Paved with good intentions

The Road to Hell is paved with good intentions – der Weg zur Hölle ist mit guten […] gepflastert.

Taucht das irgendwo auf, dann meistens mit ‚intentions‘ als Vorsätzen. An die sich diejenigen auf dem Weg zur Hölle nicht halten: „Nach dem nächsten höre ich auf“, „Nächste Woche fange ich an“, „Dieses Jahr wird alles anders“, etwa.
Da ist sicher Wahres dran. Das fällt allerdings eher in die Rubrik ‚Weg zum Untergang‘. Wirklich höllisch, und seltsamerweise künstlerisch viel weniger gewürdigt, werden ‚intentions‘ als gute Absichten: „Es war gut gemeint, …“ stellt allzuoft den Prolog zur Katastrophe dar.
Wenn das gutgemeinte vermeintlich ‚gute‘ Ideen sind die Welt zu retten, ist ein guter Zeitpunkt zur Flucht gekommen. Auch wenn nicht gleich die Welt, sondern etwas anderes gerettet werden soll, ist es meistens nicht verkehrt zumindest Laufschuhe zu schnüren und aufzupassen.

Weg

Ganz reales Straßenpflaster. Nicht etwa der Weg zur Hölle, sondern der von A nach B; dazu gedacht drüberzulaufen, draufzutreten, entlangzufahren, Hunde drauf Gassi zu führen und es beschnuppern zu lassen...
Und sollte einem Hund ein allzumenschliches Mißgeschick drauf passieren, nehmen Sie es ihm nicht übel: halten Sie sich an Hundehalter, die das Malheur nicht beseitigen. (Dann allerdings richtig. Legen Sie von mir ruhig eine Schippe drauf: ich habe mir einmal das Handgelenk böse verstaucht, weil ich im ‚Malheur‘ eines ungesehenen Hunds ausgerutscht und gestürzt bin.)

Das alles tut sich auf Pflastersteinen. Im Gegensatz zu Grabplatten und Gedenksteinen – auf denen sollte das alles eher nicht stattfinden. Zumindest kenne ich keine Religion, in der es nicht respektlos ist, über Grabplatten zu laufen…

… doch, eine: Links-/Gründenken. Genauer erklärt:

Es ist auch möglich, reale Straßen mit guten Absichten zu pflastern. Desaströs guten Absichten vom Weltrettungskaliber. Pflastersteine nennen sich dann ‚Stolpersteine‘. Ein Zwischending aus Pflasterstein, Gedenktafel und Grabstein, das Vorbeigehende an die Opfer des Nationalsozialismusses erinnern soll. So gut ists gemeint – wegen der Grabstein-/Gedenktafelnatur (zusammen mit dem was üblicherweise auf Pflastersteinen so stattfindet) ist die Reaktion ziemlich aller mit Vorfahren unter den Opfern derer gedacht wird: desaströs, schauderhaft, katastrophal. Etwa in München: http://schlamassel.blogsport.de/2014/10/14/gegen-stolpersteine-solidaritaet-mit-der-israelitischen-kultusgemeinde/

Noch desaströser, darauf hat mich Aristobulus hingewiesen, ist diese Idee in Wittenberg ‚gelungen‘:
An der Stadtkirche Wittenberg befindet sich eine mittelalterliche, antisemitische Schmähkarikatur: eine Judensau. Weil das unerträgliche Ding alt und damit von historischem Wert sei (ähm), wollte die Stadt es bei der Renovierung nicht einfach in einen Winkel irgendeines Museums hinter eine erklärende Textwand verbannen oder unkommentiert im Archiv verschwinden lassen. Einfach da lassen konnten sie es aber auch nicht; damit hätten sie es sich zueigengemacht. Was tut die Stadt? Sie lässt die Karikatur hängen (oder stehen: es ist eine Statue an der Fassade) – und die Erklärung/Distanzierung als Gedenktafel in den Boden ein.
Um die Gedenktafel ein Psalmvers: Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu Dir. Hebräisch, in chaldäischen Buchstaben. Zum drauftreten.
Das Problem mit dieser Inschrift jemandem zu erklären der schon Schwierigkeiten hat mit dem Konzept daß es vielleicht nicht jedem recht ist auf den Namen Verstorbener herumzulaufen… nun, nach dem Bericht wohl aussichtslos. Die Platte gibt es noch.

Nicht nur Straßen, auch Menschen können mit guten Vorsätzen gepflastert werden (wer hat gesagt, noch schlimmer ginge es nicht??): mit Pflastersteinen beworfen. In völlig guter, desaströs guter Absicht. Aus politischen Motiven. Oder terroristischen die sich als solche ausgeben. Spätestens hier wird es lebensgefährlich. Zeit das zu unterbinden. Und zu laufen.

Veröffentlicht am November 29, 2014 in Kein Smalltalk, Politik, Weltanschauung und mit , getaggt. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 28 Kommentare.

  1. Was ist noch zu sagen, nachdem Du und Aristobulus schon Alles gesagt habt?

    Vielleicht dies: Dass die Stadtkirche Wittenberg (die Luthersche?) wirklich ganze Arbeit geleistet hat. Wozu die Europäer als Kollektiv Jahrzehnte gebraucht haben: einerseits (via „Palästina“) die Juden als Volk zu diskreditieren, andererseits das Judentum (Schächtung, Beschneidung) in den Schmutz zu ziehen, das schafft die Pfarrei Wittenberg in einem Augenblick und mit einem Schlag:
    Da ist die „Judensau“ als Symbol für das jüdische Volk und da ist Davids Psalm, den man jeden Morgen zwischen Rosch ha-Schana und Jom Kipur bei offenem Tora-Schrein – ja, psalmodiert: „Mi-Maamakim keratícha Ja – Aus den Tiefen rufe ich zu Dir, Ja (Haschem)“.

    Die „Judensau“ soll man als Bild in sich aufnehmen, auf den Psalmvers soll man treten. Gratulation!

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    • PS. Habe versucht, den Text durch Zwischenräume luftig zu gestalten. Herausgekommen ist Bedeutsames, Pompös-Aufgeblasenes. Das nächste Mal wird alles anders.

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    • … ich hatte in drei Briefen versucht, dem Wittenberger Superintendenten zu erklären, a) worum es da geht, und b) was sie da tun. Er wollte es nicht verstehen, denn er hat jüdische Freunde, wie er zweimal schrieb, die ihm Recht gäben.

      Der ist einer derer, die sich nie verschlucken, nichtmal zwischen einem Bratwurstbissen und dem nächsten.

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      • P.S.
        Er wollte nichtmal verstehen, dass man da auf das Tetragrammaton drauftritt!, auf den Namen G“ttes. In der Mitte der Platte prangt ein Kreuz (die Inschrift läuft um die Seiten), und der Herr Superintendent fühlt sich scheints so kreuzdemütig, dass er sein Nichtgestörtwerden vom Treten aufs Kreuz auf den hebräische Text mit G“ttesnamen überträgt.

        Ganz was Neues, diese Vereinnahmung im sich Tretenlassen.

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        • waah, da is’n Buhcstabenrdeher (Tetragrammaton), u’d da fehlt ei‘ Enn.

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        • Den Buchstabendreher hab ich gefunden. Das N nicht. Geht scheints gut oh’e, oder mein ich-ersetze-ungefragt-völlig-andere-Worte-von-denen-der-Programmierer-meint-daß-jemand-sie-schreiben-wollen-MUSSTE-„recht“schreib-Programm hat es geflickt, als ich das rt/tr zurückgedreht hab?

          Den Superintendenten stört es nichtmal, wenn er jemanden ins Kreuz tritt (wie in: den verlängerten Rücken; verbal Dich in Deinen in seinem Brief) – was soll ihn da stören in ein Kreuz (das Symbol in dem Fall) auf einer Gedenktafel / einem Grabstein zu treten?
          Der Depp ist mir unsympathisch bis zum Anschlag, allein schon vom erzählen!

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        • Dass es dem Superintendenten schon egal ist, dass er auch noch auf das Symbol seines Glaubens tritt, zeigt nebenher, wie‘s mit dem eigenen Glauben steht. Dazu hat sich gerade Shanto Trdic bei Numeri geäußert.

          Retusche fürs Geschäft – na logo!

          Tatsächlich hat man den Eindruck, dass nicht nur diesem Kirchenherrn der Sinn für Symbole abhanden gekommen ist. Wenn die amerikanische Klerisei Hunderte von Muslimen zum Gebet in die Washington National Cathedral einladen kann, ohne mitzukriegen, dass das Christentum dem Islam damit Platz macht, dann ist ihr nicht zu helfen. Die Muslime sind, was sie sind, aber sie wissen noch, dass Symbole was bedeuten.

          The Independent, 15.11.2014: Hundreds of Muslims attend weekly prayers at iconic Christian cathedral:

          An iconic Christian cathedral where Martin Luther King once preached welcomed several hundred Muslims beneath its vaulted arches in a gesture aimed at fostering greater understanding and acceptance between the two faiths around the world.
          http://www.independent.co.uk/news/world/americas/hundreds-of-muslims-attend-weekly-prayers-at-iconic-christian-cathedral-9862922.html

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          • Jetzt bekomme ich Zahnweh, weltanschauliches welches. Durch diese Zeremonie wird die Kathedrale nämlich zur Moschee. Jeder Sakralbau wird automatisch zur Moschee, wenn eine moslemische religiöse Zeremonie darin abgehalten wird (die genaue islamtheologische Begründung weiß ich gerade nicht, wird aber irgendeine Verzierung um „meins!!“ sein).
            Ausgerechnet die, in der M. L. King …

            Ist noch was von dem Running Spliff da, den ihr grade hattet als es um den Psalm zum drauftreten ging?

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          • Nachklapp: werde versuchen herauszufinden, wer die einsame Protestierende ist, die im Artikel erwähnt wird. Sie einfach so namenlos zurseitezubürsten wird ihr nicht gerecht, finde ich.

            Nachklapp 2: ich dachte hier stünde irgendwas genaueres als ‚meins!‘, aber leider nicht: http://tapferimnirgendwo.com/2012/09/04/die-kolner-domoschee/

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        • Gestern scheint ein Buchstabendreh- und Buchstabenauslasstag gewesen zu sein. Bei mir wegen Running Spliff. Weswegen bei Euch?
          Bei „Mi-Maamakim keratícha Ja“ ein nicht unwichtiges „du“ vergessen: Aus den Tiefen rufe ich zu dir, Ja (Haschem)“.

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        • 🙂

          P.S.
          * überlegt, jetzt Bananenmilch mit ’nem Schuss Rum zu mixen, wegen dieses ganzen Moslemgeschreis in der National Cathedral *

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      • Vom Running Spliff ist, wenn überhaupt, nur eine Neige übrig geblieben – mea culpa, bei Worten werd‘ ich schwach – aber dafür gibt es noch Scotch en masse. Klaus-Dieters Camillentee-Tante hat nichts nachbestellt.

        Auch ich habe gelesen, dass jeder Sakralbau zur Moschee wird und bleibt, wenn Muslime darin zu Allah gebetet haben; wohl deshalb, weil Alle Menschen als Muslime zur Welt kämen, der Bau also zu seiner ursprünglichen Bestimmung zurückfinde. Du darfst vom Irrtum zur Wahrheit schreiten, aber nicht von der Wahrheit abfallen.
        Alle diese Behauptungen vorerst ohne Belege.

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        • aber dafür gibt es noch Scotch en masse.
          Einen auf die Kathedrale, die es nicht mehr gibt, und den Untergang des Abendlandes!

          Es gibt auch einen Cocktail namens Veritas, aber der ist alkoholfrei (vier Fünftel roter Traubensaft, ein Fünftel Grapefruitsaft, eine ganze Erdbeere – dann mit Mineralwasser als Schorle). Ich frage mich, warum. Wenn ich lese Du darfst vom Irrtum zur Wahrheit schreiten, aber nicht von der Wahrheit abfallen, und die ‚Wahrheit‘ die entweihte Kathedrale ist, dann frage ich mich wirklich, warum.

          (und zwar zu mehreren verschiedenen Fragen: warum?)

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        • Im Buurmannblog schrieb einst Quirin, als sie noch rational und ansprechbar, ja nett war: „Wahrheit ohne Zweifel ist Kitsch“.
          Der Spruch gefällt mir, weil er die Wahrheit ohne Zweifel nicht ernst nimmt und nicht vor ihr warnt, sondern sie als Kitsch veralbert.

          Das Herrenmenschen-Moslemdasein ist Kitsch. Genauso verkitscht wie die Bühnenhintergründe der Reichsparteitage und wie die Frisur von Magda Goebbels. Und Himmler war wie Al-Buchari und wie heute Al-Qaradawi ein Kitschkopf durch und durch.

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          • “Wahrheit ohne Zweifel ist Kitsch”.
            Auf alle Fälle. Entweder das oder irrelevant. Zwei und zwei sind vier. Stimmt. Und? Nix Und. Egal.
            (Mathematikerwitz: Eins und eins ist Pi – für großes Eins und kleines Pi.)

            Was Wahrheit an sich ist, ob mit oder ohne Zweifel, dazu haben schon ganz andere geschwiegen.

            Trotzdem die Anmerkung: woran erkenne ich ohne Zweifel denn, daß es Wahrheit ist? … et voilà, schon schlägt wieder die Naturwissenschaflerin durch. Gut möglich ist die zweifelsfreie Erkenntnis der Grund, daß Herrenmenschen so mies in den Naturwissenschaften sind. Und gut möglich ist der zweifelsfreie Kitsch der Grund, daß es in der Kunst nicht viel besser ausguckt. Vom Humor, der vom Zweifel an sich selbst und der Wirklichkeit lebt, nun mal ganz zu schweigen.

            *stößt mit an auf die Dichter!*

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        • Stimmt: Herrenmenschentum ist auffällig geschmacklos; weshalb Gottfried Benn, der am NS zunächst was gefunden hatte, sich 1933 angewidert abwandte. Auf seinen Schönheitssinn war Verlass.
          Eine(n?) Veritas auf die Dichter!

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          • Ui, jetzt hat es die Reihenfolge durcheinandergeworfen, vielleicht weil ich schon vor 1:13 mit schreiben angefangen habe?
            Kann das leider nicht flicken, sorry 😳 !
            Mit dem Anstoßen habe ich mich auf den ‚durchgerutschten‘ Kommentar bezogen, sodass jetzt die Antwort vor der Frage steht 😳

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          • [ passt doch wie zwei Pflastersteine in die good vibrations 😀 ]

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        • Oh à propos, das passt ja wieder dazu wie der Pflasterstein in die good intentions: Habe grad eben Beer7s Artikel über Avi Dichters Grundgesetzentwurf zu einem jüdischen, demokratischen Nationalstaat gelesen.
          Anti-Herrenmenschentum par excellence

          Zum Gesetzesentwurf: Israel als juedischer Nationalstaat

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        • Das passt ja wieder dazu wie. Asoj.

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        • „Die Antwort [steht] vor der Frage“: Genau das, Aurorula, ist die kitschige Wahrheit, von der die Rede ist.
          Gute N8!

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