hohlhippen, nicht?
    Aber gut, von mir aus, tun wir so, als wären es Hohlhippen, vielleicht sind es ja welche. Danke.
    (gibt ihm unauffällig ein Trinkgeld)

    Estelle (zum Ober). Wie ist Ihr Name? Bitte sagen Sie ihn lieber nicht.

    Ober. Aber selbstverständlich, Madame -. Und jener Herr wird hier erwartet. Der die Wahlen gewonnen hat!, welch eine freudige Ankündigung, dass doch noch einmal gewählt worden ist!, pardon, nur Ihnen gesagt. (ab)

    Charles. Wissen Sie, diese Hohlhippen scheinen hier ein abendfüllendes Thema zu sein, hier und woanders, denn schon vorgestern habe ich mich darüber woanders unterhalten, mit keinem Mann oder vielleicht einer Frau, und heute wieder. Das geschieht nicht so oft, wie man vielleicht meinen könnte. Aber eigentlich geschieht es sehr viel öfter woanders als Anderes, absolut gesehen. In meinem Eisschrank liegen jedenfalls Hohlhippen. Naturgemäß. Möchten Sie sie ansehen? Man sieht sie nicht oft.

    (…)

    Charles. Feuer? – Sonntags, wenn die Glocken läuten, öffne ich wie erwähnt meinen Eisschrank und erfreue mich, wie Freud wahrscheinlich sagen würde. Obwohl es mich nachgerade bedrückt, dass die Hohlhippen nicht schmecken, warum weiß ich nicht. Obwohl ich sie ansehe, weil ich sie kenne. Naturgemäß. Ob sie schmecken sollen? Vorgestern hat sich jemand mit mir darüber unter Anderem fast gestritten, ich glaube, es war ein Mann, obwohl ich es Ihnen nicht genau sagen kann. Wir saßen wegen dieser Wahlen neben dem Bahnhof, wissen Sie, neben dem, der so ein anderes Dach hat, man könnte meinen, wie ein Kirchturm. Wir redeten über Hohlhippen und keine Hohlhippen, unter Anderem.
    Können Sie sich vorstellen, was das ist: Keine Hohlhippen? Ich auch nicht, es war vorgestern, vielleicht deshalb nicht. Keine Hohlhippen bedeutet zum Beispiel nicht etwas Anderes als Hohlhippen, das wäre zu wenig präzise. Sondern es ist, als wenn man nichts Anderes kennt als solche. Darin ist sich übrigens Folgendes gleich – unterbrechen Sie mich bitte, falls das nicht stimmt, ja? Also stellen Sie sich Keine Hohlhippen vor, nein nicht keine Hohlhippen, sondern: Keine Hohlhippen. Ich habe es nicht geschafft. Die Vorstellung ist zu bedrückend. Zumal es natürlich keine Vorstellung ist, sondern etwas, das man zu genau kennt. Warum unterbrechen Sie mich nicht?, denn das stimmt ja Alles nicht. Übrigens gibt es zum Glück die Samstage. Nicht? Und wichtig ist es auch, dass es – dass sie nicht schmecken. Nicht?

    (…)

    Charles. Samstags sind solche Gespräche weniger bedrückend, besonders, falls man zum Beispiel den Eisschrank dabei öffnet. Ich habe Sie schon gefragt, ob Sie ihn sich ansehen werden. Möchten Sie?

    Voilà: 1 x Mord, 4 x Wahlen, 1 x gewählt

    Wenn’s zusagt, geh‘ ich weitere Passagen aus dem ersten Akt durch. (Habe nicht mechanisch gearbeitet, sondern sehr wohl das „Naturgemäß“ aus Fassung B anstelle von „Natürlich“ aus Fassung A beim Kopieren übernommen – wie überhaupt Fassung B maßgeblich ist.)

    *lehnt sich erschöpft zurück*
    Jetzt könnt‘ ich einen Running Spliff vertragen – und einen Erdnuss-Butterkeks, falls noch was da ist.

    Gute Woche!, wie Heine sagen würde; und Ben Gurion: Schawua tow!

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    • Uiuiui, großen Dank für diese immense Arbeit. Waah.
      Alles sehr überzeugend, en effet. Yep, siebenmal die Morde zu erwähnen stört mehr als nötig.

      Ich setz mich morgen (oj, schon längst heute) an Deine Kommentare und ans Schtik und streiche, streiche usf. 🙂

      A sejer gutte lajle Dir.

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      • Was mir noch auffällt, so beim nochmal-lesen und genießen:
        Der Ober kann hellsehen (oder fast), er weiß daß AbÜh reserviert, bevor die Tischreservierung kommt.
        Dort sagt er: OBER: Aber selbstverständlich, Madame -. Und jener Herr wird hier erwartet. Der die Wahlen gewonnen hat!, welch eine freudige Ankündigung, dass doch noch einmal gewählt worden ist!, pardon, nur Ihnen gesagt. (ab)
        Was eine wirklich feine Zeile ist, und an der richtigen Stelle auch. Nur die 15 Tische für Huibuh/ÜbÜh werden erst später reserviert; und dann macht auch der Ober den unfreiwilligen Witz mit der Aussprache. Vielleicht sollte lieber Charles ‚Abu‘ sagen, absichtlich, wie es Schum mit ‚Buonaparte‘ erklärt hat? Oder die Reservierung kommt anderswann (was dann mit ein Bissl Pech die Dramaturgie zerschießt)? Oder sie wird an der Stelle wo sie jetzt ist nicht aufgegeben, sondern geändert, von acht Tischen auf fünfzehn?

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        • Gut gesehen, Aurorula! Händeschütteln und Schulterklopfen.

          Ich habe Charles bzw. RC vorgeschlagen, den Namen Übü nicht erst zu erwähnen. Sollte man nicht der Einfachheit halber auf die Telefonbestellung verzichten und statt dessen den Ober melden lassen:

          OBER: Aber selbstverständlich, Madame -. Und Herr Übü wird hier erwartet. Der die Wahlen gewonnen hat!, welch eine freudige Ankündigung, dass doch noch einmal gewählt worden ist!, pardon, nur Ihnen gesagt. (ab)

          Was wollen wir den Zuschauern? Lediglich eins: dass sie von Vater Übü, den Wahlen und den Morden schon was gehört haben, bevor der zweite Akt beginnt. Na bitte! Jetzt hören sie den Namen Übü.

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        • Kann natürlich auch „unser Herr Übü“ heißen, oder „Vater Übü“ oder (übertrieben) „unser Vater Übü“. Von extatisch bis liebevoll.

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        • * eilt durch die Nacht *
          Tut mir Leid, bei mir hapert’s und klappert’s heut etwas, drum erst jetzt die späte Antwort.

          Wegen des Obers (der schon vor der Reservierung wusste, wer ihn da beehren werde) dacht‘ ich mir: Er weiß zwar nichts, aber er hat einen Riecher, wer von den Maßgeblichen in diese Bar kommen wird. Er hat davon gehört, dass le père Abus kommt, und er ist aufgeregt über jeden Prominenten, sodass er bei den Gästen damit prahlt („nur Ihnen gesagt, die Dame!“)
          Wer dieser Vater Übüh ist, interessiert ihn nicht, darum sagt er am Telefon erst Huibuh, schließlich ist der auch prominent – c’est la déformation professionelle.
          Dacht‘ ich mir so.
          Weil schlaue Ober sich so verhalten.
          – Besser doch anders?

          (Oder die Reservierung wird halt am Telefon geändert!, Aurorula, das hat was, hmmm, aber dann hat man die ursprüngliche Reservierung nicht gehört, jedoch das Telefon hängt ja da.)

          Wenn Charles Abu sagt, wird der Zuschauer verwirrt. Dann sind das zuviele Namen – mal nur Ü, mal Ü-wieauchimmer, dann Huibuh.

          – „unser Vater Übüh“. Aber ja. Das passt zu dieser Oberseele wie der Running zum Spliff. Das wird er sagen (sagt er schon).

          Euch beiden a gutte N8cht

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          • Er weiß zwar nichts, aber er hat einen Riecher, wer von den Maßgeblichen in diese Bar kommen wird. Er hat davon gehört, dass le père Abus kommt, und er ist aufgeregt über jeden Prominenten, sodass er bei den Gästen damit prahlt (“nur Ihnen gesagt, die Dame!”)
            Wer dieser Vater Übüh ist, interessiert ihn nicht, darum sagt er am Telefon erst Huibuh, schließlich ist der auch prominent – c’est la déformation professionelle.

            Auch eine Möglichkeit. Das erklärt auch, warum Charles und Estelle, die das hören, nicht darauf reagieren: sie nehmen es nicht ernst. Denn würden sie es ernsthaft erwarten daß Übüh in die Bar kommt, was wäre? Charles, der sich schon am Bahnhof verborgen hat, würde unauffällig verschwinden; Estelle sich vielleicht das Leben nehmen.

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        • Das ist ein ernster Einwand. Woran man nicht Alles denken muss! Charles und Estelle kann die Ankündigung nicht kalt lassen. Anders als Karl-Dieter und Emilie. Die Beiden sind ohnehin die besseren Nachrichtenempfänger: Ihr Umgang mit dem Ober beschränkt sich nicht auf Bestellungen, er ist ihnen auch eine Auskunftsquelle – über Bach. Darüber hinaus ist Karl-Dieter der potentieller Anhänger eines jeden Umstürzlers. Putsch – mit oder ohne Wahlen ‒, das ist ein event, das ist aufregend. Mit Übu & Co. passiert endlich was im Land. Er sucht den Kick.
          „Aber ja, Mensch. Kopf ab. Stand in der Zeitung. Letzte Woche.“ Das ist was. Klagt er kurz vor Übus Auftritt: „Wieso sitze ich immer mit Emilie irgendwo rum, wo nix passiert.“ Und dann, unmittelbar nach Emils Ermordung: „Aber jetzt? Nix passiert mehr.“ Ein Toter, das ist nix. Noch nicht geil genug. Übü, das ist Party. Die er dann mit den richtigen Worten begrüßt: „Na endlich, aber ist doch auch wieder nur ‘ne Party, oder?“

          Eine Gelegenheit übrigens, über den „homo festivus festivus“ (wie sapiens sapiens) nachzudenken, der schon aus Langeweile die Heraufkunft des Islams begrüßt. In Syrien und im Irak, da geht was ab, Mann! Der tolle Ausdruck stammt von Philippe Muray, der damit seine wert-losen Zeitgenossen beschreibt, die von event zu event jagen. Ständig feiern sie was: die WM, den Christopher-Street-Day, den Tod eines Papstes, die Wahl eines Papstes, den Fall der Mauer, den Tod der jungen Tuğçe – und wenn es nichts zu feiern gibt, dann feiern sie, dass sie feiern.
          Aber ich komme vom Thema ab. Will eine passende Stelle für die kellnerischen Mitteilung suchen.

          Was Emilie von den Ereignissen im Lande hält? Nicht sicher, dass sie sie verfolgt. Sie ist mit ihrem Alter beschäftigt: ein Fulltime-Job.

          Bonne journée!

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        • Mais ouiii, Schum. Aber sowas von.

          Wenn ich dieses Schtik nicht anno 1987 sondern jetzt angefangen hätte, würde Karl-Dieter freilich Justin heißen und aus Papenburg sein, Partygänger und linker Politikverdrossener, der sich in den Père-Übühschen IS begibt, mit Emilie, die Miley hieße, nein sich nur so nennt, weil sie Gisela heißt, wiedä‘ ganz modää’n jetzt.
          Oder so 🙂

          Dazu mehr von Emilie, wer ist sie?, was war damals mit Emil, und wer hat wen verlassen?, usf.

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  26. Gigantisch! 😀
    Danke Euch beiden!

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  27. … seht mal dorten, ich konnt’s mir einfach nicht verkneifen 😀 , und wahrlich, er IST es.

    Ein Stolperstein für Tuğçe

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  28. Die Szenen zwischen Klaus-Dieter und Emilie durchgesehen.

    Steht in der Letztfassung B:

    Klaus-Dieter. Na klar, hast du schon mal einen gesehen, der ihn isst? Hahahaa. Scotch trinkt man, wieso denn nicht. Grad wegen der Wahlen. Auf die Wahlen!

    Vorschlag C:

    Klaus-Dieter. Na klar, hast du schon mal einen gesehen, der ihn isst? Hahahaa. Scotch trinkt man, wieso denn nicht. Grad wegen der Wahlen. Auf den Wahlsieger! Auf Väterchen Übü!

    Hier würde der Name Übü zum ersten Mal fallen, und aus dem richtigen Mund.
    (In Frankreich nannte man Stalin „le petit père des peuples“. Sprach man in Deutschland von Väterchen Stalin?)

    Die Stelle, wonach ich suche (s. Aurorulas Einwand), hat kein Geringerer als der Autor bereits eingebaut. Bitte, zur gefälligen Beachtung:

    Letztfassung B:

    Ober. Selbstverständlich, Herr -. Selbstverständlich.
    (zu Klaus-Dieter)
    Vielleicht dürfte es Ihnen bald bekannt sein, der Herr, wohin Herr Bach ging, er wusste es nämlich. Und dazu, mein Herr: Herrn Bachs Großvater, mütterlicherseits versteht sich, kannte den Bahnhof übrigens nicht. Ihnen gesagt, weil ich es weiß, aber nicht mehr. Und Herr Übüh wird hier vom Bahnhof erwartet!, er hat Wahlen abhalten lassen! pardon, nur Ihnen gesagt., Danke, die Dame.
    (entfernt sich)

    Anmerkung: Ist der Satz „er hat Wahlen abhalten lassen!“ nicht überflüssig? Erstens hat Karl-Wolfgang – pardon! Klaus-Dieter ‒ schon oben auf die Wahlen getrunken; zweitens beziehen sich die Worte „pardon, nur Ihnen gesagt“ ohnehin nicht auf die Wahlen, sondern auf die Mitteilung, dass Herr Übüh hier vom Bahnhof erwartet wird.

    Vorschlag C:

    OberSelbstverständlich, Herr -. Selbstverständlich.
    (zu Klaus-Dieter)
    Vielleicht dürfte es Ihnen bald bekannt sein, der Herr, wohin Herr Bach ging, er wusste es nämlich. Und dazu, mein Herr: Herrn Bachs Großvater, mütterlicherseits versteht sich, kannte den Bahnhof übrigens nicht. Ihnen gesagt, weil ich es weiß, aber nicht mehr. Und Herr Übüh wird hier vom Bahnhof erwartet!, pardon, nur Ihnen gesagt. Danke, die Dame.
    (entfernt sich)

    Bis zu des Henkers „Henken oder gehenkt, das ist hier die Frage“ kommen in den Szenen zwischen Klaus-Dieter und Emilie nach Letztfassung B vor: die Wahlen 4 x, Übu 1 x.

    Nach Vorschlag C hätten wir: die Wahlen 2 x, Übu 2 x

    Damit hätten wir zwei Wahlerwähnungen gespart und ein „Übu“ gewonnen. Dafür fällt die Telefonszene aus. Insgesamt sind die Winke dezenter geworden.

    Falls RC damit einverstanden ist, würde nach Estelles Sätzen:
    Wie ist Ihr Name? Bitte sagen Sie ihn lieber nicht.

    nur noch stehen (aus Erstfassung A):

    Ober. Aber selbstverständlich, Madame -.(ab)

    – was auch stilsicherer ist. Ein Kellner, der gerade zu hören bekommt, dass man sich für ihn nicht interessiert, entfernt sich so bald wie möglich.

    Erew tow! ((ab)) 🙂

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    • … der Zuschauer muss manche Begriffe reingedrückt bekommen, damit er sie verbindet, also Wahlen und Bahnhof; und dass Übüh hat Wahlen abhalten lassen. Zuuu oft darf’s feilich nicht wiederholt werden – aber welcher Zuschauer achtet jede Sekunde auf die Sätze von da vorn?

      Und die Telefonszene mit dem Ober. Die ist lustig, und sie fördert das Wandern des Scheinwerfers, und sie ist ’ne Überraschung.
      – Ich knie mich morgen nochmal hinein, Deiner Beobachtungen angedenk.

      A gutte lajle! (Scheinwerfer sucht di lajle, findet sie nicht, ach je)

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    • Fassung C gefällt mir 🙂
      Ob Stalin auch auf deutsch ‚Väterchen‘ Stalin hieß weiß ich nicht (wohl aber bestimmt Ari) – aber selbst falls nicht, dann ist es eben die deutsche Übersetzung. Es hört sich so an, als wäre das auf russisch auch so gesagt worden (wie auch Väterchen Frost / Opa Frost in Russland den Kindern Geschenke bringt, damit sie brave Kommunisten sind und vom Nikolaus keine wollen).

      P.S: (ab) ist lustig 😀 – Dir auch eine Gute Nacht!

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      • Väterchen Stalin, aber ja. Durch den russischen Ehrentitel Väterchen oktroyiert. In der Tat…
        Es gab sogar einen Reim, Kinderreim (ohne Väterchen, aber da waren auch welche mit): „Händchen falten, Köpfchen senken, zehn Sekunden an Schdalin denken“.

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      • Ari hieß auf Deutsch „Väterchen Ari“?
        (Wobei „Väterchen Übü“ in Karl-Dieters Mund gleichzeitig freundlich und herablassend klingt. Wie sich’s bei einem Schmock – pardon! In dem Fall wohl Schwanz ‒ gehört.)

        Gute Nacht auch Dir!

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        • … zum Väterchen hab ich’s noch nicht gebracht, nur grad so zum Tatn.
          🙂

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        • Nein, Ari(stobulus) wirds wohl aber bestimmt wissen (ob Stalin auch auf deutsch „Väterchen“ genannt wurde). Im Gegensatz zu mir, die ich es nicht wußte. Falls Stalin in Deutschland nicht so genannt wurde, dann ist „Väterchen“ im Stück eben die Übersetzung dessen, wie der woanders genannt wurde. Und aus diesem Absatz habe ich oben einen Sinnentstell-Smoothie gerührt 😳
          Gute Nacht und gute Träume 🙂 !

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        • Euch beiden, selbstverständlichement.

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        • Aber, Aurorula, liebe: Das war schon klar. Habe mir einen Gutenacht-Scherz erlaubt.
          Gute N8!

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        • Waj 😀
          In der nächsten Version vom Schtik kommt ein Dialog, der geht ca. so:

          Mütterchen. Nu komm schon, Väterken, hab dir man nich so.
          Väterchen. Ach Mütterken, hab heut janze sippzehn Fuhren Holz jeholzt, hab Erbarmung.
          Mütterchen. Watt?, nur sippzehn??, nu muss ick friern wenns kalt iss!, und nu komm schon Väterken, watt muss, det muss!
          Väterchen. Aber ach, hab doch Barmung, die sippzehn Fuhren Holz hattn schon keene mit mir, ach so ville Holz jeholzt.
          Mütterchen. Nee. Ick hab jekocht für die sippzehn Blaaren, ick hab Wäsche jebügelt für dir und de sippzehn!, watt noch?, ah noch un nöcha‘!, und nu mach jefällichss watt, Väterken, sonst kannste sehn wo deine Schrippen morjen bleim.
          Väterchen. Arch, sippzehn, Jotte doch!, uuu, urch , gngn w-ww

          Usw., usf.

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        • P.S.
          Ah so, und Stalin, aber ja, er galt auch in deutschen Gesprächen und Reden als Väterchen Stalin, sogar in Gedichten und Liedern.
          – Aber der is‘ nu nich‘ der aus dem Dialog 🙂

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        • Also, falls es ein jiddisches schtick ist, da muss Väterchen wirklich. Wie heisst es bei Chasal (Talmud) und in der Ktuba (Chaim: kssibe; Heiratsvertrag): Mizwá lessaméach et ha-Ischa ‒ eine mizwe, die Frau zu erfreuen. Väterchens letzte Zeile offenbart die jiddische neschume.

          לילה טוב, ארי היקר

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        • Det könnt man ehmt so sehn 😀

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  29. … und es zieht sich nun etwas hin, pardon, ich tue mich mit den vielen Versionen schwer (obwohl Du die optimal erdacht hast, liebe Schum), denn wenn ich etwas an der Version C ändere, haut was Anderes Geändertes wieder nicht hin.

    Ich mach’s anders: Ändere ohne Versionen, was zu ändern ist, und dann vergleiche ich das Ergebnis mit den Versionen, um zu sehen, was weiter zu ändern sei.
    Es sind kleine Stellen, minimale Stellen

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  30. Jetzt weiß ich, woher ich Emilie kenne. Und was wichtiger ich: Ich weiß, dass ich sie kenne. Beinah hätt‘ ich sie so wenig erkannt, wie sie selbst ihren Emil in der Bar, doch ein Satz – eigentlich zwei Sätze ‒ aus dem Stück hat mich stutzig gemacht: „Und Scotch, Klaus-Dieter? Bitte sag mir, ob man ihn trinkt.“ Eine groteske Frage, eine zu dicke Frage. So weltfremd ist keiner. So verstellt man sich, wenn man von Verstellung nichts versteht und zu einem bestimmten Menschenschlag gehört.
    Ein bestimmter Menschenschlag… Da ist sie mir wieder eingefallen, die Emilie.

    Kennen gelernt hab‘ ich sie in einer der Alkoholiker-Gruppen, die ich als Krankenhauspsychologin geleitet habe. Die Teilnehmer wechselten alle vier Wochen im Rhythmus ihrer Entwöhnungskur in der Neurologie-Abt., doch die meisten kamen mehr als ein Mal wieder. Es gab richtige Stammgäste. Emilie, damals über 30, immer in Morgenrock und Pampuschen, gehörte nicht zu ihnen. Sie ließ es, zumindest bei uns, bei einem Versuch bewenden.
    Nachdem sie eine Woche geschwiegen hatte, bot ich ihr Einzelgespräche an.
    Doch, Emilie konnte sprechen, sie konnte sogar richtig erzählen. Schon in der zweiten Sitzung erzählte sie von Emil, dem Mann, der sie zwei Mal verlassen hatte und für ihre Trunksucht verantwortlich sei. Naturliche. Nicht sie hat sich fürs Trinken entschieden, sondern er hat sie dazu gebracht. So sind sie, die Alkoholiker. Schuld an ihrem Zustand sind immer die Anderen.

    Kennen gelernt haben sich die Beiden an einem besonderen Tag. An ihrem 20. Geburtstag und auf einer Friedensdemonstration in Bonn. Auf der Friedensdemo, um genau zu sein: 300.000 Leute, darunter Willy Brandt, Heinrich Böll, General Bastian. An einem 10. Juni 1982.
    Unter dem blauen Himmel und in der Menge nahm sie nur zwei Menschen richtig wahr, zwei Männer: Hässlichkeit und Schönheit nacheinander.
    Hässlich ist für Ersteren nicht der richtige Ausdruck. Dem Mann fehlte nämlich das Gesicht, also das ursprüngliche Gesicht. Eins muss er ja gehabt haben. Jetzt waren noch zwei Augen da, der Rest war roter Matsch. Keine Nase, keine Lippen, nicht einmal Ohren. Alles abgebrannt, eine entsetzliche Landschaft. Nach einigen Versuchen in Richtung Kopfhöhe zu gucken, war es so weit: Sie brachte es fertig, dem Anblick standzuhalten. Musste man ja, um den Mann nicht zu verletzen.
    War der zweite Mann mit dem Pferdeschwanz schön? Aufgefallen ist er ihr und sie ihm, weil sich Beide als Einzige in die Liste eingetragen haben. Was für eine Liste? Eine Unterschriftsliste mit baumelndem Stift, die bei der Abschlusskundgebung von Hand zu Hand gereicht wurde. Keiner warf mehr als einen Blick hinein, niemand in der Nähe fasste den Stift an. Es war, wie sich herausstellte, ein Appell an die sowjetischen Behörden, die inhaftierten Dissidenten freizulassen. Unter dem Text war nicht eine Unterschrift. Fast brauchte sie Mut dazu, ihren Namen, ihren Vornamen, ihre Adresse anzugeben und zu unterschreiben. Sie reichte das Papier weiter. Es wanderte noch an drei oder vier Gestalten vorbei, dann machte es Halt. Einer trug sich ein. Der mit dem Pferdeschwanz. Sie schauten sich an. „Emilie?“ fragte-sagte er. Er zwängte sich zu ihr hin. „Auch ich heiße Emilie“. Lachen.

    Im Zug zurück nach Berlin hielten sie sich meist umschlungen und sprachen nicht viel. Das Wichtigste hatte Emilie ohnehin schon erfahren: dass Emil in der FU-Mensa arbeitet und in seiner Freizeit bei den Philosophen hospitiert, also auch in Berlin lebt. Was sie selbst in dieser Zeit gemacht habe? Logopädie in Dahlem. Sprache und Sprechen, das lag ihr. Und einen festen Freund hatte sie noch nie gehabt. Bis zu ihm.

    Vier Monate lebten sie zusammen in ihrer Wohnung, als hätte Emil keine eigene. Sie liebten sich und dann erzählte er: von Afghanistan. Oder aber sie liebten sich und dann las er: von Afghanistan. Man müsse dem Volk dort gegen die Invasoren helfen, dürfe die Widerstandsbewegung nicht allein lassen. Es war schon unheimlich, wie er sich hinein steigerte.
    Und eines Tages ging er wirklich hin: nach Afghanistan. Ließ sie in der Wohnung allein. Sie war schließlich keine Widerstandsbewegung. Anderthalb Jahre später saß er, den Kopf zwischen den Knien, auf der Treppenstufe, die zu ihrer Wohnung führte.

    Richtig verstanden hat sie nicht, was Emil manchmal sprudelnd, manchmal stockend von sich gab. Nur so viel: dass seine neuen Freunde, die Mujahidin, entsetzliche Menschen wären, die bei jedem Mörserschuss „Allahu akbar“ schrien, und sowjetischen Gefangenen Arme und Beine zersägten. Ja, mit einer elektrischen Säge. Er flehte seine Mitkämpfer an, um Allahs willen aufzuhören, hielt den Koran hoch, den er in Berlin eingepackt hatte. Gelesen hatte er ihn noch nicht, aber er war aus Sympathie für ihre Sache zum Islam beigetreten. Und dann ist er geflüchtet, hat sich den nahen Russen ergeben.
    In den nächsten zwei Jahren, die sie zusammen verbrachten, benahm sich Emil seltsam. Er schlief nur wenig und in voller Montur, und wenn, dann packten ihn Alpträume und er rüttelte sie wach. Nein, arbeiten tat Emil nicht mehr, sie lebten von ihrem Anfangsgehalt als Sonderschulhelferin. Sie kamen in dieser Hinsicht zurecht, bis Emilie eines Sonntagmorgens nach durchschlafener Nacht einen Zettel auf dem Nebenkissen fand: „Nicht böse sein“. Keine Unterschrift. War ja keine Unterschriftsliste.
    Er kam nicht wieder, dann fing sie an, zu trinken.

    Das ist sie die Geschichte von Emil und Emilie, wie ich sie in Erinnerung habe. Was Vater Übüh da behauptet: „Emil war mal einer von uns!“, ist insofern richtig, als Emil auf der Seite der Mujahidin gekämpft hatte, doch Emil war niemals in der IS. Wie hätt‘ er denn gekonnt? Den IS gibt es praktisch erst seit gestern. Für Vater Übüh, von dem man nicht einmal weiß, ob er sich dem al-Baghdadi angeschlossen hat, ist alles IS. Schon Muhammad war IS. Was nicht ganz falsch ist, aber nicht so wie der Aal das meint.
    Klaus-Dieters Alibi-Gefasel: „Der Emil, war der Emil nicht einer von euch? Der war mal ein Freund von mir, der Emil. Ein guter Freund, ein Mitkämpfer…“, möchte‘ ich lieber nicht kommentieren. Nur so viel: Gekämpft hat Klaus-Dieter einzig und allein auf Palästina-Demos und gegen gelegentliche Kippa-Träger.

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  31. PS. Die Angaben zu den Afghanistan-Kämpfern sind nicht erfunden. Sie stammen aus dem Buch von Oriana Fallaci, La Rage et l’Orgueil (Plon 2002, S. 93-95), das ich leider nur auf Französisch habe. Da sage ich mir: Besser es versteht den Text nur Einer, als dass ich ihn nicht poste. Das Wesentliche steht ohnehin oben.

    (…) Je faisais à peu près ce raisonnement, il y a vingt ans : « Quel sens y a-t-il à respecter ceux qui ne nous respectent pas ? Quel sens y a-t-il à défendre leur culture ou présumée culture alors qu’ils méprisent la nôtre ? Je veux défendre la nôtre, pardieu, et je vous informe que Dante Alighieri me plaît plus qu’Omar Khayyâm. » Ciel, ouvre-toi ! Ils me crucifièrent. « Raciste, raciste ! » Ce furent les Cigales soi-disant progressistes (ils s’appelaient alors communistes) et catholiques qui me crucifièrent. D’ailleurs, l’insulte raciste-raciste je la reçus même lorsque les Soviétiques se plantèrent en Afghanistan. Te souviens-tu des barbus portant la tunique et le turban qui avant de tirer au mortier ou mieux à chaque coup de mortier braillaient « Allah akbar, Dieu-est-grand, Allah akbar » ? Moi, je m’en souviens. Et chaque fois qu’ils s’adressaient à Dieu pour tirer au mortier j’avais un frisson d’horreur. Il me semblait vivre encore au Moyen Âge et je disais : « Les Soviétiques sont ce qu’ils sont. Mais il faut admettre qu’en faisant cette guerre ils nous protègent aussi. Et je les en remercie. » Ciel, rouvre-toi ! « Raciste, raciste ! » Dans leur aveuglement, les Cigales ne voulaient même pas m’entendre parler des monstruosités que les fils d’Allah perpétraient contre les militaires soviétiques faits prisonniers. Aux militaires soviétiques, ils sciaient les jambes et les bras, t’en souviens-tu ? Un petit vice auquel ils s’étaient déjà livrés au Liban, sur les prisonniers chrétiens et juifs. (Ne t’émerveille pas trop, mon cher… Au XIXe siècle ils le faisaient systématiquement aux diplomates et aux ambassadeurs, surtout anglais. Je peux te donner des noms et des dates, et en attendant relis quelque livre sur le sujet. Ils leur coupaient même la tête, aux diplomates, aux ambassadeurs anglais, et avec ces têtes ils jouaient au polo. Les jambes et les bras, au contraire, ils les exposaient ou les vendaient dans les bazars.) Mais qu’est-ce qu’elles en avaient à fiche, les Cigales catholiques et soi-disant progressistes, d’un pauvre petit soldat ukrainien qui gisait dans un hôpital avec les bras et les jambes coupées ? En ce temps-là elles applaudissaient les Américains qui abrutis par la peur de l’Union Soviétique inondaient d’armes l’héroïque-peuple-afghan, entraînaient les barbus et parmi ces barbus (Dieu leur pardonne, moi pas) un barbu-très-barbu nommé Oussama Ben Laden. « Les Russes hors de l’Afghanistan ! Les Russes doivent quitter l’Afghanistan ! » Eh bien, les Russes l’ont quitté. Contents ? Et de l’Afghanistan les barbus du très barbu Oussama Ben Laden sont arrivés à New York avec les sans-barbe syriens, égyptiens, irakiens, libanais, palestiniens, saoudiens, tunisiens, algériens qui composaient le groupe des dix-neuf kamikazes identifiés par le FBI. Contents ?

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    • Oriana Fallaci ist das Beste, was man darüber überhaupt lesen kann. Leider hat ihr Ausdruck les Cigales soi-disant progressistes keinen Eingang in den allgemeinen Wortschatz gefunden.

      Die Zikaden, die sich so progressiv vorkommen

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      • Und l’orgueil ist ein um Klassen besseres Wort als pride. Nur unter dem Titel „La rage et l’orgueil“ lässt sich verstehen, wen sie meint, nämlich nicht sich selbst in der Reaktion auf den moslemischen rant, sondern die Moslems selbst.

        L’orgueil lässt sich auch nicht mit Stolz übersetzen (auf Deutsch heißt ihr Buch „Die Wut und der Stolz“), auch Englisch „The Rage and the Pride“ gibt l’orgueil nicht wieder.
        Italienisch „La Rabbia e l’Orgoglio“, auch wieder viel besser: La rabbia ist die Tollwut, und l’orgoglio ist l’orgueil.

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  32. Wie kommt das gleichzeitige Schweigen von Eurer Seite?

    Schreibt Aristobulus am 8. Dezember, 10:06 nachmittags:

    „Wenn ich dieses Schtik nicht anno 1987 sondern jetzt angefangen hätte, würde Karl-Dieter freilich Justin heißen und aus Papenburg sein, Partygänger und linker Politikverdrossener, der sich in den Père-Übühschen IS begibt, mit Emilie, die Miley hieße, nein sich nur so nennt, weil sie Gisela heißt, wiedä’ ganz modää’n jetzt.
    Oder so 🙂

    Dazu mehr von Emilie, wer ist sie?, was war damals mit Emil, und wer hat wen verlassen?, usf.“

    Dazu lass‘ ich mir zu meiner, und wie ich hoffte, auch zu Eurer Freude ein Geschichtchen einfallen. Es taugt, was es taugt. Man man es sicher besser schreiben, was ich inzwischen auch getan habe. Ihr kennt mich ja: Ob Literatur oder „nur so“, ein Text muss stehen.
    Aber auch im ersten Zustand: Ich kann nicht finden, dass das Geschichtchen schlechter sei als ein Durchschnittskommentar bei TiN. Warum also das doppelte Schweigen, als hätt‘ ich eine Grenze überschritten, einen Fauxpas begangen?
    Hab‘ ich das? Und ich weiß nichts davon?

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  33. Heftige Geschichte. Danke dafür.

    „Sie war schließlich keine Widerstandsbewegung. Anderthalb Jahre später saß er, den Kopf zwischen den Knien, auf der Treppenstufe, die zu ihrer Wohnung führte“

    Das geht zu schnell!, so weit ist man als Leser noch nicht. Nach Widerstandbewegung besser ein Satz, wie sie wartet, was sie macht.
    Dann – Vorschlag: Als Emile an einem Dienstagmorgen anderthalb Jahre später aus dem Haus gehen wollte, saß Emil da, zusammengesunken auf den Stufen, den Kopf zwischen den Knien.

    “ mit einer elektrischen Säge. Er flehte seine Mitkämpfer an, um Allahs willen aufzuhören, mit einer elektrischen Säge. Er flehte seine Mitkämpfer an, um Allahs willen aufzuhören,“
    Sollte im Plusquamperfekt (schlimmes Wort) stehen, oder im Perfekt!, ist besser, weil weniger Plusquamperfekt, und Du hast Emil ja schon im Perfekt weiterberichten lassen: „… und dann ist er geflüchtet, hat sich den nahen Russen ergeben.“

    Und mach aus der Säge besser eine verrostete Säge – weil man die hört.

    „In den nächsten zwei Jahren, die sie zusammen verbrachten, benahm sich Emil seltsam…“
    Vorschlag: Er zog wieder bei ihr ein. Sie verbrachten zwei Jahre miteinander, in Emilies Wohnung. Er benahm sich seltsam

    „Er schlief nur wenig und in voller Montur, und wenn, dann packten ihn Alpträume und er rüttelte sie wach. Nein, arbeiten tat Emil nicht mehr, sie lebten von ihrem Anfangsgehalt als Sonderschulhelferin. Sie kamen in dieser Hinsicht zurecht, bis Emilie eines Sonntagmorgens nach durchschlafener Nacht einen Zettel auf dem Nebenkissen fand: „Nicht böse sein“. Keine Unterschrift. War ja keine Unterschriftsliste.
    Er kam nicht wieder, dann fing sie an, zu trinken.“

    Vorschlag: Er schlief wenig, und wenn er schlief, lag er in voller Montur da. Er hatte Alpträume und rüttelte sie Nachts wach. Nein, arbeiten tat Emil nicht mehr, sie lebten von Emilies Anfangsgehalt als Sonderschulhelferin. Sie kamen so zurecht, bis zu einem Sonntagmorgen, als Emilie aufwachte, und da lag dieser Zettel auf dem Kissen neben ihr: „Nicht böse sein“.
    Keine Unterschrift. Der Augenblick mit der Unterschriftenliste war vorbei.
    Er kam nicht wieder, kam nicht wieder, saß nicht auf ihren Treppenstufen, nichts von ihm. Dann fing sie an zu trinken.

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  34. *lernt noch*

    Danke sehr. Gute Nacht, Ihr Beide!

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    • Ausgezeichnet, Deine abschließenden Sätze, wie auch der Schluss-Satz in Deinem Stück. Also von Schluss-Machen verstehst Du was. 🙂 Pauvres petites!

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      • Ähm 🙂 , mir isses meist mehr so gegangen wie der Emilie, die als Treppenstufen bloß wieder Treppenstufen sieht (nur ohne das Trinken, es sei denn Espresso).

        Als ich zuletzt ein Herz brach, hab ich drei Tage versucht, es nicht zu brechen („es liegt an mir!“), und dann brach’s trotzdem. Obwohl ich ihr Brote geschmiert & Äpfel geschnitten & eingepackt hatte, als sie abreiste („es liegt an mir“). Man kann sowas so oder so nicht

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  35. Mit Lattkes-Wünschen zum Fest: Ani Jehudi

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    • Chanukka Sameach (hoffe, das ist richtig?) allen die es feiern!

      (ich bin noch nicht ganz wach hier – habe gestern Abend auch gefeiert, in meinen Geburtstag rein – dafür habe ich heute Spätschicht und muß erst in einer Viertelstunde oder so hier verschwinden, Kuchen holen für meine Kolleginnen. Dann ab zwei arbeiten.
      Das liest sich hier schon fast wie eine Fähzbuk- oder Warts-ab-Statusmeldung 🙂 Irgendwann schnurrt das auf ein: bin noch da! zusammen. Gut daß der Jahresendstress nicht mehr lange geht.)

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      • Oh Geburtstag, liebe Aurorula! Das war nicht unter dem Stichwort „landunter“, nicht?
        Alles, alles Gute Dir: Mond und Sterne!

        Der 18, also. Auf Iwrit mit „chaj“ wiedergegeben, das Kodewort für Leben. So:
        חי
        Liebesgrüße aus Berlin.

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      • Oh ja 😀 , besten Wunsch zum Geburtstag, liebe Aurorula, Du rulst ohnehin, und rul‘ bitte weiter bis 120 mindestens!

        Wenn ich das gewusst hätte, hätt ich eine Erdnussbutterkekserdnusskeksbuttertorte gebacken, nein zu backen versucht, die wahrscheinlich nicht halb so lang und fettig geworden wäre, wie sie sich schreibt, wenn sie denn überhaupt geworden wäre.
        So muss es ohne gehen 🙂

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      • Danke Euch beiden

        für die lieben Glückwünsche!

        (nein, landunter war nicht mein eigener Geburtstag – so richtig gefeiert wird der eh erst im Januar wenn die anderen Parties alle vorbei sind – sondern der allgemeine Jahresendstress überall und irgendwo und irgendwie und sowieso.)
        Das Leben passt ja zum Geburtstag wie bestellt 🙂 ! ‚Prost‘ heißt doch ganz etwas ähnliches, nicht? Das passt dann zur Geburtstagsfeier.

        *knuspert ein Stück virtuelle Erdnussbutterkekserdnusskeksbuttertorte* – mmmh, dankeschön! 🙂

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  36. Nur eine Frage: Kann man hier, in diesem literarischen salon de thé, eine bezugsreiche Erzählung besprechen, die man zu Chanukka bekommen hat? Eine Chanukka-Geschichte ist es allerdings nicht. Nicht einmal eine Weihnachtsgeschichte, obwohl die Handlung zu Weihnachten spielt.

    Gut Schabbes und schönes vorweihnachtliches Wochenende!

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    • Au ja, Geschichtenerzählen bei virtuellem Tee und Gebäck 😀 ! *freumichschon*
      Habe extra noch ein Plätzchenrezept dazu 🙂

      Auch von mir Euch beiden (+ eventuellen stillen Mitlesern – habe A.mOr schon lange nicht mehr gelesen) gut Schabbes und schönes Wochenende 😀

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      • Schöne postschabbesdike Woche mit Sonntah allerseits 🙂

        Der A.mOr, ja, wo steckt der?, er lebt noch, das weiß ich genau. Werde ihn wohl mal fragen oder müssen.

        – Eine Quasi-Chanukegeschichte, Schum?, war das zufällig so eine merkwürdige in Frakturschrift?

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        • …achdugrojssegüte, SonntaG. Scheine définément zu oft einen Namen mit ~ah am Ende geschrieben zu haben. Ach, so heißt man doch nicht.

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        • Ja. Ähmnein, nich‘ korrigieren 🙂 , und hmmm., Chanutag? Sonntakkah? der Tatzaturfhälr wären viele.

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          • Kanu-Tag? Sonn-ta(n/k)kah? Das hört sich eher nach Sommer, Sonne, Wasserspaß an als mitten im Winter (wenn ich allerdings aus dem Fenster schaue, bei zehn Grad plus, andererseits…). 😉 *lol*

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        • Drüben beim Buurmannschen hat vorhin übrigens einer glatt „allerseits ein schönes Laubhüttenfest“ gewünscht. Der hat sich nicht verschrieben 😀 , vielleicht war’s ein Teaser, um jemanden zur Bemerkung zu verleiten, ja aber wir ham‘ doch Chanuke!
          Habe ihm geantwortet, och Pessach, und auch Ihnen noch ein schönes Eiersuchen.

          Mal sehen, ob er auf dt. Laubhüttenfest = hebr. Pessach reinfällt.
          Oder er will (wenn er schlauer ist) zu der Erklärung provoziert werden, dass die Makkabäer das erste Chanuke in der Tat als Ssukess (Laubhüttenfest) gefeiert haben (um es wegen der vorigen Verbote nachzuholen). Um sich Respekt zu verschaffen. Weil er sich irgendwo was angelesen hat. So einer soll der sein, sagte der Hammer. Mal sehen.

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        • … in Tel Aviv herrschen 15 Grad, sagt mein online-Thermometer, hach. Und in Key West sind’s 26 Grad. Ah, dort mit dem Kanu.

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        • LOL!
          Miss Piggy an Bord wär a bissele schwäär, und Waldorf&Statler würden wieder nur die Haie verschrecken.
          Und mit Kermit müsst‘ man achtgeben, dass er nicht baden geht, wegen jener selbigen.

          (Bin da mal hinter einem ähemm Barracuda hergetaucht, weil der interessant aussah, ohne zu wissen, was der nun sei, oder was die gerne tun. So leicht könnte man zum Kermit werden in den schönen, bunten Wassern)

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          • @ Barracuda: Auweh, dann bloß nicht glitzern!
            Wäre ich ein Hai, ich würde vor Waldorf & Statler auch abhauen. Wäre ich Kermit, wahrscheinlich auch

            Wünsche eine gute Nacht mit erträumtem Kanufahren im Sonnenschein (oder anderen schönen Träumen) 🙂

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        • P.S.
          Das mit dem Zusammenhang zwischen Ssukess (Laubhüttenfest) und dem ersten Chanuke-Fest wusste ich bis vor paar Tagen auch noch nicht. Schum sey Preis und Danck 🙂

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        • Häm *räusper*: Ja.

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        • Moment! Das verschämte Ja bezieht sich auf eine Quasi-Chanukegeschichte in merkwürdiger Frakturschrift, nicht auf eine irgend’ne Schum-Spitze.

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        • Das mit Ssukkes und dem ersten Chanukka-Fest hab‘ ich nur paar Stunden vor Aristobulus erfahren, und sofort Besserwissen heraushängen lassen. So verschafft man sich Respekt.

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        • G’fällt die Merkwürdigkeit Dir denn?
          – Ich las das einst einem Freund bei einer Autofahrt vor, und er sagte mit Strichmund, das sei „wie von Goebbels“.
          Aber kein Mensch weit und breit wollte goebbeln. Es lag am Auto?

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        • Ah, Schum, Gute, Beste allüberall! Ojwawoj! 😀

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        • Ein VW?

          Im Ernst: Würde gern Aurorula die Geschichte erzählen, und dann gemeinsam zu dritt besprechen. Es ist spannender als zu zweit, mit dem Autor allein, nicht? Die Notizen, die ich gern morgen posten würde, beziehen sich allerdings auf die frühe, nicht erweiterte Version, die ich noch lesen werde, natürlich. Nur denke ich, dass Du nicht beide Fassungen geschickt hättest, wenn nur die zweite gelten sollte. Also müssen beide gewürdigt werden. Und sie werden.

          Ob mir die Erzählung gefällt? Ja. Ich finde sie bemerkenswert, très. Auch stelle ich mir vor, dass man sie anders auffassen kann, als ich das tue, oder in dem, was ich nacherzähle, weitere Aspekte entdecken kann. Die Erzählung ist nämlich nicht gefällig, nicht unmittelbar zugänglich. Was ich aber verstanden habe, beeindruckt mich. Falls ich sie falsch erzähle, weil ich sie falsch deute, bist Du ja da, um meine Darstellung zu korrigieren.
          Freue mich schon auf die Diskussion.

          Frage: Was wollen wir dabei essen? Erdnussbutterkekse oder Vanillekipferl?

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        • Beides, beides 🙂

          Und es war in keinem KdF-Wagen, es war in einem ganz unverdächtigen koreanischen, silbernen Kia.
          Aber auf der Autobahn.

          – Oh, ich hab überhaupt keine Ahnung, wie die Geschichte gedeutet werden könnte. Gar keine. Ich hab sie als barocke Stilübung begonnen (nur um zu probieren, ob es sich noch wie 1743 schreiben lässt) und nach einer Seite gemerkt, dass ja was gesagt werden muss, und so kam ich auf den Wiener Aufklärer, der Mitleid mit diesen Monstren hat, Trotz Allem.
          Überhaupt heißen die ja Greißler, nicht?, und die sterben, weswegen die Geschichte ja „Das Greißlersterben“ heißt. Das war der Anlass, unmöglich zu wissen!, wenn ich’s nicht vorher erkläre. Du hast die Geschichte aber einfach kommentarlos bekommen. Also bin ich sehr gespannt auf Deine Deutung, denn ich hab wirklich keine Ahnung, wie oder ob das zu deuten wäre.

          Also das Greißlersterben, ich las einst zufällig das Wort Greißlersterben, und das gefiel mir, es tönt so nach Verhängnis und Untergang und Tragik, nach Unerklärlichem, denn wer weiß, was Greißler sind?, grause Grendels und Beißer?, und die starben so wie einst das Waldsterben starb? So wollte ich à la gothique über das Sterben der Greißler was schreiben, möglichst nah dran, also in dieser endlos gewundenen barocken Sprache.
          In der Hoffnung, dass ich was von z.B. einer Anthologie hören würde, in der’s um anachronistische Düstertexte gehen würde.
          Bloß gab es bisher von keiner solchen zu hören 😉

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        • Soll ich diese Greißergeschichte einfach hier hintun?
          Muss erst die langen S mit anderen langen S ersetzen, und Frakturschrift geht hier ja leider nicht. Das lange S muss aber. Weil das nicht Deutsch ist, sondern eine Fremdsprache.

          Und welche der beiden Versionen, welche find’st Du netter, Schum?
          Ich glaub, die längere. Wegen der umb so vermehreten Détails.

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        • Es verspricht wirklich, passionant zu werden. Ich erkenne schon jetzt nicht die Geschichte wieder, die ich gelesen habe.
          Aber was ist mit dem Essen? Wir können nicht in beiden Räumen schmausen: entweder Erdnussbutterkekse hier oder Vanillekipferl dort.

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        • Ich habe die frühe Version gelesen und würde gerne zuerst sie besprechen. Danach nehmen wir uns, wenn Ihr wollt, der zweiten an.
          Was hältst Du davon, hier zunächst die erste zu veröffentlichen? Später, nach Besprechung, die zweite? Überhaupt schön, anschließend vergleichen zu können.

          Will schnell meine Notizen durchsehen, und falls sie schon postbar sind, setze ich sie nach Kaffeekochen auf diese Seite. D’accord?

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        • Oj, ich hab jetzt schon die etwas längere mit diesen langen S durchsetzet, eine rechtte Kärrnerarbeit (pardon, das färbt ab).

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        • … und wegen der derweiligen Speisung; Sachertorte?, schon wegen Wien.

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  37. Keine Chanukka-Geschichte, die ich von RC bekommen habe, wahrlich nicht. Das Greisslersterben dreht sich um die Grässlichkeit des real existierenden Menschen. Um dich und mich sozusagen.

    Es war richtig, die Handlung ins 18. Jahrhundert, in die Aufklärungszeit, zu versetzen. Umso schärfer der Kontrast zwischen der zunehmenden Versachlichung der Außenwelt mithilfe der Vernunft und dem unverminderten Wahnsinn in der vernunftabgewandten Innenwelt. Unterstreicht auch der Bericht erstattende Mönchsbruder aus Wien, dem Ort der Handlung:
    „Unsere Zeitten nunmehro sind im Vergleiche lichte und zu unserm Glücke und Wohlgefallen allerley scientiae universalis und artibus humanorum ergebene“.
    Nur: Die Menschenseele war 1943, vier Jahre nach Freuds Tod, nicht anders als 1743, zur Zeit der Niederbrennung unliebsamer Bewohner in der Nähe des Mariahilfer Tors, und nicht anders als 1243, unter dem Babenberger Herzog Friedrich dem Streitbaren.
    Die „nächtgen Dunckelheiten“ erhellen keine lumières.

    Man stelle sich vor: Erlässt Maria Theresia in einem kaiserlichen Gnadenakt einem nicht existierenden Volk die „Bürden und Verbote“, die es Jahrhunderte lang geplagt haben sollen. Noch einmal: Das Volk, um das es geht, gibt es gar nicht. Die Greissler, wie man sie nennt, sind „nirgends anzutreffen, sondern, wenn überhaupt außerhalb des sagenhaften Reiches des persischen Nabob“. Hinter den sieben Bergen. Mit anderen Worten. Sie leben nur in der Einbildung ihrer kaiserlichen Majestät und in der Einbildung ihrer Untertanen. Ebenso gut hätte Maria Theresia die Zentauren und Zyklopen in frühere Rechte wieder einsetzen können.
    Aber dann geschieht etwas Unfassbares. Besser: unfassbar nur im ersten Augenblick. Bei näherem Hinsehen erweist sich das Muster als nur zu vertraut.
    Es geht ein großer Aufschrei durchs Land. Die Wiener, „gleich welchen Standes oder welcher Herkunft“ empören sich lauthals über „eine solche milde Duldung von sicher vermuteten Ketzern und Irrlehrern“. Die Befreiung der Zyklopen bzw. der Greissler erweckt in den real existierenden Untertanen Besorgnis um Futter und Status, als sollten sie mit den verfemten Fremden Napf und Kirchenbank teilen.
    In Ermangelung der eingebildeten Greissler, die nicht zu packen sind, hält sich das Wiener Volk an die realen underdogs der Gesellschaft, die Ärmsten der Armen, die ebenso gut Juden oder Zigeuner sein könnten. Was mit einem spontanen Pogrom anfängt, wird von der kaiserlichen Stadtescadron vollendet, die das Viertel bis zum letzten Bewohner in einem „heilsamen Feuer“ abbrennt und „purgirt“.
    Jetzt kann sich die Wiener Seele – ach was: die Menschenseele ‒ wieder ungestört dem technischen Fortschritt widmen.

    Unwichtige Frage: Ist die Geschichte ganz und gar erfunden oder hat RC geschichtlichen Stoff literarisch verarbeitet?

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  38. Das Greißlerſterben

    Wien, den zweyten Februarii 1743, A.D.;

    Hier ſey nunmehro von einer ſehr ſchlimben und wüſten Heimbsuchung berichttet, von welcher alle in dieſem harten Winter in unſrer lieben Stadt Wien ſich Auffhaltenden wohl das Raunen gehöret haben mögen; wobei jedoch nur die Allerwenigſten ſich in die Näh des Mariahülffer Thores gewaget und den dortten biß zu ihrem Ende die hoffnungſloſeſte und elendeſte Noth Leydenden jedoch kein tröſtlich Wortt geſpendet, geſchweige denn eine helffend Hand gereichet haben. Vielmehr mochte keiner hernach über derley Ding viel hören oder ſehen, insgleichen selbſt auf dem neueſt ſo meiſterlich geſtochenen Kupferstiche von Johann Baptiſt Homanns Erben, welcher die Gäßgen, Grätzel und Hökerhöfe unſres lieben Wien bis in den letzten vergeßnen Winckel gar deuttlich und mit gar sublim künſttlichem Striche herzeiget, eben jenes verderblich heimbgeſuchte und grauſenbehafftete Geviertt von gar beträchtlichem Umfange beim Mariahülffer Thore zur rathloſen Beſtürtzung des Verfaßers in nichts mehr andeuttet; keine noch ſo fahle Spur mehr bleibet dortten zu entdecken, kein winzger Hauch, keine noch ſo clandestine Anmuthung; und endlich keine mildthuende Erinnrung. Meiſter Homanns Erben Werck zeiget allein ein Stück unſrer Siebenſterngaß dortten, wo in Wahrheit noch jüngſt vor aller Welt furchtsamben Blicke ja ſelbige Gaß in ſcheuen Krümmungen und demüthgen Klüfften ſich kraus und in gar bleicher Furchttſambkeit gen Mitternacht um jenes ausgedehnte unſeelge Geviertt herumbgewandt und gleichwie in kläglicher Flucht und Todeſschreck im Äußerſten verwinckelt umb ſeine Weiten in labyrinthiſchen Sprüngen umbhergekreutzet. Nunmehro erſchien alſo der Nürnberger Carthographen-Meiſter Homanns Erben hochberühmbtes papiernes Werck ex scientibus exactis mit keiserlich-königlichem Priviligio, und weil das Bild unſrer Welt wohl heutgentags mehr nach dem Beßerwissen solcherleyer mechaniſcher Karten gemachet ist und nicht umbgekehrt nach Vernunfft, Wahrheit und Weiſheit, so hären bitter und ſo ohngefüge räthſelhafft dieſe dreie dem platten papiernen Geiſte der allneueſten Zeitten füglich ſeyn mögen, ſo ſoll jenes gräßlich heimbgeſuchte Geviertt nebſt jenem ohngetröſteten Todesleyden der Greißler, wovon hie gar balde wird die Rede ſeyn, wohl für alle Zeiten schmählichſt vergeßen gemachet werden. Möge mein Bericht jedoch die Zeitten mehr als jenes leydig neumodiſch exacte Kartenhaus aus lautter eitel fehlſchlagend und in vanitate bedrucktem Kartenkehrichte überdauern, so wircke und helffe GOtt.

    Doch weil nämlich jene Ereigniße schon anitzo, nur wenige Wochen danach, drohen, von den alleyn der Zerſtreuungen des Praters und andrer läßlicher Vergnügungen begierigen Menſchen feige und unkeuſch vergeßen zu werden; mache ich mich nunmehro in aller Beſcheidenheit anheiſchig, das, was geſchehen, in ein paar beſchreibende Wortte der Klage zu faßen; obgleich biſweilen dabei durchaus mein Blut ſtocket und meine Finger ſtarr und gichtbrüchig werden; noch immer, doch nicht allein, vom gnadenloſen Eiſeſhauche dieſes Winters herrührend.

    Wohlan. GOtt der HErr erſchuf die Numidii-Mohren, welche Christum nicht kennen und ihre eigenen Mütter heirathen; Er erſchuf die Jüden, welche im Herbſteshauche im Freien unter dürrem Stroh-Reiſigt nächtgen; Er erſchuf wilde Kalmücker, welche keine Sprache haben; und engliſche Colonial-Eingebohrene, welche rantziges Fleiſch eßen und ihre Tothen, luſtig nach ihrer Neigung durch die Lande weiterziehend, im Graſe zurückelaßen; und, daferne Er all ſolcherley Ungebildt und Merckwürdigkeit in ſeiner Güte und Größe erſchaffen: wie ſoll Er da nicht auch die Greißler erſchaffen haben, jene niedrigſten und mißgeſtalthetſten Weſen unſerer Fluren? Und doch gehet die Mär, dieſe gehöreten nicht zu unſrer Schöpfung, ſondern wären ob ihrer Greulichkeit eine Ausgeburth GOttferner Dunckelheiten und blasphemiſcher Finſterniße. Denen, die ſolcherley glauben, ſage ich anitzo mitten ins Gewißen: Solches im Hertzen zu tragen iſt nichts als ſchändlich und hoffärtig, und man bedencke es wohl, daß und in welcher Arth es der GÖttlichen wie menſchlichen Vernunfft in allen Theilen Hohn ſpricht. Denn hat der HErr nicht auch die nächtgen Dunckelheiten erſchaffen, IHm zum Gefallen und Gutdüncken? Und geltten ſolch dem Menſchen gar vollends ſchaudervolle Weſen wie etwa die Antipodes, welche nur ein einziges Mittel-Bein beſitzen, oder die Hunnen, welche nach dem Zeugniße gelahrter und ungelahrter Männer rein gar nichts Menſchliches an ſich hatten, nicht ebenſo wie wir Frommen und Wohlmeinenden gleichwie als ein Pfahl im Grundtgefüg des mit Vernunfft und Gnade zu gleichen Theilen verwobenen Weltalls?

    Gedencket wohl der Greißler, und betet umb ihre Seelen.

    Hingegen die Herkunfft der Greißler iſt von allerley Muthmaßungen und Halbheiten, welche über ſie im Umlauffe, wohl nicht zu separiren. Der hochberühmbte Doctor Athanaſius Kircher etwa, in ſeinem ebenſo gewalttigen wie krauſen carthographiſchen Wercke „Mundus Subterraneus“, beſchreibet etwelche der ihren als dem ſchwartzen Schoße der Erde durch rauchigte Klüfte und feurige Vulcani des hyperboraeiſchen Nordens entſprungen, wagete aber ſein Lebtag das Wortt Greißler weder auszuſprechen noch zu ſchreiben, wohl weil er den abergläubigen Zorn ſeiner wenig hochmögenden Leſer und den freylich ernſtren und bedenckenswertheren der römiſchen Kirche recht fürchttete. Unſere Zeitten nunmehro ſind im Vergleiche lichte und zu unſerm Glücke und Wohlgefallen allerley scientiae universalis und artibus humanorum ergebene; und ich beliebe darob das Wortt GREISSLER hinzuſchreiben und laut zu exclamiren, ſo oft es mich, in aller Beſcheidenheit, gut und recht düncket.

    Schriftgelahrte, Liebhaber des Alterthums, Carthographen, Schulmeiſter, Professores und Doctores unſrer den Wißenſchafften zugeneigten Zeitt hingegen, etwan der hochgelahrte Benedictus Schlottemüller, SJ, lehrend allhier zu Wien, oder, ebenſo, der ehrwürdige Doctor in mathematicis atque musicis, Johann Nepomuk Mytzlivetz aus Leitmeritz im böhmischen Kreiſe, ſetzen die Greißler mit ihren vermuthet halb hunniſchen, halb aegypttiſchen Ahnen in eins, welche unter der Herrſchafft des altvordern Caesar Constantinus Magnus in unſre pannonische Region als Bleyminenſträflinge hereingeführet worden. Unumſtößlich feſt jedoch ſtehet, daß ihr Äußeres, wenn denn jemals eingehender als bloß ohngefähr und aus größerer Näh als drei halbe Steinwürff weit von einem beherzten Mannsbilde in Augenſchein genommen, ein ſonderbar Weniges mit dem gewohnten Körperbaue der Menſchen gemeinſam hat, welche allhier ſeit Alters her anſäßig; und, zuvörderſt, mit der vornehmben Bildung des edlen Aegypttiers rein gar nichts. Der greißleriſche Wuchs war ſehr gering, ja nahezu gnomenhafft; ihre Geſtalt bucklig und ſchiech; ihre Augen zu weit und ungeſund auseinanderſtehend; die Bildung ihres Antlitzes flächig und ohne Ausdruck; deßen Tönung fleckig und grindig; die Länge ihrer Finger umb ſo beträchttlicher; und, wie befrembdlich iſt’s zu ſagen: ihrem Kopfhaare fehlete gar jegliche ſchwartze, rothe oder weiße Färbung. Ihr Mund war lippenlos und an den Seiten nach unten ausgeſtülpet, auch nie gantz geſchloßen. Ihr Gang gemahnete an das Gekreuch der Kröthen; und von der Formung ihres Kopffes weiß man nicht, weil ſie den ſelben unter ſeltſamb eigenthümlich gebeuleten Spitzhauben zu verhüllen pflogen. Endlich ihre Sprach erſchien als ein entſetzliches Kauderwelſch ohn den geringſten claren oder warmen Vortrag; und ein jeglicher ihrer gutturalen Gaumenlaute ward begleittet von furchterregendem Geziſch und nimmer auffhörenden widerwärtgen Geſten und Mienen.
    Ihr Name, die Greißler, erſcheinet uns indeß von teutſcher Bildung und Arth. Nach Anſicht oben genannter Gelahrter und auch des Auctoris rühret er jedoch von dem Wortte Graeci oder Graeculi, vulgo Griechlein, her, welches der Volcksmund nach ſeiner Art herſpricht; und welches man ſeit Alters her für Völckerſchafften wie Rutheni, Scythi, oder für ſolche hegete, welche nicht näher bekannt waren; und welche hinwiederumb mit den vor Genannten ſicher nicht zu unſrer Gemeinſchaft der lateiniſchen römſchen Kirche gehöreten.

    – Wohlan. Am dreyzehnten Decembris des Jahres 1742, A.D., ließ unſre allerdurchlauchtigſte Herrſcherin Maria Thereſia, Keiſerin des Heiligen Römſchen Reiches Teutſcher Nation et cetera et cetera, welche GOtt der HErr uns immer in Gnaden und Geſundheit erhalten möge, zur abendlichen Sancta Missa von allen Kantzeln des Reiches ad hoc verleſen; daß ſie, die Wahrerin und Vermehrererin des wahren und alleinigen Römiſch-catholiſchen Glaubens in unſerm Erdkreiſe, erlaße hiermit denen Christianos graecos ſämmtliche von ihren ſeeligen Vorvätern, welche in gutem Glauben und aus rechtem Hertzen alſo gehandelt, auferlegten Bürden und Verbothe. Jedoch ſtatt Freud und Wohlgefallen angeſichts dieſes keiſerlichen Erweiſes von Güte und lumière de l’esprit gieng ſtatt deßen ein großer Auffſchrey darob durch unſer Wien und durchs Land. Viele Unterthanen, gleich welchen Standes oder welcher Herkunfft sie geweſen ſeyen, empöreten ſich lauthals und ohngeſtüm über eine ſolche milde Duldung von ſicher vermutheten Ketzern und Irrlehrern; welche, nota bene, in unſern friedlichen und geſegneten Landen nirgend anzutreffen, ſondern, wenn überhaupt außerhalb des ſagenhafften Reiches des perſischen Nabobs, so vielleicht in der fernen Walachey, welche kaum ein getroſter Mensch je beſucht, oder im Gebirg der wilden Dacii oder Caucasii mählich anzutreffen, wie man munckelt. Kurtzum; obgleich ſolch Graeci zu niemandes Bekanntſchaft zähleten; nicht nah und nicht ferne; wüthete man doch und ereiferte ſich erſchröcklich über ſolche.

    Endlich am fünfundzwanzigſten Decembris, dem Weynachtstage, rief ein auf einen Pfahl am Naſchmarckte kühnlich gekletterter Allerweltsburſch, welcher ſich nach begangener That wieder ohnerkannt unters Volck gemiſchet, mit gellender unkeuſcher Stimm und weithin hörbar ein umb’s andere Mal aus; „die Greißer ſind’s allhie, die Greißler ſind’s allhie!“ Ein Auffſchrey gieng alſbald wie ein Brauſen durchs niedre Volck; man bemerckte etliche Kerle hurttig von hierhin nach dahin lauffen, wildes Getös erfüllete die Gaßen unſres Wiens; und all das gar ſchlimbe und unglückſeelige folgende Unheil nahm hier ſeinen Anfang; denn alſbald ſchritten die erſten handfeſten Mannsbilder gäntzlich agitieret hinaus zur Siebenſterngaß am Mariahülffer Thore. Man weiß, oder die, welche es gern vergäßen, mögen füglich wißen; daß dortten hinter einem elenden und fauligten Verſchlage dieſseits der ſchmutzgen Waßer des äußern Stadtgrabens jenes Geviertt von beträchtlicher Größe gelegen; welches freylich nie einer betrat; und von welchem man dunckel ahndete, daß allhiero von Alters her wohl die Greißler hauſen mochten. Allein die Elendſten der Elenden, wenn in noch größre Noth als die tägliche und gewohnte ihres freudloſen Lebens gerathen, klopfften, wenn vom eigenen und ihrer Kinder Hunger überwältiget, mit Zagen an jenen Verſchlag; welcher ſich alſbalde an einer beſtimbten Stelle geöffnet, und ſie hatte Einblick nehmen laßen in eine gar wüſte und dunckle Höhle, erfüllet mit dumpffem und ſauſendem Getön; welches auch das reiſigſte Mannsbild ſchaudern und beben machte; umb, nachdem ſie einen geringen Heller, welchen ſie vordem wohl unter großer Noth ertrotzet und erbettelt, auf eine gewiße befleckte Steinbank geleget, alſbald einen Hauffen kalten fahlen Fleiſches im halben Dunckel vorfanden; welchſelben ſie bängſten Herzens errafften, umb, zitternd davongeeilt, ſchnell den Ihren ein fettes Mahl zu bereitten; durch deßen Stärckung sie gantz wie durch Wunder einige Tage glücklich geſättiget zu bleiben pflogen. Doch niemand ſelbst der Bedürfftigſten und dabei vermöge ihrer Noth Kühnſten wagete es, jemals über jenes wahrhafft unmäßig billig erſtandene fahlfarbige Fleiſch auch nur das geringſte Sterbenswörttlein coram publico zu verlautten.

    Zu beſagetem Verſchlage am Mariahülffer Thore zog nun alſo das niedre Volck in brauſendem Troße; mit tüchtgen Stangen und gröblichten Knütteln in den Händen, auch denen der Greiſe und Knaben; gar Kirchenlieder, kaum waget man’s zu ſagen, auf den ſündgen Lippen; und dieſe mit inbrünſtger Luſt ſingend; umb in großer Zahl und mit wüſtem delirirttem Toben zornmüthig von vor und hintter der Siebenſterngaß gegen jenes vergeßne Geviertt anzurennen; und, mit wilder Wuth, den Tod der vermeintlichen Graeci, der teuffliſchen Ketzer und Greißler, herbeizuwünſchen. Die alſbald bänglich herangeeilte Keiſerliche Stadtescadron verhüthete indes mit Müh ein Erbrechen des Verſchlages. Gleichwohl vermochte ſie die Maßen des Volckes nicht vom Ortte zu vertreiben; welchem auch unſer hochgeehrter Archepiscopus, welcher, von ſeinem Hochambte im Dome Sancti Stephani aufgeſchrecket und ſorgend genahet, gütlich doch ohngehöret zugeredet. Das Volck zog es vor, dortten in aufrühreriſch bäuriſcher Weis zu lagern, zu ſingen und mit unverminderter Wuth ſeinen verwünſchenden Unflath gegen Jene hinterm Verſchlage gellend zu ſchreyen und zu zetern.

    Am ſechsundzwanzigſten Decembris, im dumpffen Lichte des Morgens, geißelte ein Grauſen unſer liebes Wien, deßen Schreckniße, horribile dictu, faſt an jene reichtten, welche vom Heiligen Johannis als mit dem End der Weltt und dem finalen detrimento und Göttlichen Welttgerichtte einhergehend in bittrer Warnung erzählet werden. Keiner will’s anitzo mehr wißen. Sintemal will ich’s kurtz, doch deuttlich machen. Noch in der Nacht vor der Matutin von einem Kloſterbruder aus taubem Schlafe gerüttelt, eilete ich zu jenem Ortte am Mariahülffer Thore; wo ich, der lange im Gewühle feſtgeſtecket war, große Theile des Verſchlages abgerißen fand; das dunckle und hölliſche Innre des unſeeligen Gevierttes ahndungsvoll offenbarend. Das Volck war indeßen weit zurücke gewichen; und viele heuleten vor Schreck. Denn allüberall vorm Verſchlage und ſeinen wie grundlos gähnenden Tieffen lagen ſich windende Weſen auf dem blancken Boden; welche wirckten, wie aus den Tieffen der Hölle emporgekrochen. Waß ich ſo erblicket, war jedoch gegen meinen Glauben. Eins der Weſen ſchlug mit den Gliedern aus und, ſich entblößend, zeigte es einen Corpus bedecket mit garſtigſten Schwären, aus welchen ein ſchwartzes Blut tröpffelte. Der Mund des ſterbenden Greißlers ward zum Entſetzen aufgerißen, ein ſchauerliches Stöhnen ertönen laßend, umb alſbald in wildem Zucken die Zähne zu blecken und ohngetröſtet ſeine arme Seele auszuhauchen. Ein andrer wanckte hervor wie in der Irrſal des Veitstanzes und fiel über den erſten, um ſo über ſeinem Gevatter zu ſterben. Starr vor Entſetzen wagete ich’s, zur Seite zu blicken, und nach ein paar angſtvollen Hertzſchlägen vermocht ich die Menge der Greißler nicht mehr zu zählen, aus welcher ein Jeglicher zuckte; ſich wandt und ächzte; umb dortten mit allen andren zugrund zu gehn. Niemand wagete ſich in die Näh, auch keiner der Wundtärzte oder der mildthätigen Schweſtern; das Volck indeß wich, von wildem Schrecken geſchüttelt und ſeiner Sünd und Schlechtigkeit wohl kurtz bewußt, wie ich hoffen darf.

    Als die Glocken eines nahegelegenen Kloſters, welche wild hatten begonnen zu läuten, endlich ſtilleſchwiegen, hatte ſich das bittre Schickſal der Greißler ohn die leiſeste Milde oder Segensſpendung erfüllet. Der Hauptmann der Keiſerlichen Stadtescadron, ein beherzter Mann, erhob ſein fahles Antlitz und befahl, etwelches Holtz und Stroh zu requiriren und allerſchnellſtens ein heilſambes Feuer zu entfachen; umb alles, welches von den Greißlern und ihrem Geviertte übrig geblieben, zu purgiren; was in fliegender, weil verzweifelter Eile alſo geſchah. Drey Tage ward unſre liebe Stadt Wien füglich in den bittren ſchwartzen Rauch des Schwelbrandts eingehüllet, welcher, nach der Lehre der Doctores medicinae, kranckmachende Ausdünſtungen und miasmata reiniget und cläret; derley wir alle inſtändig und flehentlich hoffen möchten.

    Ein Jeglicher flüſterte nur leis von dem Geſchehenen, ſelbst mitten im ärgſten Brandeshauche. Nur ein würdger Doctor medicus, welcher mir als beſonders unerſchrocken bekannt iſt, und deßen Beichtvater zu ſeyn ich mich glücklich ſchätze; berichttete mir unter Qualen, was er geſehn, als er dicht neben einen Greißler gelanget: die Augenſterne wären von einer milchigen Blindnis, in umliegendes Blutroth getauchet; der Mundt aus Schwellung offenſtehend; die Zunge gedunſen und von blutgem Ausfluß bedecket; die Haut des Halſes so ſchwärend wie das friſch aufgebrochne Gedärm eines Wolffes; endlich die Bruſt ein einzger Brandt; mit dem gräßlichſten Anblicke.
    Dieſer Doctor verließ alſbald unſer Wien, gantz gebrochen; und iſt ſeither verſchollen.

    Nun will ich ſchließen. Es bleibet aber noch um der Gerechttigkeit willen zu ſagen, daß die neuerliche hungernde Noth der Ärmſten und Elendſten unſres Wiens drey lombardiſche Füſtengeſchlechter, deren Schwäher in unſrem Wien ſeit denen Zeiten Keiſer Maximilians anſäßig, alſo ſehr dauerte, daß jene ihre Reichthümer zuſammenſchloßen und vor der Stadt auff grüner Wieſe eine Anzahl umfriedeter Krämereien oder Groß-Marcktplätze unter rieſigen Dächern errichteten; deren bis dato nie erblicktes Ausmaaß und Arth es einer Menge Volcks erlaubet, dortten trocknen Fußes umbherzugehen und redlich ſchlechte fourage von zweifelhafftem Herkommen und allerley läßlichen Plunder und nichtsnutzigen Tandt in beträchtlicher Menge, doch für wenige Heller, zu erkauffen; und umb den ärgſten Hunger, welchen ſie nach wie vor leiden, mit recht billig erſtandenem Hirſebrei und Ochſenkutteln zu ſtillen; woſelbst Jene jedoch ebenſo ein Fäßlein dumpffen Bieres und eine Kanne ſtechend riechenden Brannteweins nach der andren gemäß ihren Lüſten nicht entrathen, für ſich und ihre Spießgeſellen und Kinder zum Schaden an Leib und Seele zu erfeilſchen. Freilich ſind dieſe hoffärtgen Stätten auf beſagtem homänniſchen Kartenwercke ohngehörig groß und gar wichtig eingezeichnet, nicht nur zum Mißvergnügen des bon goût, ſondern freylich zum Schaden der Seele.

    Sobald ich aus den heilig ſtillen Mauern meines Kloſters trete, was, worumb ich GOtt, meinen HErrn, in Noth und Zerknirſchung bitte, fürderhin nicht allzu offt geſchehen möge; und eines jener Groß-Marcktplätze anſichtig werde, iſt es mir unmöglich, nicht auf der Stell, von der Erinnrung an’s Greißlerſterben niedergedrücket, in heiße Thränen und bittres Schluchtzen auszubrechen.

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    • Raah, kursiv!, da ist mir ganz oben ein faltschr Fhälr mit ’nem, Slash oder Haken unterlaufen, könntest Du das hilfreich beheben, Aurorula?, denn kursiiiv lässt es sich ja NOCH mühsamer lesen

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    • Wunderbar, mein wunderbarer auctor! Jetzt kann ich den récit noch einmal lesen, ohne den Rechner zu verlassen. Ist das nicht toll?

      Aber das Wichtigste: Ich habe die Geschichte verstanden, die uns der Mönch mitteilt, ja? Das freut mich.
      Eine wuchtige, brutale Geschichte. Beleuchtet sie einen Aspekt der Gegenwart?

      Du hast Recht: Ich hätte die Menschlichkeit des Mönchs zumindest erwähnen soll.
      Tatsächlich sind’s nur Notizen zum eigenen Gebrauch. Die Kraft, sie zu verarbeiten, hatte ich vorhin nicht mehr. (Drei Stunden heute Nacht, dann ab 9:30 Schachrit mit einem Männerchor auf Tournee: „Coro Ha-Kol“, Italien.)

      Danke noch einmal für dieses schöne Chanukka-Geschenk, Ari. Lajla tow!

      Auch Dir gute N8, schöne Schläferin!

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      • 🙂

        Und unten geht’s gegen Supermärkte. Gesehen? Diese „Anzahl umfriedeter Krämereien oder Groß-Marcktplätze unter rieſigen Dächern“, mit denen sich der Erzähler schwertut, weils‘ da „redlich ſchlechte fourage von zweifelhafftem Herkommen und allerley läßlichen Plunder und nichtsnutzigen Tandt in beträchtlicher Menge“ gibt, ja „ebenſo ein Fäßlein dumpffen Bieres und eine Kanne ſtechend riechenden Brannteweins“, sind Supermärkte auf der grünen Wiese, weil die Einzelhändler in der Gassenecke (Greißler) ausgestorben sind.

        Von Lovecraft hab ich genau zwei halbe Sätze geklaut:

        Mais non. Hab ich ja gar nicht 😀 , nichts geklaut, ich dachte!, aber das ist ja gar nicht so.
        Schad eigentlich 😀

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  39. Eine allgemeine Bemerkung vor zweiter Lektüre?

    Was für ein Zufall, der uns Das Greißlersterben in PEGIDA-Zeiten bringt! Geht es doch in Deutschland/Europa 2014 ebenso wie in Wien 1743 um die Gestalt des Fremden in der Phantasie der Einheimischen.

    Für den Durchschnitts-Wiener 1743 ist der fremde Greißler notwendig schlecht, ein Ketzer und Irrlehrer. Er muss abstoßend aussehen, und der Autor spart nicht mit grausigen Details über seine vermutete Missbildung. Abgrundtiefe Schlechtigkeit und Hässlichkeit machen den Fremden aus, wobei die Hässlichkeit nur das sichtbare Zeichen der inneren Schlechtigkeit ist.
    Warum ist der Fremde ‒ sogar der nicht existente Fremde wie der Greißler, der Fremde an sich ‒ anno 1743 schlecht? Weil er mein Brot wegfressen, meine Töchter verführen und mir meinen Platz an der Sonne streitig machen kann; und weil er mich als Feind von hinten angreifen kann. In dem Augenblick, da Einer „nicht von uns“ auftaucht, werden die Karten neu gemischt, materiell und ideell. Alles scheint plötzlich zur Disposition zu stehen: mein Posten, meine Sitten, meine Sicherheit, das Aussehen der Nachgeborenen.
    1743 reagieren die Wiener wie die Tiere, nur nach der Natur. Die Kultur? Als wäre sie nie gewesen. Das ist das alte Muster.

    2014 werden in Europa die Einheimischen aufgefordert, die Natur zu vergessen und sich nur nach der Kultur zu richten. Man verbietet ihnen sogar, Befürchtungen zu äußern. Mehr noch: Sie dürfen nicht sehen, was sie sehen: dass manche Fremde tatsächlich als Feinde kommen; mit der erklärten Absicht, mich für sich arbeiten zu lassen, meine Sitten zu verändern und mein Land zu zerstören.

    Nach dem alten Muster galt der Fremde unbesehen als schlecht. Nach dem neuen Muster gilt der Fremde unbesehen als gut. Mehr noch: Man muss auch dann noch behaupten, dass er gut sei, wenn er an Beweisen für seine Schlechtigkeit nicht spart.
    Das Gemeinsame an beiden Mustern? Dass der Einzelne nicht zählt: nicht der einzelne Fremde und nicht der einzelne Einheimische.
    Erfahrung zählt nicht, damals wie heute. Das Klischee vom Fremden macht den real existierenden Fremden unkenntlich.
    Oder anders ausgedrückt: Den „guten Fremden“ gibt es so wenig wie den Greißler. Beide wesen nur in unserer Einbildung mit allen Konsequenzen, die Einbildungen nach sich ziehen können.

    Zu welchem imaginären Volk gehört denn der Anti-Greißler? Man müsste einen Namen dafür finden.

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    • Oh ah, Pegida 😀
      Die sind bestimmt gegen das Greißersterben.

      Ein RTL-Journalist ist vor zwei Tagen fristlos von seinem Sender entlassen worden, weil er sich ‚rechts‘ geäußert haben soll. Ich werde mal irgendwo was dazu schreiben – zumal die drei Sätze, die er gesagt hat, so harmlos sind und so überhaupt nicht ‚rechts‘.

      – Analog hätte der hochmögende Herr Erzbischof den Erzähler des Greißlersterbens fristlos rausschmeißen müssen, weil er ja Trotz Allem Mitleid mit diesen Höllenentsprungenen hatte, und weil er es wagt festzustellen, dass G“tt auch die Dunkelheit erschaffen habe. Na!, das ist doch eine manifeste Verharmlosung der Rechten. Der will die integrieren. Buh.
      Sogar die Kaiserin Maria-Theresia hat sich für sagenhafte Ketzer eingesetzt, ihr gebüren nix als Exkommunikation und Rausschmiss.

      „Nach dem alten Muster galt der Fremde unbesehen als schlecht. Nach dem neuen Muster gilt der Fremde unbesehen als gut.“
      Mais oui. Das neue Muster ist um so gefährlicher und chaotisierender, weil es das alte Muster verdrängt und rationalisiert, indem behauptet wird, es existiere durch Dekret nicht mehr. Analog erklärt man die Geilheit mohammedanischer Jungmänner auf Gewalt mit deren sozialem Benachteiligtsein. Selbst les ordres des mouftis werden wegerklärt, keiner will wahrhaben, dass sie Barbarei fordern und verursachen – man hört ihnen nicht zu, man ignoriert sie, sie werden durch das neue Muster ersetzt, das da lautet, dass nichts sein darf, was dekretiertermaßen nicht sein könne.

      P.S.
      Der Anti-Greißler?

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      • Ja, der Anti-Greißler.
        Der Greißler, das ist der Fremde als Bösewicht, nicht? Nach dem alten Muster: fremd = böse. Er ist der schwarze Mann.
        Sein Pendant in der schönen neuen Welt ist der Fremde als Gutewicht, nach dem Muster: fremd = gut. Er ist der weiße Mann. (Gibt es nicht ein Waschpulver, das „Der weiße Riese“ heißt?)
        Sollte der nicht analog zum Greißler einen eigenen Namen bekommen, den Namen eines imaginären Volkes?

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        • Da schlag ich doch mal ganz schnellement Die Hundzickrischn vor, wegen Michelle Hundzicker (Falls man die so schreibt?, und pardon für die Erwähnung dieser Dame), weil die weiblich ist, blond, arisch, jung (nu) und ein Pro-, Pro-, Prommi, und weil sehr viele genauso sein möchten die diese weiße Riesin oder wie dürrweiße Gigantin Heidi Klum.
          Und auch wegen der lombardischen Schwäher, die diese Supermärkte hinbauten, weil diese Hundzicker ja aus Italien ist, nein?, und das könnt‘ passen.

          Die Hundzickrischn, weil sich die Wiener gern als Grantler sehen, die aus den greißlerschen Verschlägen schöne Kleider und edles Maskara und Pop-DCs rausplündern und es für was Gutes halten, so oder so.

          🙂

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        • Va pour Hundzickrischn!
          Was lese ich bei Wikipedia?

          Von 2000 bis 2006 war Hunziker Mitglied der Sekte „Krieger des Lichts“.

          Demnach weißer als weiß: lichtzikerisch oder lichtzikig.

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        • Krieger des Lichts?, wau!, oderversteckt sich darin der deutsche Titel des Horrorfilms Fading of the Cries?, vielleicht hatse darin als facking Lichtgestalt mitgespielt und ihr ist es so peinlich, dass sie lieber eine gleichnamige Sekte mit Hexe drin erfand 😀

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      • Spiegel, 21.12.2014

        Undercover bei Demo: RTL feuert Reporter nach Pegida-Auftritt

        „Unserem Berufsstand schwer geschadet“: Der RTL-Journalist, der sich bei einer Pegida-Demonstration als Anhänger der „patriotischen Europäer“ ausgab, ist seinen Job los. Sein Chef fand zum Abschied deutliche Worte ‒ ließ aber auch Fragen offen.

        Hamburg/Köln – RTL zieht aus dem umstrittenen Auftritt eines Reporters bei einer Pegida-Demonstration in Dresden Konsequenzen. „Unser Mitarbeiter hat einen Fehler begangen, der nicht zu entschuldigen ist“, sagte der Chef des RTL-Landesstudios Ost, Thomas Präkelt, nun im Gespräch mit „Faz.net“. Dem Bericht zufolge trennt sich der Sender von dem Journalisten, der sich einem Fernsehteam des NDR gegenüber als Anhänger der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ ausgegeben hatte. Zuvor hatte SPIEGEL ONLINE den Fall öffentlich gemacht.

        Tatsächlich war der junge Mann verdeckt als Demonstrant aufgetreten, um selbst Stimmen für einen Beitrag einzusammeln. Dem Fernsehteam der Sendung „Panorama“ gegenüber gab er sich allerdings nicht als Kollege zu erkennen, sondern führte vor der Kamera noch aus: „Wenn man rausgeht, ganz viele Türken. Ich komme mit vielen gut klar, aber es ist doch zunehmend so, dass man denkt: Sind wir eigentlich noch deutsch in Deutschland.“

        RTL schiebt nun die Verantwortung allein auf den Reporter, der von der Redaktion offenbar nur unzureichend gebrieft wurde. „Er sollte auf keinen Fall provozieren oder zur Hetze animieren, schon gar nicht anderen Journalisten eine Rolle vorspielen“, sagte Präkelt nun zu „Faz.net“. Der Reporter habe „unserem Berufsstand mit seinem Auftreten schwer geschadet“. Andererseits war ausdrücklich vorgesehen, den Reporter undercover und mit versteckter Kamera nach Dresden auf die Demo zu schicken. Es war der ausdrückliche Auftrag der Redaktion, obwohl man in Dresden auch ohne verdeckte Identität mit den Demonstranten ins Gespräch kommen konnte. Warum RTL diese Methoden angewandt hat, ließ der Sender bislang offen.

        (…)

        http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/rtl-journalist-bei-pegida-demo-ist-gefeuert-a-1009824.html

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        • Nanü?, interessant. Laut der WELT sagte er diese drei Sätze, wegen derer man ihn rausschmiss:
          – „Die Islamisierung macht sich ganz schön breit in Deutschland“
          – „Mein Land heißt Deutschland, und das mag ich so wie`s ist.“
          – „Manchmal denke ich schon, sind wir eigentlich noch in Deutschland?“

          Über Türken im Straßenbild steht da nichts. Wieder laut WELT schrieb aber der RTL-Offizielle:
          „Im Interview äußerte er u.a. seine Sorgen bezüglich der Zahl der Türken im Straßenbild und des Bürgerkriegs in Syrien.“
          http://www.welt.de/politik/deutschland/article135617171/RTL-macht-rechte-Stimmung-bei-Pegida-in-Dresden.html

          Nu!. Was soll daran „rechte Stimmung machen“ sein? Selbst die WELT nennt es „patriotische Parolen schwingen“. Patriotisch sei es also, Parolen zu schwingen.
          Und muss man viele erkennbare Türken im Straßenbild gut finden? Wieso?

          *einfach mal so in den frühen Morgen hinein gefragt*

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  40. Interessant, dass der barmherzige Mönch davon nicht ablässt, die Ermordeten hinter dem Mariahilfer Tor als Greißler zu bezeichnen, obwohl er eingangs in wünschenswerter Deutlichkeit erklärt hat, dass derlei Fabelwesen nie existiert haben.
    Warum übernimmt er vom „Allerweltsburschen“ (trefflicher Ausdruck!) den falschen Namen, der den misérables zum Verhängnis geworden ist? Um der Bequemlichkeit willen, nachdem er sicher gestellt hat, dass der Leser Behauptung und Tatsache auseinander halten wird? So wie unsereiner weiterhin von „Palästinensern“ redet, obwohl er um die Wortfälschung weiß? Doch damit scheint der Mönch, wenn auch unbeabsichtigt, die entsetzliche Tat der kaiserlichen Stadteskadron ein Bißchen nachvollziehbar zu machen. Ja, wenn die hinter dem Mariahilftor buchstäblich Verschlagenen keine richtigen Menschen waren, dann –
    Andererseits macht der Mönch den Wahn der Mörder sinnlich erfahrbar, indem er ihn verbal zu teilen scheint. Schaut, was geschieht, wenn man Menschen „Greißler“ nennt! Dabei werden nicht „Greißler“ lebendig verbrannt, sondern Menschen aus Fleisch und Blut.

    Sehr schön in diesem Zusammenhang die Unklarheit im Zeugnis des würdigen Doctor medicus, der als einer der ersten am Tatort war. Beschreibt er Fabelwesen oder Schwerverletzte? Als wollte er um seinetwillen die Dinge in der Schwebe lassen. Vielleicht waren’s doch echte Greißler après tout.
    Was will der Arzt gesehen haben?
    „die Augenſterne wären von einer milchigen Blindnis, in umliegendes Blutroth getauchet; der Mundt aus Schwellung offenſtehend; die Zunge gedunſen und von blutgem Ausfluß bedecket; die Haut des Halſes so ſchwärend wie das friſch aufgebrochne Gedärm eines Wolffes; endlich die Bruſt ein einzger Brandt; mit dem gräßlichſten Anblicke.“
    So in etwa geht auch die Mär um das Volk, das womöglich „im Gebirg der wilden Dacii oder Caucasii mählich anzutreffen“ ist.
    Flüchtet der Arzt aus der Stadt, weil ihn das Mitgefühl mit den Opfern überwältigt und er nicht länger unter Wienern leben möchte? Oder flüchtet er vor der simplen Wahrheit, die da lautet: Die Leute waren keine Greißler?

    Ja, die Groß-Marktplätze unter riesigen Dächern: Was ist dagegen zu sagen? Das Kleinvolk wird nicht schlechter bedient als früher, oder? Kann dort den „ärgsten Hunger“ stillen. Dass der Mönch materialistischen Geist wittert und die Waren madig macht, passt zu seinem Amt. Aber tu quoque fili? Was hast Du gegen Kaufhallen?

    Und jetzt die wichtige Frage: Was fügt die barocke Sprache und die antike Schreibweise der Erzählung hinzu?

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    • Wuah, scharfsinnig, Deine Beobachtung, Schum. Yepp.
      Ich hab das beim Schreiben der Geschichte nicht so konstruiert, sondern habe bloß das Einerseits-Andererseits der barocken Zeit einfließen lassen: Las Casas hat die Indianer als Menschen angesehen, obgleich sein Orden kurz zuvor andere Menschen als Monster verfolgt hatte.
      Und Madame de Sévigné bewegte sich mitten in der allgemeinen Verachtung für die Giftmischerin Voisin, aber als sie sah, wie man sie behandelte, schrieb sie seitenweise über diesen Justizmord, knallhart in jeder einzelnen Zeile.

      Noch während der Nazizeit erging es Vielen ähnlich, man verachtete den Juden, aber wurde plötzlich von antagonistischem Mitgefühl überfallen, wenn man sah, was mit den Juden geschah. Thomas Mann erging es so. Er hat sich entschieden, seine frühere Verachterposition restlos abzustreifen.
      Der konnte das.
      Adenauer und de Gaulle konnten es nicht.

      – Der Doctor Medicus in der Geschichte ist Naturwissenschaftler, der metaphysische Dichotomien irrelevant findet, denn er sieht Organe. Ich denke, dass genau diese Haltung die Zukunft ist. Nu ja, diese Art Zukunft hatte schon Leonardo da Vinci, nicht? Über vierhundert Jahre her. Und heute?, heute sind 70% der Deutschen davon überzeugt, dass der Jud‘ den Arabern das antut, was der Nazi damals dem Juden antat. Gute Juden damals, höllenentsprungene Juden heute

      – – Die barocke Schreib- und Denkweise. Hmmm. Die zeigt, dass die Aufklärung seit 250 Jahren stagniert. Ja? Der Erzähler empfindet seine Gegenwart als ebenso aufgeklärt und modern wie die Heutigen die ihrige. Trotzdem agieren sie mit Stereotypen und Dichotomien, dass es eine Sau graust.
      Was sagten die Aufklärer des technischen, sozialen, avancierten 19. Jahrhunderts über die Juden: Die hätten sich gefälligst zu assimilieren, um keine höllenensprungene Antirasse mehr zu sein. Man liebte die Kraniologie, die Pseudowissenschaft von den Schädelformen, anhand derer festgestellt wurde, ob einer rassisch minderwertig sei. Die Kraniologen sahen nicht einfach gleiche Organe. Die sahen Qualitäten.

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      • Adenauer verachtete die Juden? Hast Du Belege dafür?
        Mit ihm verbinden sich die Entschädigungs- oder Wiedergutmachungsgelder, die in Israel Tumulte verursacht haben. Diese „Pizujim“, wie man sie nennt, haben Ben Gurion beinah den Kopf gekostet. Die Mörder kaufen sich frei, ja? Und verkaufen tut dieser David unser Fleisch und Blut, macht die ermordeten Kdoschim zur Ware. Die „Besonnenen“ machten auf das materielle Elend vieler Überlebenden aufmerksam. Nichts ist vergessen, nichts ist verziehen, aber sollen die Armen Not leiden um des Prinzips willen?
        Keine leichte Entscheidung. Und jetzt sagst Du, dass der Pizujim-Kanzler die Juden verachtete? Das ist gerade in diesem Zusammenhang bitter.

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        • … es gibt einen Ausspruch Adenauers vor dem Bundestag, in der er die Wiedergutmachtung (dolle Vokabel) damit begründet, dass die Juden in den USA besonders viel Macht hätten. Davor warnte er.
          Er machte sonst nicht viele Worte, aber bei diesem Thema sprach er mehrere eindringliche Sätze.
          Mehr Aussprüche dieser Art weiß ich nicht. Man könnte welche finden -.

          Wer die Wiedergutmachungszahlungen (wer hat überhaupt den Terminis Technicus erfunden?) wegen der Macht der Juden und also wegen der von den mächtigen Juden ausgehenden Gefahr vorschlägt, tja, was ist der? Er entgleist antisemitisch.
          Ein Entgleiser

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        • pardon, TerminUs Technicus, mit U wie Uuh.

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        • Danke für die Antwort.
          Juden-USA: sapienti sat, wie mein Vater gerne sagte. Der sapiens, das war er. 🙂

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  41. Sind meine Bemerkungen nicht willkommen? Hm. Mache tapfer weiter.
    In der Erzählung kommen außer der Masse Volk drei Gestalten vor: der berichtende Mönch, der Arzt, dem der Mönch besondere Aufmerksamkeit schenkt und der Hauptmann der Kaiserlichen Stadteskadron.
    Ich finde es schön, dass ein Geistlicher sich hier für Humanität und Aufklärung einsetzt.
    Man könnte sagen: Der Autor hatte keine große Auswahl. Im 18. Jh. überstieg die Zahl der Analphabeten bei weitem die Zahl der Lese- und Schreibkundigen. Und dennoch gab es eine kleine Bürgerschicht, aus der RC hätte schöpfen können. Er hat aber den Mönch zu seinem positiven Helden gemacht.
    Damit tut RC als Autor genau das, wozu sein Held die Wiener aufruft: Er überwindet Vorurteile. Nein, ein frommer Christ muss kein Dunkelmann sein, kein Eiferer: den Auf- und Abgeklärten des 21. Jahrhunderts ins Stammbuch geschrieben.

    Im 18. Jahrhundert war es tatsächlich Abbé Antoine Guénée, der dem Antisemiten Voltaire Paroli geboten hat. In seinen Lettres de quelques Juifs portugais, allemands et polonais à M. de Voltaire ‒ Briefe einiger portugiesischen, deutschen und polnischen Juden an Herrn de Voltaire ‒ geht der Pfarrer Punkt für Punkt auf die Vorwürfe und Verleumdungen ein, von denen Voltaires Traité sur la tolérance (ausgerechnet!) Ekel erregend wimmelt: Nein, die Hebräer waren keine Wilden, die mit Tieren kopulierten, sich von Kot und Menschenfleisch ernährten oder Menschenopfer praktizierten. Nebenbei lässt der Abbé die Gottesmord-Anklage fallen (1769!).
    « L’abbé Guénée ne se contenta pas de considérer le Pentateuque de loin et de haut, en reprochant aux Juifs leur asservissement à la Loi. Il démontra la rationalité, la cohérence, l’humanité de la Loi juive. » ‒ Abbé Guénée ließ es nicht (wie Voltaire) damit bewenden, den Pentateuch von oben herab zu betrachten und dabei den Juden ihre Unterwerfung unter das Gesetz vorzuhalten. Er bewies die Rationalität, die Folgerichtigkeit, die Menschlichkeit des jüdischen Gesetzes.
    Tröstlich zu wissen, dass wenigstens damals Guénée viel gelesen wurde. (Gilles Banderier, « Voltaire et la naissance de l’antisémitisme moderne », Europe-Israël, 14.11.2014)

    http://www.europe-israel.org/2014/11/voltaire-et-la-naissance-de-lantisemitisme-moderne-par-gilles-banderier/

    Anderer Punkt.
    Man wüsste gern, wie Aris Freund dazu kommt, den Text als „wie von Goebbels“ zu bezeichnen. Zwar ist eine Autofahrt nicht die ideale Gelegenheit, eine Erzählung aufzunehmen, zumal der Fahrer sich manchmal 100% auf Anderes konzentrieren muss – oder hat Ari gleichzeitig chauffiert und vorgelesen? Zuzutrauen ist ihm das –, dennoch: Der Freund hat ein Urteil gewagt: „wie von Goebbels“. Ob er die plastische Schilderung des Doctor medicus gemeint hat: „die Augenſterne wären von einer milchigen Blindnis, in umliegendes Blutroth getauchet…“? Hat er sich vorgestellt, wie ein österreichischer Arzt mit ähnlichen Worten aus dem Warschauer Ghetto berichtet? Aber der Rahmen ist völlig verschieden. Im Übrigen hat die Sprache des Wiener Arztes in der Wiedergabe des Mönchs nichts von der Kälte der NS-Sprache. Ganz im Gegenteil: Sie ist so heiß wie ein Bosch-Gemälde.
    Also was?

    Wenn der geschätzte Autor immer noch nicht reagiert, versuche ich’s mit einem Sachertorten-Rezept.

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    • Aber ich reagier doch schon die ganze Zeit 🙂

      Pardon, habe seit gestern beim Aro1 agitiert, das Meiste steckt in der Morderation, da will man Hammern ans Leder. Wegen seiner Ausdrucksweise.

      À propos Ausdrucksweise: Jener im Auto auf der Autobahn (er telefonierte da ab und zu, hörte auch Nachrichten im Radio, konnte also durchaus einem Text lauschen) meinte wohl die Ausdrucksweise mit „wie von Goebbels“, vielleicht das Pathos?, aber es ist ein empfindsames Pathos, hingegen Goebbels‘ Pathos war hasserfüllt. Ich weiß bis heute nicht, was er meinte. Er machte gern die Dinge Anderer schlecht, meist Äußerlichkeiten – die seinigen fand er immer besser.

      Oder er hatte keine Beziehung zum Barock 😉 , das kann es sein. Alt und gewunden = wie von Goebbels, denn neu und teuer habe alles zu sein; Chefsache vom Markenhersteller, bloß nichts Staubiges mit Patina et aux trous de vermis.

      Danke für den Abbé Guénée. Sehr schön. In den werd ich mich mal einlesen.
      Ach!, ohne Deine vielen, vielen Anregungen hätte ich von sehr Vielem noch nie was gelesen.

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      • P.S.
        Der Chef im Chefauto war Jack. Du erinnerst Dich an den?, hast ihn einst woanders mal in virtueller Form genießen müssen. In voller Lebensgröße. Vor sehr violettem Hintergrund. Nicht dem seinigen, naturgemäß. Weswegen er die Besitzerin des Hinter- und Vordergrundes nach Kräften schlechtmachte.

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  42. Vom Chief Rabbi of IDF Shai Abramson: Ha-Tefila li-Schlom ha-Medina (Gebet für Israel), am Schabbes nach Tora-Leinen gesungen. Der hier wieder gegebene Teil ist vom Literatur- Nobelpreisträger Shai Agnon:

    אבינו שבשמים, צור ישראל וגועלו, ברך את מדינת ישראל, ראשית צמיחת גאולתנו.
    הגן עליה באברת חסדך ופרוש עליה סוכת שלומך.
    ושלח אורך ואמתך לראשיה, שריה ויועציה, ותקנם בעצה טובה מלפניך.
    חזק את ידי מגיני ארץ קדשנו, והנחילם אלוקינו ישועה ועטרת ניצחון תעטרם, ונתת שלום בארץ ושמחת עולם ליושביה.

    Awinu sche-ba-Schamajim, Zur Jisrael we-Go’aló, baréch et Medinat Jisrael, Reschit Zemichat Ge’ulaténu.
    Hagén aléha be-Ewrat Chassdécha u-fross aléha Ssukat Schlomécha.
    U-schlach Orchá wa-Amitchá le-Raschéha, Ssaréha we-Jo’azéha, we-takném be-Ezá towa mi-lefanécha.
    Chasék et Jedéj Meginé Erez Kodschénu, we-hanchilém Elokejnu Jeschu’á we-Atéret Nizachón te’atrém, we-natáta Schalom ba-Arez we-Ssimchat Olam le-Joschwéha.

    Our Father in Heaven, Rock and Redeemer of Israel, bless the State of Israel, the first manifestation of the approach of our redemption. Shield it with Your lovingkindness, envelop it in Your peace, and bestow Your light and truth upon its leaders, ministers, and advisors, and grace them with Your good counsel. Strengthen the hands of those who defend our holy land, grant them deliverance, and adorn them in a mantle of victory. Ordain peace in the land and grant its inhabitants eternal happiness.

    החזן הראשי לצה“ל שי אברמסון: תפילה לשלום מדינת ישראל

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  43. Liebe Aurorula, Dank für’s Entkursivifizieren 🙂 , das mir unentkursififizieret ſintemalen heiße Thränen und bittres Schluchtzen verurſachet hatte.

    Sagst Du was zu der Geschichte? Die ist sperrig

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  44. Noch kurz, wenn ich darf, zu der noch ungewürdigten Gestalt des Hauptmanns der Kaiserlichen Stadteskadron. Widmen tut ihm der Autor nicht mehr als zweieinhalb Zeilen in der Kommentarspalte:

    Der Hauptmann der Keiſerlichen Stadtescadron, ein beherzter Mann, erhob ſein fahles Antlitz und befahl, etwelches Holtz und Stroh zu requiriren und allerſchnellſtens ein heilſambes Feuer zu entfachen

    Und gerade in dieser Knappheit zeigt sich, was Literatur vermag. Es ist jedes Mal ein Wunder: Worte erschaffen eine Welt – Und das Wort ward Fleisch, wie es im Johannes-Evangelium heißt.
    Der beherzte Mann, dessen Entschlusskraft offensichtlich geschätzt wird ‒ er ist bereits Hauptmann der Kaiserlichen Stadteskadron ‒ erhebt „sein fahles Antlitz“ und befiehlt das Ungeheuerliche. Zusammen mit dem „heilsamen Feuer“ ergibt das die Gestalt des Fanatikers, der soeben vom Himmel den Befehl erhält, das Viertel von Ketzern und anderem Gesocks zu reinigen. Er gibt den Befehl weiter. Das „fahle Antlitz“ lässt das Bild des gebetsgewohnten Katholiken entstehen; das ist auch die Farbveränderung im Gesicht des Mannes, der sich bewusst ist, Menschengesetze zu übertreten, aber deus vult, sein Gott will es. Man sieht Ignatius von Loyola.
    Nicht auszudenken, wenn statt „fahl“ „blass“ und/oder statt „Antlitz“ „Gesicht“ stehen würde. Das ganze Bild würde an Wirksamkeit verlieren.

    Wen oder was seht Ihr?

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    • „erhob ſein fahles Antlitz“ ist El Greco. Da erheben auch dauernd Heilige ihr fahles Antlitz, während sie leiden und Anderen Leid zufügen.
      Uh, das ist auch Guido Reni. Wie grässlich :mrgreen:
      Zumal Navid Kermani, der halbherzige Islamist, der an allerlei leidet, 2009 in einem peinlichen Zeitungsartikel just den Guido Reni ästhetisch gefeiert hat. Das passt ja wie die Geballte aufs Hühnerauge.

      Das mit dem fahlen Antlitz ist leider trivial 😉 , wo sowas geschrieben steht, kann kein guter Text sein, erheben nicht auch bei der Courths-Mahler laufend heilige Leidende ihr fahles Antlitz?

      Dieser eine „tut nichts!, der Jude wird verbrannt“ erhebt auch sein fahles Antlitz. Ich lese grad nach, dass Lessing den Satz dreimal wiederholt hat (1779). Waah, dreimal. Damit schrammt er fast am Trivialen vorbei – und zum Glück könnte das „erhob ſein fahles Antlitz“ in meiner Geschichte grad noch als angedeutete Distanzierung des Erzählers vom Hauptmanne gelten?, ähm, wenn man wohlwollend ist

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      • Siehst Du, es rächt sich, dass ich noch nicht dazu gekommen bin, Courths-Mahler zu lesen; ein Buch wenigstens, zumal die geborene Mahler eine Jiddische war. Aber Mahler-Schmahler: „fahles Antlitz“ ist hier richtig, nicht die Bohne kitschig. Hier, schau:

        Der Hauptmann der Keiſerlichen Stadtescadron, ein beherzter Mann, erhob ſein fahles Antlitz und befahl, etwelches Holtz und Stroh zu requiriren und allerſchnellſtens ein heilſambes Feuer zu entfachen

        Vor „fahles Antlitz“ ein schlichtes, Tätigkeit implizierendes Adjektiv: „beherzter“. Danach ist alles Aktion: „befahl“, „requiriren“, „entfachen“, „allerſchnellſtens“ und Materie: „Holtz und Stroh“.
        Wir sind gerade nicht im Bereich des Gefühligen. „fahl“ und „heilſambes“ sind die einzigen Empfindungswörter. Wenn man so will.
        Im Übrigen schreibt der Mönch nicht kitschig, sondern barock. Nuance!
        Aber El Greco: Ja.

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        • 🙂
          Du rettetest mir soeben den Tag

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        • … und danke, dass Du mir zwar nochmal pour du bien den El Greco reinsemmeltest 😀 , mich aber mit dem Guido Reni verschontest. Das macht jetzt meinen Abend 🙂

          P.S.
          Unser Hammer hat Schwierigkeiten, beim Aro1 wird er wohl gesperrt – aus formalen Gründen. Was ist bloß los mit vielen Orthodoxen?, diese Formalismen und Petitessen und Stilfragen, warum muss auf denen rumgeritten werden?
          Ich schrub dorten: Wenn der Hammer nicht willkommen ist, habe auch ich da nichts verloren.
          Mal sehen, ob da jetzt einer sein fahles Antlitz erhebt, oder ein Gesicht.

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          • … und bei TiN ist die Kommentarfunktion schon im Weihnachtsurlaub. Ich hätte Caruso gern kondoliert und alles Gute für sie gewünscht – habe mich an ihrem Avatar entlanggehangelt zu einer Mailadresse von der ich hoffe daß es ihre ist & hoffe es kommt an?

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        • Wiil jetzt sehen, was sich bei Aro1 tut. Bin seit Monaten dort nicht gewesen.

          Wann willst Du die erweiterte Fassung posten? Jetzt oder nach Weihnachten, wenn Aurore aus dem Stress ist?

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        • Auch meine Kondolenzworte an Caruso sind in der Moderation stecken geblieben. Traurig.

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        • Die erweiterte Fassung war schon diese hier.

          … also Eure Kondolenzwünsche an Caruso stehen doch da?, Eure beiden, was Liebes von Aurorula und was Liebes von Schum mit Handhalten.
          Schlimm, dass ich sie nicht einfach besuchen kann

          P.S.
          Beim Aro1. Ulrich ventiliert, welche persönlichen Unterschiede er bei Beleidigungen ziehen müsste. Nein, so weit ist er noch nicht. Ich zieh ihn bloß da hin, die Unterschiede zwischen Angreifern und Verteidigern zu sehen. Weiß nicht, ob das möglich ist

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        • Pas de chance! Mein Kommentar bei aro1 steckt in der Schleife. Ob Becker wach ist und ihn heute Nacht noch zulässt?

          Habe Deinen wunderbaren Satz registriert: „Auf ihn (Hammer) kann man sich verlassen, und einer der sichersten Orte ist hinter seinem Rücken“.

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        • … die Mordernationsschleife ist das Allerausdauerdnste dorten, ausdauernder selbst als das Miststück Jaette. Das will was heißen

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        • … bin gespannt auf Deinen Kommentar!, jedoch dorten moderationsschleift alles vor sich hin. Derweil der Hammer gesperrt ist (bitte?!), er schreibt als MaximusMinimus oder so.
          Was passiert da-?
          Wenn der Blogbetreiber versucht, gerecht zu sein und bereit zu sein für zuhörende Antizionisten, die man nicht verschrecken darf (er kennt’n Beispiel!), dann passiert das. Sein Antlitz wird zunehmend fahl.
          Judentum ist keine Garantie.

          Bin recht froh, selber kein Blogbetreiber zu sein. So kann ich kompromisslos Unterschiede und verdammtnochmal Parteinahme fordern

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  45. Noch eins zu „Das Greißlerſterben“. Da ist ein Aspekt, den ich übersehen hatte, bis RC darauf hinwies. Merkt er in einem Kommentar (21.12.2014, 5:21 vormittags) an: „Aber der Erzähler hat Mitleid, und auch das Volk wich zurück.“
    Im Gegensatz zum Hauptmann der Kaiserlichen Stadteskadron.
    Und das bringt uns auf den Unterschied zwischen einem spontanen Pogrom und einem staatlich angeordneten Massaker.
    Ein spontanes Pogrom geht irgendwann zu Ende. Auch der heißeste Volkszorn kühlt ab, auch die Draufgängerischsten werden müde. Nach getaner „Halunkenarbeit“ (A.mOr) ziehen die Mörder ab, legen sich zu Hause schlafen. „Das Volk wich zurück“. Der Staat weicht nie zurück. Er sorgt für Schichtwechsel. Nach der ersten Schicht kommt die zweite, nach der zweiten die dritte. Bis zum letzten Greißler, bis zum letzten Juden.

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  46. Nicht aus Güte hab ich Dich mit Guido Reni verschont, sondern weil ich selbst bis jetzt verschont geblieben bin.
    Ich glaube nicht, dass unser Mönch, falls er das eine oder andere Gemälde des Meisters kennt, ihn geschätzt haben wird. Dazu weiß er zu viel vom Leben.
    Hier kein fahles Antlitz, aber dafür ein gen Himmel gerichtetes Porzellangesicht. Auch nicht erfreulich.

    http://www.nationalgallery.org.uk/paintings/guido-reni-saint-mary-magdalene

    Und hier: SM, falls Du darauf stehst.

    http://www.nationalgallery.org.uk/paintings/after-guido-reni-head-of-christ-crowned-with-thorns

    Schade um Guido Reni! Bei der handwerklichen Begabung hätte was aus ihm werden können.
    Aber danke für die Entdeckung, Ari.

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    • Guido Reni ist das Grauen schlechthin 😀 , er passt zu allerhand Geißeleien (nicht zu Greißlern) und zu Navid Kermani, dem Schwezzer.
      Augäpfel von unten konnt er sehr gut malen. Einen nach dem anderen.

      Und SM?, och nee. Manches ist mir zum Glück erspart geblieben. Manchmal bei Führungen durch St.Pauli führe ich die Leute am SM-Geschäft Endless Pain vorbei und mach mich darüber lustig, obgleich manche vor dem Laden so einen guidorenischen Ausdruck unten in ihren Augäpfeln kriegen.

      Das lässt sich auch Au’gäpfl aussprechen 🙂

      A gutte N8cht.

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  47. Der guidorenische Ausdruck unten in den Augäpfeln gilt nicht dem SM-Geschäft, sondern dem Führer bien évidemment. Da hast Du was missverstanden. 🙂

    A gutte N8cht auch Dir, Jakiri.

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    • Der Führer ist der guide, bien évidemment. Dass Du nicht wieder was missverstehst. 🙂

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      • Ah délivrance, das säjft mir jetzt voll meinen Ihwening 🙂

        ( habe den Tag halbwegs kochend vor Wut verbracht, aber nicht wegen des damaligen Damalsführers von damals [lohnt sich nich‘], oder nur wegen Guido dem ReniTier, sondern wegen der Art, wie der heiligreligiössuperorthodoxzionistische Aro1 mit einem tapferen Jiddn umgeht, der sich sofort VOR ihn stellen würde, um ihn zu verteidigen, wenn man ihn wegen seines komischen Hutes und dicker Brille angreifen sollte.
        Selbst jetzt noch würde der JID das tun.
        Aber der behütet Bebrillte schmeißt ihn raus.
        Aus Prinzip, und wegen der Form, und weil er es KANN.
        Einen fahleren Reni als diesen sah man selten. )

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  48. Eben Deinen (letzten?) Kommentar auf aro1 gelesen. Ein bitteres Vergnügen. Gibst Du nicht zu schnell auf? Ich frage, weil es nicht um Dich geht, sondern um einen Anderen.
    Meine eigenen Kommentare (von heute Nacht und heute Nachmittag), die zur Entspannung beitragen sollten, werden sich jetzt albern machen.

    Schum:
    Eine Karriere-Idee für Hammer: Er konvertiert zum Antizionismus und wird allein aufgrund seiner Vergangenheit als Ex-Aro1-User in den LINKEN-Vorstand gewählt. Mit so Einem werden sich dort Alle schmücken wollen. *Geflüster: Das ist der Typ, der von einem 1) rechten 2) Israeli und 3) Orthodoxen fast oder ganz rausgeschmissen werden sollte*
    Inge Höger, schmachtend: Mike Liebling, versprich mir, dass du mich beim nächsten Mavi-Marmara-Trip auf dem Frauendeck besuchst!

    PS. Der Fall einer Genossin, die sich bei seinem Anblick bekreuzigt haben soll, wird noch untersucht.

    Was für eine Moderation mesujénet (Übersetzung bei nachgewiesener Volljährigkeit) handhabt der Blog-Betreiber?

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    • Jetzt like ich mich schon selbst! Nein, will nur hinzufügen, dass der letzte Satz nicht zum Kommentar gehört.

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      • 🙂 *liked auch*

        Bin gespannt auf Deinen Kommentar… und nein, ich gebe schon nicht auf. Werd’s dort durchziehen (obwohl man da eigentlich nischt und wieder nischt mehr zu suchen hat, nicht?, denn was NÜTZEN die zionistischste Überzeugung plus das religiöseste Dasein des ganzen Schtetls, was zum Geier sind die WERT außer a bissele Selbstanhübschung, wenn einer dann jemanden so behandelt?
        Und die guten Artikel. Arrgh. Was sind die WERT, wenn einer, der die schreibt, sie doch nur um seiner Selbst Willen schreibt, aber fortwährend sagt, es sei für Erez Israel?!
        Mich bringt sowas so zum Kochen, das glaubt ja wieder gar keiner.)

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        • Doch! Ich glaube das, weil das ich Deinen Beiträgen drin ist.

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        • … selbst wenn er ihn wieder entsperrt oder sich sogar bei ihm entschuldigen sollte (was ich nicht glaube, er ist wohl nicht so der Typ dafür), hatte er sich entschieden, ihn wegen eines Formfehlers rauszuschmeißen. Da war dieser kurze, kalte Moment halben Bedauerns und formeller Untadeligkeit in dem einen Kommentar, als er sagte, ‚wir werden leider nicht mehr seine Ansichten zu lesen bekommen‘.

          Die Art Mensch hab ich zu häufig erlebt, selbst ab und zu in jüdischen Zusammenhängen (da sind’s mehr die Ehrenwürdenträger, nicht?), um nicht sehr schnell das ganz große Kotzen zu kriegen

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        • Was sagt das über einen Menschen aus, wenn er weltliche Juden und Nicht-Juden gleichermaßen dazu zwingen will, den Schabbes einzuhalten? Die frommen Juden zwingt er nicht: Die schalten den Computer nicht erst ein.

          Die Chabad-Seite ist am Schabbes zugänglich. Frag mich nicht, woher ich das weiß. 🙂
          Wegen solcher Dinge mag ich die Lubawitscher. Sagen sie sich: Besser, die Jidn öffnen am Schabbes unsere Seite, als dass sie sich mit „Ha-Arez“-Sewel (Mist) vollpumpen.

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        • – ähm, man kann auch -> fromm -> am Schabbes -> am Computer sein 😉 , das geht (aber frag mich nicht, woher ich das weiß).
          Man muss sich nur den Rebbn Schneerson ansehen, nur mal sein Ponim ansehen, dann weiß man, was man machen sollte und was besser nicht. Ja?

          – Und yep, jener Shabbatmodus (extra so geschrieben jetzt von mir) ist Vorschriftenmachen. Es gibt unter Observanten diesen Grundsatz, dass man sich gegenseitig darauf aufmerksam macht, Falls befürchtet wird, es liege eine Übertretung vor. Gut gemeint, es schlägt aber ganz schnell in Schurigelei um, bestenfalls in die Annahme, der Andere wisse das halt nicht so gut.

          Zwischen hilfreich und penetrant besteht da ein winziger Unterschied (Nuance!, würdest Du sagen 🙂 ), und komisch, dass just ein bestimmter Menschentypus dann in dem Zusammenhang so gern zum Vorschriftenmachen und zum rabbizadokschen Prinzip neigt.

          Denn Hammers Rausschmiss hat er gut gemeint.
          Ich werd ihn fragen (étant donné la présence de monsieur Godot au bec), wie gut er’s meinte. Nu!, als Besserungsvorschlag meinte er’s, den Hämmerschen mal sanft dort hin gebracht, wo man recht reagiert und recht handelt, und als freundliche Warnung, G“ttes Gesetze vom angemessenen Reagieren einzuhalten und auf rechten Wegen zu wandeln.
          (Ich krieg bei sowas so instinktiv & profondement das Kotzen)

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        • Chaim (s’l) handelte nach einem anderen Grundsatz als dem Aufmerksam-Machen. Und zwar gilt: Keine Übertretung ohne die Aussage von zwei Zeugen. Chaim war nie Zeuge, wenn ein Jid am Schabbes in den Bus stieg oder einen Brief öffnete. Er guckte grad woandershin.

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        • 😀

          Chaim s’l war ein Zaddik.

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  49. En attendant Becker (Du wirst den Namen richtig zu betonen wissen):

    Zurück zu Greißlersterben bzw. zum Fremden als definitionsmäßig böse (alte Sicht) und zum Fremden als definitionsmäßig gut (neue Sicht):

    Ist es nicht merkwürdig, dass der Jude von der Sichtänderung nicht profitiert? 1743 war er verhasst, weil fremd. 2014 gilt er im Vergleich zu den Drittweltlern und insbesondere zu den Mohammedanern als nicht fremd genug. Hat er doch die europäische, jüdisch-christliche Zivilisation miterbaut, die nach dem Willen der princes qui nous gouvernent aus dem Alltag und aus den Köpfen vertrieben werden soll.
    Das ist wirklich Pech.

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    • Ja, Ssewel godojl (großer Mischt).
      Man sieht’s an den Reaktionen der Lokalen gegen das geplante jüdische Museum in Köln, diese automatischen Reaktionen gegen Fremde. Fremd waren die Jiddn schon bei der Vertreibung aus Köln im 16. Jahrhundert, obgleich da schon Jiddn gelebt hatten, bevor die Rheinfranken kamen.
      Im Großen sieht man’s an der Resolutionssucht der UNO und an den Verordnungen der EU gegen Israel, den Jud‘ unter den Staaten, der fremd ist, egal was er tut oder nicht tut.
      Fremder als jeder massakernde Syrer und fremder als jeder glühende IS-ler ist der Jud‘.

      Im Kleinen sieht man’s an etwa Quirins Ausspruch neulich, „das Judentum als Religion ist nicht mehr zeitgemäß!“, wobei just das „mehr“ erstaunt, denn wann war es zeitgemäß?
      Man sieht’s auch an Krokodils plötzlicher Bemerkung vor drei Tagen gegen Brodern, den er schmierig fand, weil er wohl irgendwatt Falsches gesagt hatte. Sofort wird nicht argumentiert, was da falsch sei, sondern es wird einer verdammt. Weil der Fremde da erscheint.

      Und bei der allgemeinen Voreingenommenheit gegen Pegida geht’s gar nicht darum, das die was gegen Fremde hätten, nicht? Es geht darum, dass die sagen, ihnen passe die definitionsgemäß neue Sicht auf die mohammedanischen Fremden als den Guten nicht.
      Damit sind sie sofort rechts.

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      • Du sagst was anderes als ich, und zwar recht Interessantes.

        Du meinst, der Jude würde für die heutigen Europäer immer noch der Fremde sein, doch im Gegensatz zu den übrigen Fremden, die neuerdings als gut gelten, wäre er der Böse geblieben; so als gehörte er zu einer anderen Fremden-Kategorie. Was den Verdacht nahelegt, dass er bereits in der Vergangenheit kein Fremder war wie die anderen.

        Da hätten wir zwei Kategorien von Nicht-Einheimischen: den Fremden (früher definitionsmäßig böse, heute definitionsmäßig gut) und den Juden (früher und heute definitionsmäßig böse).

        Wie das möglich ist, frag‘ ich schon nicht, aber auch ich sehe, dass der Jude als böse gilt, egal was er tut.
        Einen kräftigen Beleg dafür, wie die gojische Umwelt den Juden konstant ablehnt, und zwar auch dann wenn dieser die Erscheinung wechselt, liefert der bekannte Religionswissenschaftler Ernest Renan (1823-1892). Schreibt er u. a. über den Juden:

        « Cet éternel Jérémie, cet homme de douleur, se plaignant toujours, présentant le dos aux coups avec une patience qui nous agace ; cette créature étrangère à tous nos instincts d’honneur, de fierté, de gloire, de délicatesse et d’art ; ce personnage si peu soldat, si peu chevaleresque ».
        (Cité par Zoltan Berkovits, La Colonne de Feu – L’actualité permanente de la Bible, Lausanne [1964], S. 36)

        [Dieser ewige Jeremias, dieser Schmerzensmann, ständig klagend und sich mit aufreizender Geduld den Schlägen darbietend; dieses Geschöpf, dem all unsere Instinkte für Ehre, Stolz, Ruhm, Zartgefühl und Kunst fremd sind; diese Gestalt, so wenig soldatisch, so wenig ritterlich.]

        „so wenig soldatisch“
        Das finden die Gutmenschen gerade nicht. Aber „tut nichts!, der Jude wird verbrannt“.

        Nebenbei: Wie ehrenvoll findet das Monsieur Renan, auf Wehrlose einzuschlagen? Kann man da stolz auf sich sein?

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        • … absoluter style.Napoléon-Trois, wie Renan da schreibt, das lelackt gelackafft Geckenhaft-Hahnenhafte so als patriotisch-katholisierende Tugendboldigkeit der überblüht heldischen Art.
          Klar muss so einer auf den Jud‘ herabsehen!, grad der illusionäre Gardeoff’zier mit geschnürte Wespentaille und -ä!- schart’jem Dejen anner Seite braucht das, ob nun Franzos‘ oder Teuton‘ oder Russ‘, weil er sich für so chevaleresk und schmuck und blitzäugig hält, dass er doch aufs Pferd einprügeln muss.

          – Böskategorien… ähm, jedoch die toten Juden von damals sind gut. Die sind immer die Guten, die keinem was taten.
          Also brauchen wir zu den beiden Böskategorien eine Unter-Gutkategorie sous condition de la mort.
          Kompliziert 🙂

          Et on se plaint toujours. Ach, kwetschn. En effet.

          Gutt Schabbes alle mitanand

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  50. Wisst Ihr was? Schabbes zu Ehren kriegt Ari ein Bisschen Tojre zu essen. Zwar darf man zu Schabbes den Computer nicht erst anmachen, aber da sage ich mir: Besser, der Jid liest jetzt was zu unserer parsche, als dass er sich mit den Quirins dieser Welt herumkeilt.
    Hoffe, auch Du hast was davon, Aurorula. Es ist aber nicht alles übersetzbar, vor allem der Geist der Dinge ist es nicht.

    Aus dieser reichen parsche „Wa-jigasch“ (und er trat zu ihm) will ich jetzt einen Punkt aufgreifen, der mir bislang entgangen ist, und zwar die Ähnlichkeit zwischen Jossef ha-Zadik und seinem Vater Jaakow Awinu: Beiden gemeinsam ist die pragmatische Einstellung zu den Dingen.
    Was sagt Jossef zu seinen Brüdern, nachdem er sich ihnen zu erkennen gegeben hat?

    ועתה אַל תֵעָצְבו ואל יִחַר בעיניכם כי מכרתם אותי הנה כי לְמִחיָה שְלָחַני אלוקים לפניכם. (בראשית מה, ה)

    We-atá al te’azwú we-al jichár be-Ejnejchém ki mechártem oti héna ki-le-michjá schelacháni Elokim lifnéchem.

    [Und nun kränket euch nicht, und es entbrenne nicht in euern Augen, daß ihr mich verkauft hieher; denn zur Lebenserhaltung hat Gott mich gesandt vor euch her. (Gen 45, 5; Zunz)]

    – le-michjá schelacháni Elokim ‒ zur Lebenserhaltung hat Elokim mich geschickt

    Kommentiert Emmanuel Lévinas (1906-1995) in einem Interview mit Josy Eisenberg:
    « Josef a été envoyé en Egypte pour nourrir les gens, pas pour leur faire la morale. ‒ Jossef ist nach Ägypten gesandt worden, um die Leute zu ernähren, nicht um ihnen Moral zu predigen.»

    Und wie reagiert jetzt Jaakow Awinu auf die Nachricht seiner Söhne, der totgeglaubte Jossef sei noch am Leben, sei gar Mischné le-Far’ó, Pharaos Stellvertreter, geworden? Ungläubig-sachlich, sehr sachlich. Den Passus muss man selbst lesen:

    „Und sie berichten ihm mit den Worten: Noch lebt Josef, und daß er Herrscher ist über das ganze Land Mizrajim. Aber sein Herz blieb kalt, denn er glaubte ihnen nicht.
    Und sie redeten zu ihm alle Worte Josef’s, die er zu ihnen geredet, und er sah auch die Wagen, die Josef geschickt, ihn zu tragen, da lebte auf der Geist Jaakob’s, ihres Vaters. (Gen 45, 26-27; Zunz)

    וַיַרְא את העגלות אשר שלח יוסף לשאת אותו וגו‘ (בראשית מה, כז)

    Wa-jar et ha-Agalot ascher schalách Jossef – und er sah auch die Wagen, die Josef geschickt. Der Beweis genügt doch, spart eure Spucke.

    Jaakow ist der Mann, der sich schon in seiner Jugend von Haschems großartigen Versprechungen nicht hat beeindrucken lassen.
    Sagte damals Haschem zu ihm im berühmten Traum von der Leiter:
    „Und siehe, ich bin mit dir, und werde dich behüten, wo du auch immer gehest, und dich zurückführen in dieses Land; denn ich werde dich nicht verlassen, bis ich getan, was ich geredet habe zu dir.“ (Gen 28, 15; Zunz)

    Und was hatte der Träumer dazu zu sagen?

    „Wenn Gott mit mir sein wird, … und gibt mir Brot zu essen und ein Kleid anzuziehen, … so soll der Ewige mein Gott sein.“

    אם יהיה אלקים עמדי וגו‘ ונתן לי לחם לאכול ובגד ללבוש וגו‘ והיה ה‘ לי לאלקים. (בראשית כ-כא)

    Im jihejé Elokim imadi … we-natán li Léchem leechól u-Wéged lilbósch … we-haja Haschem li le(E)lokim.

    – Léchem leechól u-Wéged lilbósch – Brot zu essen und ein Kleid anzuziehen: Das ist verbindlich und überprüfbar.

    Diesen Zug scheint auch Lévinas zu imponieren, der in Zusammenhang mit Riwkas Eifer beim Tränken der Kamele ruhig-kühn behauptet: « Le judaїsme fait donner à boire aux chameaux. – Das Judentum bewirkt, dass man den Kamelen zu trinken gibt. » (Zit. n. Binjamin Duvshani in einem Schiur zu Paraschat „Chajej Sarah“, RCJ, 25.10.13)

    Man denke auch an Jizchaks Tätigkeit im Land der Plischtim: Er säubert die Brunnen von der Erde, mit der die Bewohner sie immer wieder verstopfen. Diese Brunnen hat sein Vater Awraham gegraben.
    Die Juden nähern sich der Realität realistisch: Zuerst kommt das Fressen.

    Wenn Jaakow Awinu seinen Sohn Jossef bis zur Unvernunft den anderen Kindern vorgezogen hat, so nicht nur, weil Jossef der Sohn der geliebten Rachel ist. Wesentlicher ist, dass beide, Jaakow und Jossef, sowohl Pragmatiker wie Träumer sind. „Lechem“ (Brot) und „Chalom“ (Traum) schreiben sich mit denselben Buchstaben, nur in einer anderen Reihenfolge:

    לחם
    חלם

    Der Philosoph André Néher hat es in L’existence juive, 1962 (Kap. « La pensée israélienne ») auf den Punkt gebracht:

    « L’authentique force de la pensée israélienne ne réside ni dans le réalisme ni dans l’idéologie, mais dans une sorte de mouvement invisible portant l’un vers l’autre le réel et l’idée. »

    [Die echte Stärke des israelischen Gedankens liegt weder im Realismus noch in der Ideologie, sondern in der unsichtbaren Bewegung hin und her zwischen der Wirklichkeit und der Idee.]

    Wie sehr Realismus gepaart mit Idealismus Stärke ausmacht, haben schon Chasal (die Talmud-Weisen) erkannt. Sprechen sie doch von der Verbindung zwischen Maschiach ben Jossef und Maschiach ben David: Jossef ist die Kraft, die im Materiellen Initiativen ergreift, während Jehuda, der Ahne von König David, für die Kraft der Idee steht.

    Gut Schabbes, Freunde, schönes Wochende!

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  51. Aurorula, Hilfe! Wie kommt es, dass mein langer Beitrag eben verschwunden ist?

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    • Uh. Manchmal scheint sich WordPress zu verschlucken während des Kommentaresendens, beim Tapferen passiert das ab und zu, bei Aro1 passiert das andauernd (jedes zweite Mal!, na jetzt nicht, weil wir ja dorten den Schabbesmodus genießen dürfen, vorgeschriebenermaßen), aber hier ist es mir noch nie passiert.

      Am besten ist es, liebe Schum, den Beitrag in einem kleinen Schreibprogramm zu schreiben (Notepad) und ihn dann rüberzukopieren. Dann ist er nicht verschwunden, selbst wenn WordPress meint, es solle so sein

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  52. Zweiteiliger Kommentar.-

    Wisst Ihr was? Schabbes zu Ehren kriegt Ari ein Bisschen Tojre zu essen. Zwar darf man zu Schabbes den Computer nicht erst anmachen, aber da sage ich mir: Besser, der Jid liest jetzt was zu unserer parsche, als dass er sich mit den Quirins dieser Welt herumkeilt.
    Hoffe, auch Du hast was davon, Aurorula. Es ist aber nicht alles übersetzbar, vor allem der Geist der Dinge ist es nicht.

    In unserer reichen parsche „Wa-jigasch“ (und er trat zu ihm) will ich einen Punkt aufgreifen, der mir bislang entgangen ist, und zwar die Ähnlichkeit zwischen Jossef ha-Zadik und seinem Vater Jaakow Awinu: Beiden gemeinsam ist die pragmatische Einstellung zu den Dingen.

    Was sagt Jossef zu seinen Brüdern, nachdem er sich ihnen zu erkennen gegeben hat?

    ועתה אַל תֵעָצְבו ואל יִחַר בעיניכם כי מכרתם אותי הנה כי לְמִחיָה שְלָחַני אלוקים לפניכם. (בראשית מה, ה)

    We-atá al te’azwú we-al jichár be-Ejnejchém ki mechártem oti héna ki-le-michjá schelacháni Elokim lifnéchem.

    [Und nun kränket euch nicht, und es entbrenne nicht in euern Augen, daß ihr mich verkauft hieher; denn zur Lebenserhaltung hat Gott mich gesandt vor euch her. (Gen 45, 5; Zunz)]

    – le-michjá schelacháni Elokim ‒ zur Lebenserhaltung hat Elokim mich geschickt

    Kommentiert Emmanuel Lévinas (1906-1995) in einem Interview mit Josy Eisenberg:
    « Josef a été envoyé en Egypte pour nourrir les gens, pas pour leur faire la morale. ‒ Jossef ist nach Ägypten gesandt worden, um die Leute zu ernähren, nicht um ihnen Moral zu predigen.»

    Und wie reagiert jetzt Jaakow Awinu auf die Nachricht seiner Söhne, der totgeglaubte Jossef sei noch am Leben, sei gar Mischne le-Far’ó, Pharaos Stellvertreter, geworden? Ungläubig-sachlich, sehr sachlich. Den Passus muss man selbst lesen:

    „Und sie berichten ihm mit den Worten: Noch lebt Josef, und daß er Herrscher ist über das ganze Land Mizrajim. Aber sein Herz blieb kalt, denn er glaubte ihnen nicht.
    Und sie redeten zu ihm alle Worte Josef’s, die er zu ihnen geredet, und er sah auch die Wagen, die Josef geschickt, ihn zu tragen, da lebte auf der Geist Jaakob’s, ihres Vaters. (Gen 45, 26-27; Zunz)

    וַיַרְא את העגלות אשר שלח יוסף לשאת אותו וגו‘ (בראשית מה, כז)

    Wa-jar et ha-Agalot ascher schalách Jossef – und er sah auch die Wagen, die Josef geschickt. Der Beweis genügt doch, spart eure Spucke.

    Jaakow ist der Mann, der sich schon in seiner Jugend von Haschems großartigen Versprechungen nicht hat beeindrucken lassen.
    Sagte damals Haschem zu ihm im berühmten Traum von der Leiter:
    „Und siehe, ich bin mit dir, und werde dich behüten, wo du auch immer gehest, und dich zurückführen in dieses Land; denn ich werde dich nicht verlassen, bis ich getan, was ich geredet habe zu dir.“ (Gen 28, 15; Zunz)

    Und was hatte der Träumer dazu zu sagen?

    „Wenn Gott mit mir sein wird, … und gibt mir Brot zu essen und ein Kleid anzuziehen, … so soll der Ewige mein Gott sein.“

    אם יהיה אלקים עמדי וגו‘ ונתן לי לחם לאכול ובגד ללבוש וגו‘ והיה ה‘ לי לאלקים. (בראשית כ-כא)

    Im jiheje Elokim imadi … we-natán li Léchem leechól u-Wéged lilbósch … we-haja Haschem li le(E)lokim.

    – Léchem leechól u-Wéged lilbósch – Brot zu essen und ein Kleid anzuziehen: Das ist verbindlich und überprüfbar.

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  53. Diesen Zug scheint auch Lévinas zu imponieren, der in Zusammenhang mit Riwkas Eifer beim Tränken der Kamele ruhig-kühn behauptet: « Le judaїsme fait donner à boire aux chameaux. – Das Judentum bewirkt, dass man den Kamelen zu trinken gibt. » (Zit. n. Binjamin Duvshani in einem Schiur zu Paraschat „Chajej Sarah“, RCJ, 25.10.13)

    Man denke auch an Jizchaks Tätigkeit im Land der Plischtim: Er säubert die Brunnen von der Erde, mit der die Bewohner sie immer wieder verstopfen. Diese Brunnen hat sein Vater Awraham gegraben.
    Die Juden nähern sich der Realität realistisch: Zuerst kommt das Fressen.

    Wenn Jaakow Awinu seinen Sohn Jossef bis zur Unvernunft den anderen Kindern vorgezogen hat, so nicht nur, weil Jossef der Sohn der geliebten Rachel ist. Wesentlicher ist, dass beide, Jaakow und Jossef, sowohl Pragmatiker wie Träumer sind. „Lechem“ (Brot) und „Chalom“ (Traum) schreiben sich mit denselben Buchstaben, nur in einer anderen Reihenfolge:

    לחם
    חלם

    Der Philosoph André Neher hat es in L’existence juive, 1962 (Kap. « La pensée israélienne ») auf den Punkt gebracht:

    « L’authentique force de la pensée israélienne ne réside ni dans le réalisme ni dans l’idéologie, mais dans une sorte de mouvement invisible portant l’un vers l’autre le réel et l’idée. »

    [Die echte Stärke des israelischen Gedankens liegt weder im Realismus noch in der Ideologie, sondern in der unsichtbaren Bewegung hin und her zwischen der Wirklichkeit und der Idee.]

    Wie sehr Realismus gepaart mit Idealismus Stärke ausmacht, haben schon Chasal (die Talmud-Weisen) erkannt. Sprechen sie doch von der Verbindung zwischen Maschiach ben Jossef und Maschiach ben David: Jossef ist die Kraft, die im Materiellen Initiativen ergreift, während Jehuda, der Ahne von König David, für die Kraft der Idee steht.

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  54. Jetzt hat das Programm den zweiten Teil verschluckt. Woran würgt es nur?

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    • Sehr gut zu wissen, wie realistisch Jakow gewesen ist. Was sollte ihm ein Glauben?, er mochte nur eine Beziehung zu HoSchejm aufbauen, wenn er wusste, wofür. Und als man ihm Sagenhaftes über seinen Sohn in Ägypten erzählte, sagte Jakow, „no nonsense, ihr Schmocks!“, denn man erzählt überall die merkwürdigsten Geschichten, nicht?, und dann sah er Jossefs Wagen.
      Warum haben die Christen diesen Realitätssinn aufgegeben?, selbst als Säkularisierte halten sie an diesem Aufgegebenhaben fest. Man verlangt von Israel seit den 1970ern Vorgabe um Vorgabe, ohne dass die Israelis dafür je ein Brot, ein Gewand oder gar eine Wagenladung aus Ägypten kriegen.
      Nu, immerhin eine volle Wagenladung Friedensvertrag kam 1981 aus Ägypten, großer Wagen, leider zu magerer weil kalter Inhalt.

      Jakow steht immer noch da und will was für seine Vorgaben, aber er kriegt nichts außer Vorhaltungen zu hören, er sei verstockt und wolle nicht glauben.

      ( P.S.
      Mir ist diese Parsche grad unheimlich, weil die in ganz anderem Zusammenhang viel zuviel mit dem zu tun hat, was mir heute passiert ist, zum Teil!, und zum Teil verstehe ich den Zusammenhang nicht. Werde mir das mal systematisch hinlegen-. )

      Grojssen Dank für die Speisung zum Schabbes, Schum 🙂
      – Computeranknipsen nicht wegen Arbeitsverbot -> Feueranzünden -> Elektrizität. Weil Strom als Feuer definiert wird.
      Über diese Erschwerung, dass wegen dieser Herleitung einen Schalter zu bewegen verbotene Arbeit am Schabbes bedeute, ist das Judentum seit hundert Jahren in Verzug geraten, nicht?
      Wenngleich es meist mit unnötigen Tätigkeiten verbunden ist, indem man dann doch einen Schalter bewegt hat.
      Oder mit Dazulernen 🙂 , so wie mir grad jetzt.
      Oder mit Lesen Deiner Kommentare 😀
      Es braucht mehr Disziplin als vor hundert Jahren, um nicht im Zuge von diesem und jenem plötzlich Unnötiges am Schabbes zu tun.

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      • … nein, Nötiges. Am Schabbes ist Anderes nötig.
        Etwa das Lesen Deiner Kommentare 😀 , und das drauf Antworten. Doss senen a ojneg und a lernen

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        • Weswegen mich des Aro Einses Verbot erbittert, am Schabbes seine Seite aufzurufen.
          Weil er damit vorgibt, was Andere zu tun hätten.
          Und weil er vor Allem den Nichtjuden vorgibt, am Schabbes bei ihm nichts lesen zu dürfen. Was soll sowas-?

          Im Moment jedenfalls wäre es nicht schabbesdik, da zu lesen oder gar zu schreiben.
          Aber das hat er mit dem Zugangsverbot freilich nicht gemeint.

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      • Phantastisch der Einfall, die sagenhaften Reden der Jaakow-Söhne über den wiedergefundenen Jossef mit den noch sagenhafteren Zusicherungen der arabischen Friedensverhandler in Verbindung zu bringen: Wo sind die Wagen? Was kriegen wir für den Landstreifen zu sehen, der viel Geschichte erlebt hat, aber von keinem palästinensischen Volk was weiß? Was Jaakow sieht ‒ wa-jar ‒, das sind Morde und Mordversuche.
        Fraglich allerdings, ob die Kultur-Christen ihren Realitätssinn nachhaltig aufgegeben haben. Es trifft sich nur, dass Jaakows Realität seinem Bruder Essaw gut in den Kram passt.

        Versuche zu erraten, worauf sich die Bemerkung bezieht:

        „Mir ist diese Parsche grad unheimlich, weil die in ganz anderem Zusammenhang viel zuviel mit dem zu tun hat, was mir heute passiert ist, zum Teil!, und zum Teil verstehe ich den Zusammenhang nicht.“

        Aber dazu fehlt mir leider jeder Anhaltspunkt. Es fängt damit an, dass ich nicht weiß, ob Du den besprochenen Passus meinst oder die ganze parsche.

        Eben Deinetwegen einen Artikel vom „halbherzigen Islamisten“ Navid Kermani, überflogen, der Guido Reni so schau findet. Schau findet er auch den Koran, dessen Aussagen Ignoranten wie die von Al-Azar, von der OIC und vom IS aus dem „Kontext reißen“ und falsch interpretieren. Dazu der ehemalige Muslimbruder Hamed Abdel-Samad souverän (taz, 08.09.2009: „Ich bin zum Wissen konvertiert“):
        „Bitte sagen Sie jetzt nicht, dass die Suren Auslegungssache seien. Diese Tricks habe ich früher auch benutzt“.

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    • Ich habe alle beiden Kommentare aus der Warteschleife geholt die ich gefunden habe.
      Warum WordPress da etwas hineintut oder nicht ist mir freilich schleierhaft. Ein Bißchen was kann ich einstellen (etwa daß in einem Beitrag vier Links drinsein können statt daß schon der zweite für Quarantäne sorgt, oder ob ich jemanden überhaupt nicht posten lassen will) aber nicht viel. Was ich vor allem vermisse oder nicht finde ist die Möglichkeit zu sagen: wenn die oder der was postet, ist es grundsätzlich freigeschaltet, egal welches merkwürdige Problem der Spamfilter (das Programm nennt sich Akismet, übrigens) da schonwieder hätte. 😦

      … und wir sind über die Art-Vandelay-Grenze – jetzt sind es plötzlich zwei Seiten, die Kommentare hier. Vielleicht liegts auch mit daran? Wasweißich…

      Gut Schabbes & Schönes Wochenende jedenfalls Euch beiden!

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      • So seh‘ ich das auch: im Zweifel immer Art-Vandelay.

        Viel Vergnügen morgen mit Deinen Freunden! Und komm mit Geschichten wieder, ja?

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      • [ Sch-sch, sonst kömmt er-! ]

        – Diese Ar-, nein, diese Räu-häu, häu-häspergrenze war bei vierhundert Kommentaren, glaub ich. Was für eine Schlacht 🙂

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        • … es ist schlimmer als ich dachte, nein viiiel schlimmer 😀 , das hier fand ich grad und ja, es gibt ihn, nein, es gibt ihn immer mehr, und dann kommt er zur Tür herein:

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        • Vandelay existe, je l’ai rencontré (Bestseller von André Frossard :), 1969).

          A propos exister ou pas: Meint der Philosoph Michaël Bar-Zvi: Wenn man mir mit Shlomo Sand kommt, nach dessen Meinung es kein jüdisches Volk gebe, so pflege ich zu antworten, dass ich nicht sicher bin, ob es einen Shlomo Sand gibt.

          « … Certains comme Shlomo Sand renient cette histoire en écrivant que le peuple juif n’a pas existé en tant que peuple. J’ai l’habitude de répondre en disant que je ne suis pas sûr que Shlomo Sand lui-même existe… » (Actualité juive, 25/11/2014)

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        • Dann hat er ihn in Foussemagne getroffen 🙂

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        • Vielleicht im Arabisch-Kurs?

          « Le centre de formation Adiscos vous propose des formations professionnelles en arabe littéraire sur Foussemagne. »
          http://www.adiscos.com/formation-arabe-litteraire-foussemagne.html

          Zu Deiner Bemerkung vorhin: „Sehr gut zu wissen, wie realistisch Jakow gewesen ist. Was sollte ihm ein Glauben?“ fällt mir ein, dass das Christentum zwei Jesus-Apostel verurteilt: den Verräter Judas natürlich, aber auch den „ungläubigen Thomas“. Dass Letzterer sich überzeugen will, dass der Totgeglaubte tatsächlich auferstanden ist, das macht ihn in der christlichen Tradition verdächtig; marranisch, gewissermaßen.

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        • In Foussemagne (Clochemerle? 🙂 ) lassen sich diese Dinge lernen:
          anglais | excel | comptabilité | ressources humaines | espagnol | allemand | italien | photoshop | secrétariat | secrétariat/accueil | word | français | installation ordinateur | coaching /développement personnel | vente | portugais | adobe photoshop | bureautique générale | access | visual basic | russe | marketing/communication | arabe littéraire | japonais | webmaster | chinois | communication | commerce | logistique/supply chain | management

          Selbst in Foussemagne zieht man es vor, nicht ganz dumm zu bleiben.
          Aber arabe littéraire? Ist das die sanfte Literatursprache des Korans, der zu Morden aufruft ganz auf die Verfeinerte, oder ist das der Genießer Al-Buchari, der’s gern gnadenlos empfahl?
          Ein gefundenes Fressen für unsern Va-, Vaaaa-, Vandelbrmmpf.

          Ich würd da communication lernen wollen. Damit’s besser geht 😀

          P.S.
          Ja, so war das mit dem Judas, der wohl Yehuda hieß und folglich Geld wollte (jüdische Geldgier des Yehuda), und mit dem Thomas, der nur glauben wollte, was er berühren konnte. Pfuipfui.

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        • Ah, okay. ich dachte bei Dreihundert (das sind es) nicht bei vierhundert (die noch nicht).

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        • « Ecole d’arabe littéraire » ist so viel eleganter als « école coranique » oder „Koranschule“, nicht? Wer wird sich als Banause outen wollen, indem er gegen eine école d’arabe littéraire protestiert? Es ist, als würd‘ er zugeben, dass er den Guido Reni nicht kennt 🙂

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        • … nicht kennt (Bildung!)

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        • … wir könnten ja mal den *tuschel* Aro1 fragen, ob er ihn kennt. Wegen Halacha soll er ihn nicht kennen können. Das wird er aber nicht sagen; er wird sagen, dass er noch die schalojss schabbessewojss machen musste (er spricht’s leider anders aus [und meint auch was Anderes]) und dass er sich wegen irgend Renitenter zu sehr vor Loschn HaRa in Acht nehmen müsse (die er leider wieder anders ausspricht, weil im halachischen vollen Ernste).

          P.S.
          Pardon!, es war meine Loschn HaRa, die mich das zu schreiben trieb. Habe zuviel von den Tätilichkeiten des Aro1 gelernt. 😳 schon wieder. Muss dringend meine schalojss godolojss schabbessewojss machen, damit das mal halachischer werde.

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          • Was heißt übersetzt „Loschn HaRa“? *neugierigbin*
            Hatte mir irgendwo zusammengereimt, „HaRa“ ist bös und „Loschn“ ist Sprache, aber dann wäre „Loschn HaRa“ das was hinterher dasteht, nicht dessen Ursache. Böse Zunge?
            Zusammenreimen geht eben nur soweit *schulterzuck*. „Halachischer“ lese ich nach Schums Post über jahrtausendealte Witze damals als „besser“, wenn „halacha“ „gut“ ist? Oder war das „richtig“? Wegen dem halachischen vollen Ernst, dem richtigen/rechthaberischen?

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  55. Hatte mir irgendwo zusammengereimt, „HaRa“ ist bös und „Loschn“ ist Sprache, aber dann wäre „Loschn HaRa“ das was hinterher dasteht, nicht dessen Ursache. Böse Zunge?

    Großartig und scharfsinnig, die Frage! Großartig, weil sie uns elegant zu Greißlersterben zurückführt, und so scharfsinnig, dass ich nicht sicher bin, ob ich ihr gewachsen bin. Zum Glück ist auch noch Ari da. Sind wir schon zu zweit, um Verwirrung zu stiften. 🙂

    In Klammern zur Form: Ich weiß, dass Ari, wie die Ältesten unserer Gemeinde 🙂 Jiddisch bevorzugt; ich halte mich aber an das mir vertraute Iwrit, ja? Daher:

    Laschón: Zunge, Sprache, wie im Französischen „langue“; Ra (Substantiv und Adjektiv): das Böse, das Üble bzw. böse, übel, schlecht
    Leschon ha-Ra (Verkürzung des ersten, abhängigen Nomens, die man in der Alltagssprache nicht immer beachtet): „böse Zunge“ oder „üble Nachrede“.

    Die Nachrede kommt, wie der deutsche Ausdruck schon besagt, nach der Tat bzw. nach dem feststellbaren Umstand. Das klassische Beispiel aus der Tora: Mosches Schwester Mirjam und ihr Bruder Aharon ha-Cohen, der Hohepriester, wetzen sich die Zunge über Mosches Frau Zipora. Ja, was ist mit ihr? Sie ist schwarz, eine Midjanitin. Die himmlische Strafe folgt auf den Fuß: Mirjam bekommt einen weißen Hautausschlag, den man „Mezorá“ nennt.
    Nun, Zipora war wirklich schwarz („Ischá kuschit“) ‒ und die Herrschaften wirklich zum Speien. Die Leschon ha-Ra erfindet hier nichts. Aber wer sieht nicht, dass „das was hinterher dasteht“ Unzufriedenheit nährt, die Stellung des Chefs schwächt, und damit selbst zur Ursache für weitere Ereignisse wird? Tatsächlich folgt auf diese parsche „Be-Haalotchá“ die unglückliche Episode mit den Pionieren, die davon abraten, Kenaan, das künftige Israel, zu erobern, und als Krönung des Ganzen: ein von Mosches Vetter Korach geführter Volksaufstand.
    Die Leschon ha-Ra war nicht die einzige Ursache, aber eins kommt zum anderen, nicht?

    Modernes Beipiel: Zahal greift tatsächlich die bande de Gaza an, wobei arabische Kinder sterben. Was „hinterher dasteht“: Berichte mit Auslassung der vorausgehenden Hamas-Angriffe bei Aufstellung der eigenen Kinder zu Tötungszwecken, das wird wieder zur Ursache: Die Verdammung Israels gibt den Terroristen Recht und ermutigt sie zu weiteren Mordversuchen.

    Das Thema Leschon ha-Ra und Hozaát Dibá (gleich!) beschäftigt die Juden verständlicherweise seit Anbeginn. Was über sie geredet wird, entscheidet nicht selten über ihr Schicksal.

    Jetzt halte ich mich an den AKADEM-Vortrag der Historikerin Isabelle Cohen über den Tora-Abschnitt „Mezora“ (Hautausschlag als Strafe für üble Nachrede): „Metsora: des mots et des maux – Parler ou se taire“ (Von Worten und Übeln – Reden oder schweigen). (03.04.2014)

    [Wortspiel mit Homonymen: mot/s: Wort/e; maux (Pl. von mal): Übel]

    Vorneweg vielleicht: Hozaát Dibá ist Verleumdung, unwahres Gerede mit zerstörerischer Absicht. Leschon ha-Ra kann, wie oben, wahrheitsgemäß sein, muss aber nicht; Hozaat Diba ist nie wahrheitsgemäß. Leschon ha-Ra ist demnach der Oberbegriff.

    Wie lautet ein oft zitierter Spruch? Chajím u-Máwet bi-(je)dej ha-Laschon – Leben und Tod liegen in der Macht der Zunge/ der Sprache.

    חיים ומוות בידי הלשון.

    Woher die Macht der Wörter/Worte?
    Laut „Ssefer Jezirá“ (Buch der Schöpfung), das die Tradition Awraham Awinu zuschreibt (Forschung: zwischen dem 1. und dem 8. Jh.) wurde die Welt mit den 22 Otijot/Buchstaben des Alef-Bet erschaffen.
    Der Mensch besteht sozusagen aus Wörtern, ernährt sich von Sinn, erschließt sich die Welt per Symbole.

    Chasal (die Talmud-Weisen) unterscheiden vier Aspekte von Leschon ha-Ra:
    – Verleumdung als offene Gewaltausübung
    – Das Reden von einem Dritten (auch im Guten): Der Dritte, von dem die Rede ist, ist nicht da. Überspitzt gesagt: Man tut ihm Gewalt an. Und wie schnell schlägt das anfängliche Lob in Tadel um! Wer sich kennt, weiß Bescheid.
    – Das Reden zu Betrugszwecken (Honaát Dwarim): Werbung, Manipulation, Propaganda
    – Ratschlag: Wer weiß, dass sein Rat nicht angenommen wird, soll schweigen. Nicht erwünschte Ratschläge rufen oft innere Taubheit und (schädlichen) Widerstand hervor.

    Interessant die Ansicht des Sohars (Hauptwerk der Kabbala) –
    In Klammern: Die Tradition schreibt Ssefer ha-Sohar dem Tana Schim’on bar Jochaj (2. Jh.) zu. Die Forschung schätzt, dass es kurz vor seiner Verbreitung im 13. Jh. geschrieben wurde.

    Der Sohar setzt Mangel an guten Worten mit Verleumdung gleich. Dazu verweist er auf Tehilim:

    נֶאֱלַמתִי דומייה, הֶחֱשֵיתִי מִטוב וכאבי נֶעכָר. (תהלים לט, ג)

    Neelámti Dumijá, hecheschéti mi-Tow u-Cheewí nekár.

    [Ich verstummte in Schweigen, schwieg vom Guten, aber mein Schmerz war fressend. (Tehilim 39, 3; Zunz)]

    (« J’ai été silencieux du bon et ma douleur s’est aggravée. » – Ich schwieg vom Guten und mein Schmerz nahm zu.)

    So die Sohar-Deutung. Offensichtlich braucht der Mensch gute Worte: von Anderen, aber auch von sich selbst.

    Wer von Anderen schlecht redet, redet schlecht von sich. Ist es doch so, dass wir nur von uns reden: ich, ich, ich. (Isabelle Cohen. Nur die öden Drei sind von mir.)

    Was hat es aber mit den weißen Flecken auf sich?
    Das Licht von Bereschit, von der Schöpfungsstunde, ist noch in uns. Wie ein poröser Knochen Kalzium verliert, so verliert der Baal Leschon ha-Ra, der Nachreder oder Verleumder, ursprüngliches Licht, daher die weißen Flecken.

    Aurore, mein weißes Licht, wir sind hier im Bereich der Poesie, ja? Aber was macht Literatur, wenn nicht das Wirkliche auszusagen? Wie sagte der Dichter Jean Cocteau? « Je suis un mensonge qui dit toujours la vérité » ‒ Ich bin eine Lüge, die immer die Wahrheit sagt.
    Was uns zum Greißlersterben zurückbringt. Die Leute hinter dem Mariahilf-Tor fallen der Leschon ha-Ra zum Opfer, wonach sie die extravaganten, schädlichen Greißler wären. Dem Massenmord geht immer Leschon ha-Ra voraus. Zur Zeit gefährden die Juden den ohnehin brüchigen Weltfrieden.

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    • Génial. Danke, liebe Schum 🙂

      – Ich schwieg vom Guten und mein Schmerz nahm zu. Während der Schmerz der Anderen sich verdoppelte.

      Loschn HaRa gegen die Greißler (der Ausdruck hier als Variable), betrieben in der wievielten Generation, hat erst zu dem Greißlern geführt, nicht?, das Bild von denen würde ohne Loschn HaRa nicht existieren, jedoch die Greißler fangen dann an zu existieren, während man weiter Loschn HaRa gegen sie betreibt, und dann bringt man sie um.

      Der wu bakimmt mezojre
      hot nischt gelernt di Tojre

      🙂

      P.S.
      Und Du, liebe Aurorula, hast es Dir hergeleitet und trafst mitten auf die schwarze Zwölf. Hui.

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      • „Der wu bakimmt mezojre
        hot nischt gelernt di Tojre“

        Hui, ist das fein! Wir drei hier, fern von uns jede wajsse mezojre, stimmt?

        Wird umrahmt neben anderen Versen, die Du vor langer Zeit bei aro1 gepostet hast:

        „Liber hobn a mesuse un a menojre
        dan a wajsse mezojre.“

        Allein schon deshalb, müsste man Dir dort anders begegnen.

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        • Ach, den anderen Reim hatt‘ ich längst vergessen, danke für’s Finden!, kann man den guhgln? * probiert das Guhgln*, aha, kann man den.
          (Wie überaus stillos, sich selbst zu guhgln, sowas geht ja gaanich‘ 😀 )

          P.S.
          mezojre wird nicht gefunden, aber a wajsse mezojre sofortestens. Huch. Wie das? – Ich weiß überhaupt nichts vom Internet. Keine Ahnung, wie das geht oder nicht geht, oder warum. Da sind wir hier, ja?

          P.P.S.
          Ich hatte fest geglaubt, beim Aro1 gelte der Hammer als Freund. Einen Freund wegen einer geschmacklichen Abweichung rauszuschmeißen (oder überhaupt) und dann Religion vorzuschützen – wozu soll dann Religion gut sein?!, und was zum Geier soll daran Judentum sein?, nu ja, ich gehöre nicht dort hin, ich merk’s an des Aro Einses komplettem Unverständnis und an seinem komplett fremden Verständnis vom Judentum.
          Denn er behauptet ja, das sei Judentum. Boah. Wenn DAS Judentum ist – dann hätten wir uns damals mit Rabbi Zadok gemeinsam ausgerottet, einander.

          Hätt‘ ich alles nimmermehr vermutet – und habe solches auch noch nirgends erlebt, außer einmal in einer liberalen Firlefanzgemeinde, die von einem Bürokraten dominiert wurde, der sich am Liebsten mit anderen Bürokraten vernetzte. Der hat nur nach seinem eigenen Vorteil gehandelt und dabei so erbärmlich schlecht gelogen.
          – Aber der superorthodoxe Aro1?, und in Israel isser??, kann doch alles gar nicht sein, dass dann einer so…

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        • Wenn bei aro1 und anderswo bereits gesperrte Antisemiten jederzeit unter einem anderen Namen auftreten können, dann nützen schwarze Listen nicht viel, wie ich gerade von Becker lerne. Damit entfällt das Argument, die Entscheidung, Alle zuzulassen, würde vor allem dem Blog schaden. Die Sorge um feindliche Übernahme besteht also immer.

          Dann hätte aber Ulrich J. Becker einen anderen Zeitpunkt für die Löschung der überflüssig gewordenen Liste bestimmen sollen. Es bleibt die unfreundliche Koppelung der Widerlichen mit Mike Hammer.
          Und wie oft hast Du nachsetzen müssen, bevor der Blogbetreiber Bedauern ausdrückt (28.12.2014, 23:57)!
          „Ich bedauere es, dass Mike nicht mehr hier ist …“
          Spät, um Hammer die Kränkung vergessen zu machen.

          Was mich aber befremdet, sind die Fragen danach:
          „Ich bedauere es, dass Mike nicht mehr hier ist … Wem nützt es? Mike? Mir? Dir?“

          Was heißt hier: „Wem nützt es?“ Was ist das für eine Frage? Natürlich nützt es, wenn Einer Bedauern, Sympathie oder sonstwie Empathie bekundet. Wo leben wir denn? Wenn du mir auf den Fuß trittst und anschließend „sorry“ sagst, dann tut der Fuß nicht mehr weh. So ist es im Leben. Sonst wäre auch jede Bitte um Verzeihung im Ernstfall auch sinnlos. „Wem nützt es?“ So ein Stuss aber auch von Einem, der sich als Frommer wohl hauptsächlich mit Worten beschäftigt!

          Nebenbei: Wenn aro1 mein Blog wäre, würd‘ ich Jerry bitten, fremde Artikel nur in Auszügen zu posten und nicht ohne persönliche Bemerkung. Diese stumme Anhäufung macht den Kommentarstrang wenig attraktiv.

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        • … dieses seifige „Ich bedauere es, dass“ wollte ich ihm gestern Nacht nicht mehr um die Ohren hauen, so wenig wie seine Insinuation, ich stellte „seine Juedischkeit in Frage“.
          MannMannMann!, ich bedauere, Ihnen mitteilen zu müssen, dass wir nun die Pfändung beantragt haben. Ich bedauere es, dass Herr Scholtzke nicht mehr bei uns arbeitet, denn er ist schwul und wir mussten ihn aus religiösen Gründen nun mal entlassen. Ich bedauere es, Ihnen mitzuteilen, dass Ihre Stelle ab nächsten Ersten gestrichen wird.
          Usw. usf.
          Geschäftsdeutsch!, poliertes Blech!, Textbausteine auf die Kalte und Entseelte!, bah.

          Und die Jüdischkeit. Deise Geschäftsmäßigkeit und Kälte sind absolut unjüdisch, ebenso wie diese pfäffische Verschanzerei hinter „Shabbat und Halacha“.
          Charakterproblem, wie?, jedoch keins von fehlender Volkszugehörigkeit. Typisch aber für ihn, dass er’s wieder gezielt missversteht.

          Baah.

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        • … aber Jerrys Kasaki, die bis nach Berlin gekommen sind (erste Version mit Sängerin solo) hat mir gut gefallen.

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        • * kann und kann sich nicht dran gewöhnen, dass die Gréco und die Piaf passées sind und man nur noch Miniröcke nebst Lackschtiebeln sehen muss *

          Überhaupt Jerry. Der würde sowas (s.o.) nie machen. Nie!
          Ich wüsste außer dem Aro1 keinen, der sowas machte –

          Pardon!, Dein Themawechsel war richtig. 🙂 Also der sexy Gesang auf der Bühne. Ach warum nicht. Zumal er sowas von Antiislam ist, na da kann er ja nur gut&richtig sein.
          Aber der Aro1 sieht es sich nicht an – weil es nicht zniussdik (sittsam) genug ist.
          Weswegen bei Youtube-Links dorten generell kein Bild erscheint.
          Weil man ja eppes Unzniussdikess sehen können könnt‘.
          Gnagnagna. *kriegt wieder LoschnhaRa-Anfälle*

          Dochdoch!, Dein Themenwechsel war juste et bon, ma chère 🙂

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        • Et les jambes, dis! Et les seins, hein!
          Hinweis für die Tkoa-Bewohner: Konzentriert euch auf die Schuhe! Wahlweise: auf das Militär im Hintergrund oder auf die Musik oder auf irgendwas zanua. Geht alles mit etwas gutem Willen. Hauptsache: den Jidn a simche gönnen!

          Lajla tow, Euch beiden!

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        • Hier, Aurorula, damit Du weißt, wovon wir reden:

          Die Perlen, die Jerry von aro1 gefunden hat: Naši Kasaki, unsere Kosaken, die bis nach Berlin gekommen sind.

          Im Ernst: Die Erinnerung an diesen Sieg scheint dort ebenso lebendig zu sein wie sie mir im Herzen ist. Allerdings weiß ich nicht, ob man zu Putins Zeiten an dasselbe denkt wie ich: Ich sehe die Befreier. Was sehen die Mädels oder genauer: die Kulturtreibenden dort? Bereiten sie die Geister auf die Wiederherstellung des sowjetischen Imperiums vor?

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        • Ojwej 😀

          … in Tkoa hat man’s mit Viervierteltakt, den gönnt man sich da so grade noch, und selbst Schützenschnüre tragense (nennen sie Zissess).
          Der tkojische Amos wär dafür gewesen, sowohl als auch.

          A gutte lajle.

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        • Ari ha-Jakar,
          ich sehe, dass Du Dich bei aro1 erschöpfst, jetzt aber ohne Aussicht auf Erfolg. Mehr als Beckers „Ich bedauere es, dass…“ ist nicht zu erreichen. Oder doch?

          Was Du auf jeden Fall für Dich verbuchen kannst: dass Du Hammer getröstet hast. Er geht anders als er ohne Dich gegangen wäre. Man hat ihm beigestanden, ihn bei aro1 rehabilitiert. Das zählt unter dem Strich. Tu ne penses pas?

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        • Danke 🙂 , das hatte ich beabsichtigt: Dass der Hammer nicht ohne Vergeltung geopfert wird. Dafür hab ich da zugeschlagen.
          Und von Aro1 ist nichts zu erwarten. Was soll von jemandem zu erwarten sein, der Hammern kalt rausschmeißt? Dass er sich das dann anders überlegt? Harhar.

          Vielleicht ist er kurz zusammengezuckt und spürte einen Anflug von Scham (bin ihm ja nichts schuldig geblieben), immerhin. Er hat’s verdient.

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        • Den wichtigsten Erfolg hab‘ ich zu erwähnen vergessen, weil wir ihn inzwischen gebongt haben: dass Hammer unter seinem Namen wieder posten darf. Die Umstände sind unerfreulich, ja, aber Becker hat seine Fatwa zurückgenommen. Hammer hat das Blog verlassen, ist nicht gekippt worden. Ohne Deine Einmischung hätte sich dort nichts bewegt. Es gäbe immer noch eine Blacklist mit Hammers Namen. In dieser Stunde dagegen: keine Blacklist und zusätzlich ein Wort des Bedauerns.
          Möglicherweise ist noch mehr geschehen, was wir nicht wissen können: Denkbar, dass Becker künftig sieben Mal überlegt, bevor er einen jüdischen Mitstreiter sperrt. Womöglich hast Du eine Hemmung eingebaut.
          Bitte, auch Ulrich J. Becker hat ein Recht auf Kränkbarkeit, nicht? Es gibt Dinge, die man einsieht, aber nicht gleich zugeben kann. La vie, quoi…

          Diesmal wirklich: lajla tow, Jakiri.

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        • Fatwa!, das Wort der Woche.

          – Hmähm, einfach mal so gefragt, wofür steht überhaupt das ominöse Jott Punkt, für Jehuda??, also Ulrich-der-Jehude-der-Becker. Doll, doll, gadoll.
          Und an Musils Ulrich’n (ausm Manne ohne Eiheigenschaften) will ich lieber gar nicht erinnert haben.

          Wer schon so heißt, von dem ist auch woanders le mauvais goût zu erwarten, nein? Er hätt‘ sich doch bei der Einbürgerung Uri Hatanor nennen können, wahlweise Uri Ojwenson, wajl is a bissele schejner zu sugn ojwn dan ojf hochdajtsch tanor 😀 , und damit hat mich jezze voll und vollementer die LoschnHaRoooh wieder ereilt, ach das soll doch immer nich‘, pardon mille fois.

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        • Danke, Aurorula! Öffne Warszawskis About-Seite zum ersten Mal im Leben. Gleich was Schönes (nicht von Alexander).

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          • Hab die Nase überhaupt grade erst bewusst auf die Seite gesteckt (muß wohl vor einem halben Jahr was dort gelesen haben, weswegen WP mir den vorgeschlagen hat) – deswegen die about-Seite.

            P.S:

            gute Nacht an alle! 😀

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        • … überlege seit 11:56 nachmittags, wer WP ist, Werd Puurmann nicht, Witzchak Perlman?, Wathan Parszawski?, Wike Pammer?, Walter Perrmann isses ja zum großen Glück auch nicht, aber eine Wanda Pirnpaum, eine Waltraud Prommbeer?

          🙂

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          • 😳 WordPress
            Also kein wer, ein was. Habe am Jahresende eine Zusammenfassung für das Blog hier per Mail bekommen und untendran ein paar Vorschläge was mich auch interessieren könnte. Unter anderem anti3’s Blog – das war wenigstens jemand den ich kannte und nicht …wird von Leuten mit ähnlichen Interessen … bli, bla, blub.

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  56. Darf ich einen kleinen Abstecher zu unserer parsche „Wa-jechi“ (und er lebte), der letzten im Buch Be-Reschit (Genesis), machen? Da ist nämlich ein Punkt, zu dem ich gern Eure Meinung hätte.

    Der Kontext: Eben ist Jaakow Awinu in Ägypten gestorben, nachdem er sich von seinen zwölf Söhnen verabschiedet hat. Vize-König Jossef lässt ihn einbalsamieren und erfüllt anschließend den letzten Wunsch seines Vaters: Begrabt mich in Chewron, im Familiengrab, das mein sejde (Großvater) Awraham vom Hetiter Efron gekauft hat.
    Vorletzte Station auf dem Weg zur Me’arat ha-Machpela, jener Doppelhöhle, die seit Menschengedenken den Fantastinensern gehört: Der Wagen mit Jaakows/Israels Sarg samt schwerem Ehrentross macht Halt jenseits des Jordans in einer mit Bocksdorn umzäunten Tenne (Góren ha-Atád). Mag auch sein, dass sich die Tenne schlicht so nennt: „Atad“ (Bocksdorn; „Lycium“ für die Gebildeten):

    ויבוא עַד גורן הָאָטָד אשר בְעֵבֶר הירדן וגו‘. (בראשית נ, י)

    Wa-jawóu ad Góren ha-Atád aschér be-Éwer ha-Jardén…

    [Und sie kamen bis zur Tenne Atad, welche jenseits des Jarden’s… (Gen 50, 10; Zunz)]

    Dazu tradiert Raschi, unser Nationalrebbe (11. Jh.), eine Talmud-Legende:

    Es begab sich zu dieser Zeit, dass die Könige Kenaans und die Fürsten der Jischmaeliten Krieg miteinander führten. Als sie Jossefs Krone gewahr wurden, die auf dem Sarg lag, ließen sie vom Kampf ab, nahmen ihre Kronen und hängten sie um den Sarg. Er stand von Kronen umzäunt nicht anders als eine Tenne mit Dornen.

    Meine Frage: Führt die Dornen-Tenne über den Dornen-Sarg direkt zur Dornenkrone des „Rex Iudaeorum“ auf dem Kreuz? Oder spinne ich?
    Man hat sich an diesem Reni-Bild so sehr gewöhnt, dass man es beinahe natürlich findet. Eine Handvoll schadenfroher Juden lässt sich unter den wohlwollenden Blicken der römischen Besatzer einfallen, einem selbsternannten König eine Krone aus Dornen zu verpassen.
    Also ich find’s nicht natürlich. „Natürlich“ wär’s gewesen, eine Krone aus Laub zu flechten, oder aus Blumen oder aus einem damals gängigen Billigstoff. Warum Dornen dawka?
    Haben wir’s vielleicht mit einer Legende zu tun, die nach dem Willen der Evangelisten Jesus mit Jaakow Awinu verbinden soll, von dem er ja über Jehuda und König David abstammen soll? Erneute Absicherung: Er ist der Messias.
    Die Christenheit mag die Erinnerung an die Tenne verloren haben, aber die ersten Christen, die ja Juden waren, werden sich ihr Bild aus vertrauten Elementen geschaffen haben. Auch Chasal haben die Geschichte um den Góren ha-Atád von irgendwo her.
    Wusstet ihr übrigens, dass die Dornenkrone heute in Notre Dame de Paris aufbewahrt wird? Nicht auszudenken, was damit geschehen wird, wenn die Kathedrale zur Moschee wird!

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    • Meine Frage: Führt die Dornen-Tenne über den Dornen-Sarg direkt zur Dornenkrone des „Rex Iudaeorum“ auf dem Kreuz? Oder spinne ich?
      Weder noch, würde ich sagen, wenn ich das mal weiterspinne.
      Als sie Jossefs Krone gewahr wurden, die auf dem Sarg lag, ließen sie vom Kampf ab, nahmen ihre Kronen und hängten sie um den Sarg. Er stand von Kronen umzäunt nicht anders als eine Tenne mit Dornen.
      Alle Fürsten folgen dem Respektszeichen Jossefs – der den Toten für wichtiger als sich selbst hält und ihm deshalb seine Krone und seine Fürstenwürde symbolisch überträgt – und legen ihre Kronen ebenfalls dazu. Wie hier ausgedrückt wird das es viele waren lese ich zunächst mal so, als hätte der Schreiber das Bild einer Hecke im Kopf gehabt: der Sarg hatte von sovielen Zeichen des Respekts (=dem Toten übertragenen Hoheitszeichen) schier eine Hecke aus Kronen; wie dort steht komplett eingezäunt. Nachdem der Jagerzaun damals wohl noch nicht erfunden war (auch für kleines Glück konnten sie damals dankbar sein!) erinneren die Spitzen bei Kronen in dieser Masse eben an Dornen. Vor allem soll hier (lese ich draus) aber wohl die Anzahl hervorgehoben werden, komplett außenrum. Geht in einem Blumenmeer unter wäre ähnlich.
      Eine Handvoll schadenfroher Juden lässt sich unter den wohlwollenden Blicken der römischen Besatzer einfallen, einem selbsternannten König eine Krone aus Dornen zu verpassen.
      Soweit ich das im Kopf habe (ich schlage noch nach, bin mir nicht sicher) sind es die römischen Besatzer selbst mit den Dornen.
      Nun schließt sich Jude und Römer sein nicht aus (z.B. der Geschichtsschreiber Flavius Josephus meine ich war beides?), natürlich. Und nichtjüdischer Römer sein schließt auch nicht aus, daß diejenigen bei den Dornen am austeilenden Ende die Geschichte trotzdem gekannt haben: sie wohnten mehr oder weniger da.
      Schon garnicht daß die Evangelisten sie kannten. Vielleicht ist der Busch beim verfassen der Evangelien aus diesem Grund ein Dornbusch geworden, wie Schum oben sagt? Durchaus möglich. Möglich wäre auch daß das eine Anspielung auf einen brennenden Dornbusch sein sollte, von wem auch immer (also die Evangelisten schreiben wollten, diejenigen die die Dornenkrone flechten wollten damit sagen: der hält sich wohl für Moses?).

      Wusstet ihr übrigens, dass die Dornenkrone heute in Notre Dame de Paris aufbewahrt wird? Nicht auszudenken, was damit geschehen wird, wenn die Kathedrale zur Moschee wird!
      Wußte ich nicht. Und das obwohl ich in Paris war und Notre Dame angeschaut habe. Wieder was gelernt, toda 🙂 !
      Wenn die Kathedrale zur Moschee wird und ‚unislamisches‘ Kulturgut über die Seine geht habe ich so die leise Befürchtung daß auch nicht mehr Reaktion kommt als bei jahrtausendealten jüdischen, hinduistischen oder buddhistischen historischen Schätzen die in den letzten Jahren von Islamisten geplättet wurden. Und das obwohl das direkt vor der Haustür ist.
      Das Grabtuch von Turin hat angeblich sogar Leonardo da Vinci gefälscht (weiß man nicht 100%ig sicher, aber ziemlich); weswegen ich mir gerade meine Reaktion darauf ausmale, wie jemand einen echten da Vinci verbrennt, weil unislamisch.

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      • Zuerst mal: 1000 Todot für die ausführliche Antwort!

        Wie schön Du die Szene beschreibst, die Raschi nach gewohnt-knapper Art nur skizziert! Genau: Hier sind viele Fürsten, viele Hoheitszeichen, viel Achtung. Das Alles evoziert Raschi in einem Satz, den ich bei der Wiedergabe zerlegt habe.

        Bei den Evangelisten Matthäus, Markus und Johannes sind es die römischen Soldaten, die dem „Rex Iudaeorum“ spöttisch eine Dornenkrone aufsetzen. Mir geht es nicht um fragliche Fakten, sondern um den Bericht, den jüdische Schreiber Jahrhunderte später darüber verfasst haben.
        (Nach Guy Fau, La Fable de Jésus-Christ, Paris 1963: Synoptiker um 150/160; Johannes-Evangeliums um 170)
        Wenn wir annehmen, dass die Kreuzigungsszene eine Beschreibung aus jüdischen Quellen ist, so ist anzunehmen, dass einschlägige Sagen und Erinnerungen hineingeflossen sind. Daher meine Schnapsvermutung, die Legende um das Begräbnis des Stammvaters Jaakow, dessen Sarg von einer Dornenhecke umrahmt zu sein schien, könnte den Schreibern die Idee von der Leidenskrone gegeben haben.

        Wenn ich richtig erinnere, unterstreichen die Synoptiker den „richtigen“ Stammbaum des Geschichtshelden: Jawohl, er stammt ab vom König David, der selbst ein Nachfahre von Jehuda ben Jaakow ist, der von seinem sterbenden Vater (im jetzigen Wochenabschnitt) zu hören bekommt:

        גור אריה יהודה מטרף בני עלית וגו‘ לא יסור שבט מיהודה ומחוקק מבין רגליו עד כי יבוא שילה ולו יקהת עמים. (בראשית מט, ט-י)

        Gur Arjé Jehuda mi-Téref Bni alíta … Lo jassúr Schéwet mi-(Je)huda u-Mechokék mi-bejn Ragláw ad ki jawó Schiló we-lo jik’hát Amim.

        [Jungleu, Jehudah, vom Raube, mein Sohn, kommst du herauf!
        Nicht weichen wird das Zepter von Jehudah, noch der Herrscherstab von seinen Füßen, bis der von Schiloh kommt, und ihm wird der Gehorsam der Stämme. (Gen 49, 9-10; Zunz)]

        Zu „Schilo“ notiert Raschi: „Melech ha-Maschiach sche-ha-Meluchá scheló“ ‒ König Maschiach, dem das Reich gehört.

        מלך המשיח שהמלוכה שלו.

        (Hier ist ein Wortspiel mit „Schilo“ und „schelo“, seins.)

        Mit anderen Worten: Jesus sei über seinen Vater Josef der erwartete Maschiach ben David. Ich weiß: Nicht Josef ist sein leiblicher Vater, aber den Evangelisten ist die Abstammung eben dieses Josef wichtig.
        Daher meine Vorstellung, dass die Verleihung der „Kronenhecke“ aus der außerbiblischen Sage um die dornenumzäunte Tenne den Evangelisten als zusätzlichen Nachweis für die königliche Abstammung ihres Heilands wichtig war.

        Der Dornbusch! Auf die Idee, das Ganze damit zu verbinden, kommt kein Jid nie und nimmer. Und weißt Du warum? Weil „Dornbusch“ im Original ein anderes Wort ist. Nichts mit „Kozim“, Dornen. Was da in der Wüste brennt „we-ennénu ukál“, ohne aufgefressen zu werden, ohne niederzubrennen, heißt auf Iwrit: Ssne (offenes „e“ wie bei „j’ai“).

        סְנֶה

        Auch im Unterricht und bei Vorträgen außerhalb Israels benutzt man das unübersetzte Wort „Ssne“.

        *baff*

        Schnell zu Notre Dame de Paris fahren und Dir die Originalkrone anschauen? Ich weiß nicht, ob es Paris noch gibt, aber Dornen wird es noch geben.

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        • PS. Bei nochmaligem Überfliegen Deines und meines Textes stelle ich fest, dass der mir inzwischen richtig unsympathische Leopold Zunz (1794-1886), der maßgebliche Übersetzer der „Heiligen Schrift“ für jüdische Haushalte wieder interpretiert, statt zu übersetzen. Ergebnis: Du kannst Raschis Bemerkung zu Schilo nicht einordnen.

          Was steht im Original?

          לא יסור שבט מיהודה וגו‘ עד כי יבוא שילה וגו‘. (בראשית מט, י)

          Lo jassúr Schéwet mi-(Je)huda… ad ki jawó Schiló…

          [Nicht weichen wird das Zepter von Jehuda… bis Schilo kommen wird…]

          Schilo ist demnach eine Person, ja? Was macht Zunz daraus?
          „Nicht weichen wird das Zepter von Jehudah… bis der von Schiloh kommt…“ (Gen 49,10)

          Schilo ist bei ihm ein Ortsname, was es auch ist, aber nicht in diesem Passus. Wie sollst Du ohne Kenntnis des Originals Raschis Bemerkung über Schilo, „Melech ha-Maschiach“ verstehen?

          מלך המשיח שהמלוכה שלו.

          Der Maschiach ist ein Ort? Kein Wunder, dass Viele die Jidn für meschugge halten. Sie lernen sie durch Zunz kennen.

          Lajla tow, Aurorula und nochmals toda!

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        • [ Ui!, endecke grad, dass Ihr hier ja richtig viel geschrieben habt!, wie fein, da bekomme ich heut Abend, wenn ich wieder zurück bin, ja richtig viel zu lesen 🙂 *freut sich schon* ]

          [ À propos, a guttes Jor allerseits :D, ob’s nun schon anfing, angefangen hat, anfängt oder anfangen wird. ]

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  57. Noch etwas Futter für die lange Nacht? Da sind noch zwei bewegende Kommentare, die ich mit Euch teilen möchte.

    Allgemeiner Kontext: Jaakow Awinu liegt auf dem Sterbebett und lässt seine zwölf Söhne zu sich rufen. Er nimmt Abschied von jedem Einzelnen, wobei er über die Köpfe der Anwesenden hinweg auch zu den Nachkommen spricht.

    Noch einmal zu Jaakows Worten an seinen Sohn Jehuda:

    גור אריה יהודה מטרף בני עלית וגו‘ לא יסור שבט מיהודה ומחוקק מבין רגליו עד כי יבוא שילה ולו יקהת עמים. (בראשית מט, ט-י)

    Gur Arjé Jehuda mi-Téref Bni alíta … Lo jassúr Schéwet mi-(Je)huda u-Mechokék mi-bejn Ragláw ad ki jawó Schiló we-lo jik’hát Amim.

    Zunz beiseite! Ich versuch’s wortgetreu:

    [Löwenjunge Jehuda, von der Beute, mein Sohn, bist du aufgestiegen… Nicht weichen wird der Stab von Jehuda und der Gesetzgeber zwischen seinen Tatzen (Beinen) bis Schilo kommt, und ihm der Gehorsam der Völker.]

    Zum Vergleich:
    „Jungleu, Jehudah, vom Raube, mein Sohn, kommst du herauf!
    Nicht weichen wird das Zepter von Jehudah, noch der Herrscherstab von seinen Füßen, bis der von Schiloh kommt, und ihm wird der Gehorsam der Stämme.“ (Gen 49, 9-10)

    In Klammern: Auch ein Ding, dass Zunz „Amim“ (Pl. von „Am“) als „Stämme“ wiedergibt („und ihm wird der Gehorsam der Stämme“), obwohl man sogar auf TiN weiß, dass „Am“ Volk bedeutet. Er interpretiert, statt zu übersetzen. Und warum tut er das an dieser Stelle? Aus Angst, da könnte der Wilhelm Marr kommen und sagen: „Hört, hört! Der Jud‘ strebt die Weltherrschaft an“?

    Ja, die Prophezeiung ist dunkel wie alles, was Jaakow Awinu an diesem Tag zu seinen Söhnen, den Vätern der Stämme, sagt. Deshalb gilt die parsche als „sstumá“, verschlossen.

    Jetzt der bewegende Kommentar von R. Yehudah Aryeh Perlow („Kol Jehuda“, 1946) zu:

    Lo jassúr Schéwet mi-(Je)huda u-Mechokék mi-bejn Ragláw ‒ Nicht weichen wird der Stab von Jehuda und der Gesetzgeber zwischen seinen Tatzen

    לא יסור שבט מיהודה ומחוקק מבין רגליו ‒
    יהודה יתן לעולם מחוקקים מורי דרך נושאי תרבות מפיצי אור, ומה גומלים לו על כך? שלא יסור ממנו שבט, ובו מלקים ומענים אותו ללא הפסק וללא רחם. (קול יהודה; יהושע שפיגל, רשפי תורה, ע‘ 128)

    [Geben wird Jehuda der Welt Gesetzgeber, Pioniere, Kulturträger, Lichtverbreiter, und was ist der Dank? Nicht weichen wird von ihm der Stab, mit dem man ihn schlägt und quält ohne Unterbrechung und ohne Mitleid.]

    Und vom weißrussischen Rebben Jizchak Jaakow Reines (1839-1915) traurig nicht minder zu der umformulierten Aussage:

    לא יסור שבט מבני ישראל עד שיבוא המשיח.

    Lo jassúr Schéwet mi-Bnej Jisrael ad sche-jawó ha-Maschiach.

    [Nicht weichen wird der Stab von Bnej Jisrael, bis der Maschiach kommt.]

    כל הזמן נחוש על בשרנו את השבט. כל הימים יהיו חובלים בנו שלא נשכח אף ליום אחד היכן אנו עומדים בעולם; שלא נהיה מסיחים את דעתנו, אף ליום אחד מכך, שאין אנו יושבים בביתנו. (רבי יצחק יעקב ריינס; יהושע שפיגל, רשפי תורה, ע‘ 128)

    [Spüren werden wir die ganze Zeit al-Bssarénu, an unserem Fleisch, den Stab. Alle Tage schlägt man uns, dass wir keinen Tag vergessen, wo wir in der Welt stehen; dass wir keinen Tag uns vom Gedanken ablenken, sche-ejn ánu joschwim be-Wejténu, dass wir nicht in unserem Hause sitzen.]

    Jetzt sitzen wir be-Wejténu, im eigenen Haus, nicht? Und auch das lässt man uns keinen Tag vergessen.

    Wer ist der Frummste im ganzen Land? Wer das Jahr beendet und beginnt mit Tojre.

    Und jetzt ein Running Spliff auf Aurorula, A.mOr und Ari! Ein gutes Jahr 2015 für uns und für Am Israel!

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  58. Nachklabb

    … ein gewisses Problem war hier einst erwähnt worden, nämlich mein Backofenproblem. Wobei schon dieses ein Problem ist, nämlich die Zuordnung, weil ich kein Problem mit dem Backofen hatte, sondern der Backofen hatte eines mit mir: Er hatte also ein Ichproblem. Wenn der Backofen denn ein Ich hat, was jedoch ein Zuordnungsproblem wäre, wobei ich jedoch mit Ich das Ich von mir meinte, nicht etwa das Ich des Backofens. Aber ich habe ja kein Problem mit mir oder mit einer Zuordnung, sondern der Backofen hatte ein Backofenproblem wegen mir (früher sagte man lieber meinetwegen, das ist freilich schöner als wegen mir, aber der vorstehende Satz ist nun mal ein Wegen-Mir-Satz und kein Meinetwegen-Satz!, zumal der Backofen kein Backofenproblem meinetwegen hatte, sondern durch mich.) Ob der Backofen als solcher überhaupt ein Problem hatte, so als Backofen und als Backofenproblem, ist freilich unbekannt, den ich kann ihn nicht fragen.
    Ach doch, ich kann!, aber ich tu’s nicht, denn womöglich sagt er mir eine Antwort.

    Im Moment sagt mein Backofen gar nichts, befindet sich also im selben Backofenzustand wie zuvor, ja?, aber nein!, der Backofen befindet sich jetzt in einem völlig anderen Backofenzustand als in seinem Backofenzustand-des-Backofenproblems!, denn ich habe es gelöst. Das Backofenproblem. Für, mit und wegen des Backofens und seines sowie meines Backofenproblems. Nein, nicht gelöst mit dem Backofen, also ich, denn er (der Backofen) stand so da, während ich davor, darauf und daneben das Backofenproblem löste. So als Backofen stand er da (wie denn auch sonst?) und war einfach Backofen.
    Er ist nun mal einer.

    Das Backofenproblem war zuvor ein manifestes, denn just diese nämlichen Backofenprobleme haben es an sich, dass sie manifest kulminieren und kulminieren.
    Der langen Rede kurzer Sinn: Noch niemals in der langen und manifest problematischen Geschichte der Backöfen hat sich solch ein Backofenproblem von selbst gelöst. Einer musste kommen und es lösen. Nu, ich!, wer sonst?, denn ich hatte das Backofenproblem verursacht, nicht etwa der Backofen selbst!, denn ich bin viel böser als mein Backofen, indem ich ihm Backofenprobleme bereitet habe, wohingegen er mir zuvor noch nie ein Ichproblem bereitet hatte: Sondern Speisen hatte er mir bereitet.
    Dafür habe ich ihm dann ein Backofenproblem gemacht.
    Ich hatte folglich nein ursächlich ein manifest gestörtes Verhältnis zu meinem Backofen.

    Ich gelobe, derlei nicht wieder zu tun, sondern derlei zu unterlassen. Und zwar gelobe ich das hier, vor Zeugen!, nicht etwa vor meinem Backofen, denn es ist fraglich, ob er ein Zeuge sein kann, will, darf, möchte, müsste, oder überhaupt.

    Der noch längeren Rede noch kürzerer Sinn:
    Dieses Backofenproblem war ein manifest erhebliches, ja ein manifest erhebliches Backofenproblem!, justement wegen dieser manifesten und kulminierenden, ja erheblichst manifestest kulminierenden Erhebungen vor und auf und neben dem Backofen, die das Backofenproblem zu einem sehr erheblichen und sehr manifesten, weil manifest kulminierenden Backofenproblem gemacht hatten.
    Erwähnte ich das schon?
    Die Kulmination und immer weitere Kulmination (Steigerung des Wortes Kulmination gesucht) dieses Backofenproblems bestand nämlich in der Akkretion (feines Wort) jener Erhebungen, nämlich eine erhebliche Akkretion!, die einen manifesten Zuwachs von Erhebungen mit deren manifester Akkretion bedeutete. Und nein, ich habe nicht zuviel Thomas Bernhard oder gar Heideggern gelesen, und ich habe ich kein Sinn-, Nacht- oder gar ein Alkoholproblem, nicht mal mehr ein Backofenproblem!, denn ich habe es gelöst. Ich habe es schon erwähnt. Das Backofenproblem erwähnt naturgemäß, und das Lösen des Backofenproblems erwähnt, um so manifester.

    Davor, also vor dem Backofen, nein nicht vor dem Backofenproblem!, sondern vor dem Backofen als Entität, und nicht zeitlich davor, sondern ganz und gar räumlich davor, also raumzeitlich davor im Raum und in der Zeit kulminierend und kulminierend (Steigerung von kulminierend gesucht), also davor, deutlicher, VOR dem Backofen!, nein nicht davor, denn das wäre kein Backofenproblem!, denn ich hatte ein manifestes solches und der Backofen wohl eines mit mir!, oder der Backofen und ich hatten gemeinsam eines!, ja so wird es gewesen sein.
    Was gewesen ist: Davor, also räumlich nein raumzeitlich davor, nämlich vor dem Backofen als Entität, also davor, darauf, daneben und umgekehrt stand, lag, lagerte, kulminierte und weste all jenes, was dort nicht stehen, liegen, lagern, kulminieren und wesen darf, denn just indem da etwas so manifest steht, so manifest liegt, so manifest lagert, so manifest kulminiert und so manifest west, entsteht eben ein Backofenproblem!, und dann hat man eins. Manifest.
    Ja?

    Ich habe aber nun kein Backofenproblem mehr, so wenig wie der Backofen ein Problem mit sich selbst hat, sofern er ein Selbst und also ein Backofenproblem haben könnte.
    Indem ich nun wirklich der allerlängsten Rede allerkürzesten Sinn hier jetzt hintun muss, nicht?, also hier und jetzt, nicht?, weil auch meine Rede sonst kulminiert und manifest kulminiert (Steigerung gesucht usf.), wenn sie das denn nicht schon tat. Was ich befürchte. Und dann verursache ich hier ein Redeproblem, befürchte ich, wobei ich doch kein Backofenproblem mehr habe!, also keins-mehr habe!, und warum soll befürchteterweise nun ein Redeproblem herrschen und womöglich kulminieren, wenn doch das Backofenproblem nun nicht mehr kulminiert: Weil es nämlich das oder überhaupt ein Backofenproblem nicht mehr gibt, nämlich, indem es nicht mehr kulminiert.
    Weil es naturgemäß in der Natur der Sache eines Backofenproblems liegt, dass es kuminiert. Wenn ich das nicht schon erwähnt habe und hier also befürchtetermaßen wirklich nun ein sich kulminierendes, manifestes Redeproblem verursache.

    Also was da manifest stand, manifest lag, manifest lagerte, manifest kulminierte und allermanifestestens weste, nämlich vor und neben und auf und immerzu um und bei dem Backofen (genannt Backofenproblem!, nicht dass man mich falsch verstehe oder gar mein Backofenproblem!, das ja nun keines mehr ist!, ich erwähnte es schon!, also wegen der Rede und wegen des Sinns und wegen des Backofenproblems und seiner Lösung in aller Kürze!), und um es nun manifest deutlich zu sagen:
    Das Backofenproblem ist gelöst.
    So.
    Das wollte ich nämlich sagen 🙂
    Danke für Eure Geduld.
    Ich werde sie mir zu Herzen nehmen.
    So wie auch sonst so Einiges.

    P.S.
    Ich hatte ein Backofenproblem. Nein, das Backofenproblem hatte mich, und es hatte den Backofen, mithin hatte es sich selbst als manifest ontologisches, weil manifest kulminierendes Backofenproblem. Das nun nicht mehr besteht. Wobei somit die Unzeitlichkeit des Backofenproblems-An-Sich (apriorisches Fornalproblem in der einschlägigen Fachliteratur) bewiesen ist, zeitlich, räumlich, einschlägig, raumzeitlich (naturgemäß!) und ontologisch. Denn das, was davor, darauf, daneben, dabei und überhaupt stand, lag, lagerte, kulminierte und weste, ist weg.
    Ja, weg!
    Der Weg ist die Lösung des Backofenproblems, mithin sein kulminierendes weg-Sein, das manifest kulminiert, indem man es löst. Weil dann das Backofenproblem nicht mehr manifest apriorisch kulminiert, sondern sich auflöst: Nämlich indem ich es löste.
    Der furchterregenden Rede Sinn:
    Lösung des Backofenproblems leichtgemacht.
    Durch die Lösung desselben.
    Danke vielmals für Eure Geduld 🙂

    P.P.S.
    Sollte der Sinn der kurzen Rede kein Sinn der Rede sein, nämlich weil der Sinn dieser Rede nicht klar wurde:
    Ich habe die Küche aufgeräumt, und zwar so, wie kein Mensch eine Küche aufräumt, denn ich hatte ein manifestes Backofenproblem, ich erwähnte es schon. Und zwar ein furchterregend manifestes. Indem ich die Küche im Exzess aufräumte, habe ich nun zwar einen Exzess, habe jedoch kein Backofenproblem mehr!, und dazu habe ich wieder eine Küche, die den Namen verdient.
    Indem der Exzess nun naturgemäß keiner mehr ist.
    Nicht mal der.

    Nicht, dass man mich falsch verstehe und mich für einen Exzessiven oder gar für einen Meschiggenen mit furchterregend manifestem Backofenproblem hielte.
    Und nope!, ich bin nicht meschigge oder meschigge geworden, nicht mal wegen oder durch oder beim Backofenproblem, nein beim Lösen desselben, denn es ist nun keins mehr.
    Meschiggität und naturgemäß das Backofenproblem gelöst, bis sie keine mehr sind, weder so noch so, oder umgekehrt.
    Danke für Eure Geduld 🙂

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  59. Nachklabb 2. Haushaltsprobleme aktuell, heute: Das Saubstaugerproblem als Saubstaugerentsetzlichkeit

    … zumal mein Backofenproblem, nein mein gelöstes Backofenproblem nicht die letzte Entsetzlichkeit gewesen ist, leider nicht!, denn die heutig aktuelle Entsetzlichkeit meines Saubstaugers ist eine sehr, ja mehr und mehr entsetzliche. Zumal diese Saubstaugerentsetzlichkeit um viele entsetzliche Gößenordnungen entsetzlicher ist, als mein Backofenproblem nein mein gelöstes Backofenproblem je gewesen ist, zumal jene erwähnte und leider sehr virulente und virulentere Saubstaugerentsetzlichkeit heute kulminiert ist!, genauer: Es geht jetzt hier leider um den Zustand dieses Saubstaugers innen, also um diesen ZUSTAND!, von dem ich sofortigextremistisches Halskratzen und eine sofortestwoodyallensche Quasierkältung bekam, wohl eine schockierend allergische Schockreaktion!, zumal dazu eine im Geiste!, denn dieser Saubstaugerzustand war einer der entsetzlichsten Zustände, wenn nicht DER allerentsetzlichste aller entsetzlichsten Zustände. Weswegen ich nach dem Ende des Schabbes beim entsetzlichen Öffnen dieses Saubstaugers prompt in einen katatonanaphylaktischen Entsetzensschockzustand verfiel, genauer: In dem Moment, in dem ich jene Entsetzlichkeit von Saubstauger öffnete!, denn ein Etwas Namens Saubstauger IST nun mal zu öffnen, sofern dessen Saubstaugerpapierbeutel auszutauschen sey, gleichgültig, wie anaphylaktisch oder vitriolisch oder satanisch entsetzlich oder wie noch jenseitig anwachsend entsetzlicher dieses Öffnen nun sey.

    Hier erwähnt sey nur: Das Öffnen dieser Saubstaugerentsetzlichkeit war das allerjenseitigst entsetzliche Öffnen im Diesseits, im Jenseits und in wohl allen weiteren Seinsweisen.
    Und: Dieses Öffnen des Saubstaugers gilt leider dazu das allerentsetzlichste Öffnen überhaupt in meinem jungen Leben!, zumal ich in diesem Leben leider schon einiges sehr und mehr Entsetzliches geöffnet habe!, nolens oder volens!, inbegriffen jenes äußerst entsetzliche Öffnen jener entsetzlichen Grufttür hinein in die Schwärze des Jenseits in jenem frühromanischen Kapellengemäuer von Luhdorf (Mecklenburg), denn ich weilte einst in diesem Luhdorf (Mecklenburg) wegen allerlei frühromanischer und überhaupt wegen architektonischer Dinge, wobei deren Erörterung freilich hier zu weit führen würde, viel zu weit!, weswegen ich mich hier auf die kurze Erwähnung der Entsetzlichkeiten des Öffnens der Luhdorfer Grufftür und auf die etwas längere weil ungleich entsetzlichere Entsetzlichkeit des Öffnens meiner Saubstaugerentsetzlichkeit beschränken muss und werde!, und indem ich einst dorten in Luhdorf (Mecklenburg) das Öffnen jener Grufttür vom frühromanischen Gemäuer mitten hinein in die Schwärze des Jenseits ganz überaus entsetzlich fand, ach überaus!, fand ich doch das Öffnen meines entsetzlichen Saubstaugers am heutigen Mozzej Schabbes (also nach dem Ende des Schabbes, aber die Erläuterung dieses Ausdrucks würde hier abermals zu weit führen!, viel zu weit!), weswegen ich mich hier auf die Beteuerung beschränken will und muss, auf die ehrliche und ehrlich empfundene Beteuerung!, dass das Öffnen meines Saubstaugers an diesem heutigen Tage (nein nach Ende dieses heutigen Tages, weil Mozzej Schabbes, aber die Erläuterung usf. würde wieder zu weit führen!), dass also dieses usf. ein ganz überaus entsetzliches Saubstaugeröffnen gewesen ist.
    Indem diese Entsetzlichkeit auch auf anderer Ebene weiter zu- und zunahm usf., weil der Greißler an der Ecke dann keinen Saubstaugerbeutel für meinen Saubstauger hatte.
    Weswegen ich am Montag zu einem anderen Saubstaugergreißler werden gehen müssen.
    Weswegen ich folglich erst am Montag werde saubstaugen können.
    Obgleich ich jetzt hätte saubstaugen wollen.
    Ganz gerne eigentlich.
    Sofern denn der Saubstauger überhaupt noch gehen sollte.
    Was freilich fraglich ist, sehr, sehr fraglich.
    Denn manche Saubstauger sind zu entsetzlich, um zu gehen.

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  60. P.P.P.S.
    Nachklabb 3

    Ach ach, jenes Backofenproblem stellte sich zwar als einigermaßen wortreiches Problem dar, wenngleich der Backofen selbst niemals ein Wort dazu gesagt hat, denn das wäre zu beängstigend!, jedoch es wäre freilich viel weniger beängstigend gewesen als jenes darauf folgende, kulminierende und nicht mit bloß fehlenden Stellungnahmen meines Backofens verbundene Saubstaugerproblem!, das jedoch nicht wegen der fehlenden Stellungnahme meines Saubstaugers (analog zu jener ebenso fehlenden meines Backofens) ein beängstigendes gewesen ist, sondern mehr noch wegen meines nach wie vor und noch immer nein um so mehr und mehr bestehenden Mülleimerproblems!, das wirklich und wahrhaftig eines der Beängstigenden und Kulminierendsten jemals war, ist und sein wird.

    Jedoch man habe keine Sorge, dass ich hier oder jetzt oder womöglich hier und jetzt etwas über dieses in der Tat äußerst beängstigende Mülleimerproblem äußern würde, denn das würde ich nicht!, schon weil dieses Mülleimerproblem ein überaus um nicht zu sagen ganz ungemein überausestens beängstigendes Mülleimerproblem ist.

    In concreto: Weil ich das Ding nicht aufkriege. 😦

    Seit viel zu langer Zeit es nicht aufkriege. Was: Es. Das Mülleimer.
    Weswegen sich dieses Mülleimerproblem nun unaufhaltsam und auf entsetzlich lineare Weise zu einem absolut unaufhaltsamen und immer entsetzlicher linerar anwachsenden und ultimat beängstigenden Mülleimerproblem auswächst.

    Denn: Falls ich diesen Mülleimer nein dieses Mülleimerproblem nun mit Gewalt, nein mit mehr Gewalt nein mit ALLER GEWALT versuchte zu öffnen, was jedoch nicht geht!, nicht weil Gewalt nicht ginge!, mit Konditional!, sondern weil das Öffnen nicht geht!, und zwar nicht im Indikativ!, ja dann ginge vielleicht das Versuchen des Öffnens mit aller nur vorstellbaren anzuwendenden, imperativischen GEWALT!, aber dann wird sich dieses beängstigend ultimate Mülleimerproblem imperativisch schlagartig in ein extremes nein in das allerletzte extremistische Katastrophenmülleimerproblem auswachsen: Und zwar sofort, sur-place, incontournablement und ohne jeden weiteren Verzug.

    Das kann doch keiner wollen!

    Weswegen ich nun hier und jetzt über dieses überaus entsetzliche und immer entsetzlichere Mülleimerproblem lamentiere, denn davon muss man doch mal reden, nein?, und ferner naturgemäß, um nun hier den 365sten Beitrag zu schreiben 🙂 , denn dieses erwähnte mit einem fürchterlichen Schlage zur Absolutultimatentsetzenskatastrophe anzuwachsen drohende Mülleimerproblem soll nun immerhin dafür gut sein, um hier den 365sten Beitrag hinzutun 🙂 , soll also überhaupt für was gut sein, und das ist es ja jetzt nun wohl.

    Schankedön.

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  61. „Der Henker. Ich habe meine Aufgabe. Ich wollte immer meinen Sinn!“

    Bald bin ich ja Bergführer anstelle des Bergführers,
    das ist sogar sinnhafter als Kalif anstelle des Kalifs.

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  62. Geil, das hungrige Smiley!
    WIE hast Du das in den Artikel gekriegt?
    Muß man dazu das Smiley als Datei bei den Bildern hochladen?

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    • Das ist kein Smiley, sondern ein Bild, das so tut als ob.
      Leider kann es deswegen auch nur allein in einer Zeile stehen.
      Selber hochzuladen brauche ich das dazu nicht, das geht wie bei jedem anderen verlinkten Bild auch – außer ich möchte nicht daß der dem ich den entführe ein Trackback zu meinem Artikel bekäme. Aber ein „habe den Smiley bei einem Kochrezept probieren lassen“ ist ja nichts Schlimmbes. 🙂

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  63. Hmmmm. Es steht aber mitten IN der zeile, das andere am Schluß.
    denk denk.

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    • Huch! IN der Zeile. Wie hat’s das geschafft-?

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      • Ich habe gerade nachgeschaut, mit dem Editier-Programm von Wordpress. Ich habe so getan, als sei das Smilie ein Foto. Die kann man im Post entweder linksbündig, rechtsbündig, mittig oder mit dem Text in die Zeile setzen. Letzteres fügt den Smilie so ein, als wäre nie was gewesen. In einem Kommentar geht das nicht, da geht nur das hier:

        Also für sich allein mit Leerzeile drunter und drüber.

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