„Geschlechtsneutraler“ Artikel 1

Vor ein paar Tagen wurde eine Überarbeitung der Nationalhyme gefordert: geschlechtsneutrale Sprache sollte es sein (durchgendern ginge schließlich schlecht, wenn der neue Text noch auf dieselbe Melodie passen soll), um Formulierungen wie „Vaterland“ und „brüderlich“ zu ersetzen. Abgesehen davon, daß auch unsere französischen Nachbarn den historisch gewachsenen Text ihrer Hymne behalten, obwohl er nicht mehr zeitgemäß ist; und in dem Fall stimmt das sogar unzweideutig (die vom Blut der Feinde überfließenden Ackerfurchen und erwürgten Frauen und Kinder sind keine aktuelle Beschreibung – das sollte sich eigentlich von selbst verstehen): warum nicht ehrlicherweise gleich über eine ganz neue Hymne abstimmen? Keine Mehrheit? Nicht so schüchtern! Solange niemand zu singen braucht „mit dem Herzen in der Hose und den Beinen in der Hand“ (auch das passt auf die Melodie!) sind sicher viele offen für Fortschritt – solange sie davon überzeugt sind, daß der neue Text einen solchen darstellt.

Und warum bei der Nationalhymne haltmachen? Der Grundgesetzartikel eins gehört auch dringend sprachlich modernisiert! Mein Vorschlag wäre ja:

Das Würdige des Leuts ist unumstößlich*. Es zu respektieren° und friedlich durchzusetzen² begründet alles schon länger hierseiende³ Handeln²°.

*Dochdoch, auch gegen Sinne kann man diskriminieren! Wo bleiben da schließlich der Gesichts-, Geruchs-, Gehör- und Geschmackssinn, wenn nur getastet wird? Unmerklich, unsichtbar, unerhört, etc. wären aber dann doch zu sehr freudsche Versprecher…
°dito Zahlen, „zahlen“ und „zählen“.
²Bäh, in schützen steckt der Schütze drin, mithin das Geschütz, also der rauchende Colt. Geht garnicht!
³wer sagt schon heute noch „Staat“?
²°…und überhaupt: Gewalt! Pfuibäh!

Kommt bestimmt nicht? Kommt bestimmt. Inklusive Streichen der folgenden Passage „die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetz und Rechtssprechung als unmittelbar geltendes Recht“. Wer braucht schließlich vorstaatliche Grundrechte? Grundrecht ist das, was wohlmeinende, aufgeklärte, es besser wissende Politiker einem gewähren. Sofern es nicht gegen den Gedanken verstößt daß Demokratie das zu sein hat, wo alle mitmachen. Oder gegen den Klimaschutz, natürlich.

Wenigstens die Menschen (die Menschen, die Menschen!) werden bestimmt irgendwann zu Leuten, weil der Mensch grammatikalisch männlich ist; und nachdem ein Elternteil jetzt ein „Elter“ ist, kann das plurale tantum dann auch bei den Leuten zur Hölle fahren, und das Singular wird das Leut. Damit leuten, äh läuten dann alle eine ganz neue Ära ein.

P.S. a propos auf die Melodie der Nationalhymne passende Texte: In Ostafrika gibt es ein Kirchenlied, das dieselbe Melodie wie die deutsche Nationalhymne hat. Den Text dazu kenne ich nicht – aber zur neuen, modernen Hymne taugt er garantiert auch nur bedingt: zwar unterscheidet das Suaheli nicht zwischen „er“ und „sie“ – dafür hat es elf grammatikalische Geschlechter (hier heißen sie Klassen); da wären mögliche Sänger eine Weile mit gendern beschäftigt.

Und auf die Melodie passts dann wieder nicht.

Veröffentlicht am März 9, 2018 in Kein Smalltalk, Politik und mit , , getaggt. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 12 Kommentare.

  1. … tjaaa, das Recht, das Grundrecht zumal; wo kommt es her?, und wer erteilt wem ein Grundrecht?, zumal es ja erstaunlich einfach ist, einfach mal ein paar Grundrechte zu streichen, wenn man Heiko Maass heißt, wie ein mittelalt gewordener ewiger Klassenprimus aussieht und als Minister am Drücker sitzt. Dann sind diese Grundrechte nichtmal mehr theoretisch, sondern weg.

    Ursprung des Rechts: Da gibt es die Naturrechtler seit dem siebzehnten Jahrhundert (vielleicht auch schon Picco della Mirandola dreihundert Jahre vorher), die meinen, dass den Leuten von Natur aus Rechte gegeben seien. Das war zwar eine fortschrittliche Idee, denn sie argumentiert für Allgemeinrechte gegen partikulare Herrschaftsrechte, also gegen jene, die immer gleicher sind als die anderen Gleichen. Aber sie postuliert Natur dort hin, wohin sie nicht gehört. Unter Natur verstanden die Naturrechtler von Locke bis Spinoza und von Picco della Mirandola bis Rousseau einen gütigen, humanen, ideal altgriechischen Zustand, in dem das Individuum frei sei.
    Die Naturrechtler wurden alsbald von ihrem eigenen Idealismus eingeholt, denn je mehr man sich (außerhalb der antiken Philosophie) mit dem Fressen und Gefressenwerden und mit dem Ursprung der Arten auseinandersetzte (Dichter wie Opitz und Gryphius nach dem 30jährigen Krieg, Zoologen wie Lamarck und Linnaeus in der Aufklärung des achtzehnten Jahrhunderts), um so klarer wurde es, dass sich aus der Natur kein allgemeines Menschenrecht ableiten lässt. Friedrich Nietzsche wusste das gut.

    Gegen die Naturrechtler, die es auch schon in der römischen Antike gab, stand seit je her das Judentum. Darin geht es sehr streng und sehr eindeutig zu: Recht wird demnach ausschließlich nach allgemeinen Verhandlungen von ganz oben erteilt, auf dem Har’Ssinai, als Moses da hochstieg, um die Torah zu bekommen. Da wurde das Recht erlassen, das Recht schlechthin. Vorher gab es kei Recht, sondern Barbarei, das Primat des Stärkeren, allgemeine Verantwortungslosigkeiten und allerlei Unklarheiten wie einst im Paradies, als Eva von der Frucht aß, weil sie auf Einflüsterungen hörte, dass sie dadurch werden könne wie Gott. Und als Adam einfach mitmachte, ohne zu sagen, ja-aber.
    Adam und Chava waren noch keine Menschen, denn sie lebten unter gütigem Kuratel. Aber sie wollten plötzlich so werden wie Gott. Nix dazwischen! Ja so einfach geht das doch nicht.

    Chava hat dann, als sie gefragt wurde, was sie denn bewogen habe?, einfach mal so die Verantwortung für ihre eigene Entscheidung abgestritten, sondern sie meinte, die Schlange sei Schuld, und Adam sagte gar nichts. Beide kauten noch.

    Also hat qua Judentum der Naturzustand einfach nicht hingereicht; denn wenn einer menschliche Verantwortung hat, dann muss er mitten in den Gegebenheiten der Natur (außerhalb des Paradieses) leben und dabei möglichst menschlich bleiben. Oder menschlicher werden. Alles wieder mal gar nicht so einfach ^^

    Weswegen viel, viel später dann Moses mit den Luchess vom Berg herunterkam, aber die Tojre passte ja nicht drauf, es standen bloß die Zehn Gebote drauf (der jidische Gelehrte Mel Brooks meint freilich, es seien erst fünfzehn Gebote gewesen, w keiner widerlegen kann 😀 ). Das Volk (entlaufene Sklaven) diskutierte und protestierte, so wie das Volk das ebenso gern wie immer tut, und Moses ging wieder auf den Berg, kam wieder herunter, ging wieder hinauf.
    Heißt: Zwischen dem Gesetzgeber (der Ojberschter, boruch Ho’Schejm), dem Hauptverhandler (Mojsche) und dem Volk (der Souverän, dem es oblag, das Gesetzbuch anzunehmen oder nicht) herrschten Verhandlungen. Es wurde ausgehandelt, was Recht sei, und was es nicht sei. Etwa, dass es sich um Menschenrecht handeln müsse, denn die Zehn Gebote sind kein Stammesrecht, kein Gruppenrecht und kein Partikularrecht, sondern sie sind Individualrecht mit dem Einzelnen als Rechtssubjekt, ja?, das sich auf die ganze Menschheit bezieht.
    Und er sah, dass es gut war, und selbst Moses-Cornutus, der sich äußerst über das Volk mit seinem plötzlich aufgewärmten neoägyptischen, sklavischen goldenen Kalb ärgerte, sah, dass es gut war, und das Volk begriff schließlich, dass es keine andere Wahl hatte, als vom Daueropfer- und Sklavendasein durch eigene Entscheidung wegzukommen: Es war gefragt worden, hatte verhandelt, hatte dem Ergebnis zugestimmt.

    So kommt laut dem Judentum Recht zustande. Das ganze jüdische Volk hat darauf geschworen: „Schamor ve sachor, wir werden es bewachen und bewahren und es anwenden und uns erinnern.“ Seitdem sind die Zehn Gebote nicht verhandelbar oder gar abschaffbar: Denn-die-gelten.
    So die jüdische Meinung und die jüdische Realität seit Moses Zeiten bis heute. Dreitausenddreihundert Jahre immerhin. Besser als so geht’s nimmermehr.

    Das jüdische Recht, das in der Folge von den Christen leicht modifiziert in Kontinente umgreifendem Maßstab angewandt wurde, ist kein Naturrecht. Es ist göttlich gesetztes, allgemeines Bürgerrecht, weil der Einzelne nur auf diese Weise vor Tyrannei, Theokratie oder Umsturz geschützt ist – damit er keiner Rechte verlustig geht. In den Zehn Geboten steht Rechtsgleichheit der Individuen unabhängig vom sozialen Status oder vom Geschlecht (daraus folgt zwingend die Abschaffung der Sklaverei, und daraus folgt auch die Meinungsfreiheit), darin stehen Eigentumsrecht und der Schutz der Familie, darin stehen das Verbot von Tyrannei und das Verbot, zu morden.
    Zivilisierter geht es nicht.
    Gerechter geht es auch nicht.
    Jeder Versuch einer Modifikation, euphemistischerweise Verbesserung oder gar social justice genannt, hat bisher zu neuer Tyrannei oder zu neuem Gruppenrecht des rechtlosen Fressens geführt.

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    • Doch dann kamen die Buchstabengelehrten und alles verstand mal wieder nur Bahnhof.

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      • … harr, eine schön optimistische Annahme, die hätten wenigstens grad noch Bahnhof verstanden ^^

        Ja, Schling, und immer wieder gibt es Streiterei darüber, ob „ein Gottesbezug“ weiter in der Präambel des deutschen Grundgesetzes oder in der europäischen ‚Verfassung‘ stehen solle oder dürfe. Die US-Verfassung kommt übrigens ganz ohne diesen Bezug aus, denn sie enthält die Zehn Gebote praktisch nochmal – aber keiner der Streiter wider den Gottesbezug bezieht sich jemals deswegen positiv auf die US-Verfassung, nicht? 😀 , ja so wenig überhaupt Bahnhof verstehen die.

        Es würde in jeder noch zu schreibenden Verfassung ein Bezug auf die Zehn Gebote genügen. Also etwa „im Bewusstsein der Verantwortung vor den Zehn Geboten und vor der Würde des Menschen…“, oder asoj. Damit steckt der Gottesbezug mit drin, ohne gesondert genannt werden zu müssen, denn ohne diesen geht überhaupt nichts; woher sonst als aus den Zehn Geboten will man denn Recht hernehmen oder ableiten?, es gibt ja sonst keine Quelle.

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        • Als Alternative bietet sich höchstens das Recht des Stärkeren an. Sozusagen aus sich selbst heraus und möglichst demokratisch durch eine Mehrheit legitimiert; wobei das ja auch wieder viele Feinjustierungen braucht. Also hilft wahrscheinlich nur gütige Nachsicht ein bisschen über all die Unzulänglichkeiten hinweg.

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    • Ich hätte auch gern eine Schusswaffe, so wie sie die Amerikaner haben dürfen – damit würde ich nicht mal was tun, ich hätte sie einfach nur irgendwo zuhause weggeschlossen, damit alle Möchtegernmaase wissen daß es sie gibt. Aber Leute wie Heiko Maas wüßten eben: denk nichtmal dran, als Politiker bist Du dem Grundgesetz und den Wählern verantwortlich – und es gibt eine Menge Leute denen am Grundgesetz liegt, und die andere Mittel haben eine Regierung zur Verantwortung zu ziehen als nur alle vier Jahre einen bedeutungslosen Stimmzettel irgendwo abzuwerfen oder mit schicken Pappplakaten zu wedeln.
      *seufz*
      Die Möglichkeit reicht; aber ein vorstaatliches Grundrecht ist ohne die Möglichkeit es gegenüber dem Staat durchzusetzen doch auch nur Papier. Die abschreckende Wirkung ohne (theoretisch) den Wumms dahinter, das funktioniert nur bei der israelischen Atombombe. Von der keiner weiß ob sie wirklich existiert… offiziell gibt es garkeine, aber blöd wäre die israelische Regierung, das hartnäckige Gerücht einer „inoffiziellen“ allzu glaubwürdig zu dementieren: so bekommen sie, falls es wirklich keine gibt, die Abschreckung ohne sich um einen aufwendig zu wartenden Staubfänger kümmern zu müssen. Schick.
      Wenn es Politiker von dummen Ideen abhalten soll – dann gehört der aufwendig zu wartende Staubfänger wohl dazu, einfach nur ein Gerücht in die Welt zu setzen reicht da wohl nicht. Mist.

      … und natürlich als 250 friedliche Demonstranten, die nichts anderes wollten als nicht schonwieder Merkel, 900 gewaltbereiten Antifanten gegenüberstanden; da habe ich als eine der 250 an die G20 gedacht und mir fast ins Hemd gemacht, und war froh daß die Polizei – mit der Schusswaffe – dazwischenstand. Nachdem ich nicht gerade aussehe wie ein bodybuildender Türsteher hätte ich auch da nichts gegen amerikanische Verhältnisse gehabt, nach denen ich als friedliche Demonstrantin mir theoretisch die Abschreckung gleich selber mitnehmen könnte statt mir ins Hemd machen zu müssen; und Leute die regelmäßig sowas wie die G20-Unruhen veranstalten nie im Leben auch drankämen.
      So wie unser deutscher Staat dagegen (hoffentlich unfreiwillig) im Endeffekt die Antifa-Schlägertrupps finanziert … besser nicht, effektive Kontrollen würden hier in Deutschland nicht funktionieren. Was mir wieder die Wartung eines aufwendigen Staubfängers erspart; und nachdem ich schon mit sperrigen Gepäckstücken (Schisack) Probleme hatte in der münchner UBahn zu fahren, möchte ich das in Hamburg mit einer Waffe lieber garnicht erst probieren. Und das wüßte im Zweifel auch die Antifa.

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      • … man sollte grundsätzlich nur mit umjeschnalltm Degen durch die Stadtlandschaft gehen. Und wenn ein Polizist fragt, welcher sein Behuf sey, dann antwortet man, nu, zum Äpfelschneiden brauch ich den.

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    • Das gefällt mir so gut, das bringe ich als eigenen Artikel raus 😀

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  2. Bei manchen Dingen ist es eben so, dass eine Änderung an einer Stelle alles auseinander bröseln lässt. Die Präambel des GG hat ja auch ihre Mängel. Trotzdem muss man ja zugeben, dass im internationalen Vergleich, in Deutschland das Leben eher unter vergleichsweise positiven Bedingungen stattfindet. Gleichberechtigung, Gesundheitssystem, …. Da man schon suchen. Das alles trotz altem Text.

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  3. kleiner Nachklapp:
    durchgendern, da war doch mal was:

    Tyrannosaurus regina de jure uxoris sine qua non

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  4. Kleines Südlicht: „Abgesehen davon, daß auch unsere französischen Nachbarn den historisch gewachsenen Text ihrer Hymne behalten, obwohl er nicht mehr zeitgemäß ist; und in dem Fall stimmt das sogar unzweideutig (die vom Blut der Feinde überfließenden Ackerfurchen und erwürgten Frauen und Kinder sind keine aktuelle Beschreibung – …“

    Dein Artikel spricht mir aus dem Herzen, liebe aurorula a.!
    Allerdings erscheint mir das das Blut erwürgter Frauen und Kinder durchaus zeitgemäß.
    Vermutlich ist die Barbarei sogar das Letzte, was jemals aus der Mode kommen wird.

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